Staatsschutz ermitteltIn Leichlinger Telegram-Gruppe wird der Holocaust geleugnet

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Leichlingen – Jetzt werden die Leichlinger Montags-Demonstrationen gegen die Corona-Politik ein Fall für die Justiz. Wegen der bislang anonym operierenden Veranstalter der „Spaziergänge“ ist bei der Polizei eine Anzeige gegen einen AfD-Funktionär erstattet worden. Damit nicht genug: Gegen die Chat-Gruppe „Leichlingen denkt anders“, in der die örtlichen Protestmärsche im umstrittenen Messenger-Dienst Telegram maßgeblich organisiert werden, ist der Staatschutz der Kölner Polizei eingeschaltet worden, weil in dem Forum der Holocaust geleugnet wird.

In der Leichlinger Chat-Gruppe, die zum bundesweiten Netzwerk von Impfgegnern und sogenannten Querdenkern gehört, sind rund 170 Mitglieder versammelt, darunter mutmaßlich viele der Demonstranten, die sich hier verabreden und verständigen. Sie melden ihre montäglichen Schweigemärsche durch die Innenstadt nicht an, wie es für solche Versammlungen vorgeschrieben ist, sondern tarnen ihre regelmäßigen Proteste als spontane „Spaziergänge“.

Warnung vor Unterwanderung durch Rechtsexreme

Wie berichtet haben sich in Leichlingen inzwischen Gegendemonstrationen dagegen gebildet: Am vergangenen Montag haben die Partei Volt und eine Mahnwache um den Initiativkreis der „Leichlinger Erklärung“ Flagge gegen die Aufmärsche gezeigt und vor einer Unterwanderung der Bewegung durch Rechtsextremisten gewarnt.

Dass die Polizei gegen die nicht angemeldeten Aufzüge wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht regelmäßig lediglich Anzeige gegen Unbekannt erstattet und nicht gegen Verantwortliche vorgeht, will Klaus Reuschel-Schwitalla nicht länger hinnehmen.

Der Mitinitiator der Mahnwache und der Leichlinger Online-Petition, einem Appell fürs Impfen und Solidarität in der Corona-Pandemie, hat am Mittwoch ein Mitglied der AfD im Rheinisch-Bergischen Kreis angezeigt. Der Mann ist in der Leichlinger Telegram-Gruppe, in der viele anonym und mit Fake-Namen schreiben, aktiv und gehört für Reuschel-Schwitalla, Ratsherr der Linken im Leichlinger Rat, zu den Initiatoren der nicht angemeldeten „Spaziergänge“.

AfD gerät ins Zentrum der Kritik

Auch in anderen Kommunen im Rheinisch-Bergischen Kreis regt sich der Widerstand gegen die Montags-Proteste und gerät die AfD ins Zentrum der Kritik. In Overath hat SPD-Ratsherr Hans Schlömer Anzeige gegen einen AfD-Funktionär wegen Beleidigung und Aufrufs zu einer unangemeldeten Versammlung erstattet. Parallel zu den Aufrufen in Leichlingen läuft auch dort die Kommunikation in einer Telegram-Gruppe namens „Overath steht auf“.

Die zweite Anzeige, die sich gegen die Chat-Gruppe „Leichlingen denkt anders“ richtet, hat die Polizei an die Staatsschutz-Abteilung des Kölner Präsidiums weitergeleitet, wie Reuschel-Schwitalla mitgeteilt wurde. In dem bei Verschwörungstheoretikern, Querdenkern und Rechtsextremen beliebten Forum sind in dieser Woche Verleumdungen und Verhöhnungen von NS-Opfern und die strafbare Leugnung des Holocaust gepostet worden. Ein anonymer User schrieb dort am Dienstag, den Mord an Juden habe es nie gegeben und die Existenz der Konzentrationslager sei eine Lüge, gegen die Widerstand mobilisiert werden müsse. Skeptiker der Corona-Impfungen werden aufgerufen, sich zu wehren.

Ein Beleg für die Instrumentalisierung der sich harmlos gebenden „Spaziergänger“ durch Extremisten der rechten Szene sei das, findet Reuschel-Schwitalla. Er will dagegen mit seiner Anzeige vorgehen und warnt Mitläufer, die möglicherweise nur gesundheitliche Sorgen umtreiben, davor, sich von ihnen missbrauchen zu lassen.

Im Leichlinger Telegram-Forum sind die Lügengeschichten zwar auch kontrovers diskutiert worden, die anonymen Administratoren der Gruppe haben sie aber trotz vereinzelter Aufforderungen nicht gelöscht, sondern dulden sie. Ein alarmierender Hinweis auf den strafrechtlich relevanten Telegram-Eintrag im offenen Leichlinger Facebook-Forum ist von dessen Betreibern hingegen aus juristischen Gründen rasch wieder entfernt worden. Denn schon „die Duldung des Screenshots“ könne eine Straftat darstellen erklärte dessen Administrator Dominique Rondé. 

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