PilzzuchtDie Geheimnisse der Champignonzucht

Peter Marseille (rechts) führt die Besucher seiner Seminare in die Geheimnisse der Zucht von Champignons und Co. ein.
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Leichlingen – „Toll, was ich alles erfahren habe. Ich hätte nie geglaubt, was der Peter alles über Pilze zu berichten weiß. Ich glaube, er hat schon die ganze Welt gesehen“, schwärmt Mimi Haberland vom Obst- und Gartenbauverein Leichlingen nach dem Besuch eines Pilzseminars bei Peter Marseille in Leichlingen. Die rüstige Rentnerin kennt den Fachmann schon mindestens seit 40 Jahren, hat aber erst jetzt seine Kompetenz für Pilze kennengelernt.
Rund 30 Besucherinnen und Besucher waren über drei Stunden lang von Marseilles Vortrag gefesselt. „Ich bin der einzige Pilzzüchter in Deutschland, der solche Vorträge hält“, sagt er dann auch nicht ohne Stolz. Der passionierte Pilzkundler ist Landwirt und kam in den 1970ern eher durch Zufall zu den Pilzen. Heute lebt er neben dem Obstanbau von seiner Champignonzucht in Bergerhof. Aber die Pilzleidenschaft ist viel größer. Peter Marseille engagiert sich im Bundesverband der Pilzzüchter und organisiert Ausstellungen rund um das Thema Zuchtpilze.
So gewann er zum Beispiel mit seiner spektakulären Pilzausstellung die große Goldmedaille auf der Bundesgartenschau in Koblenz im vergangenen Jahr, die höchste Auszeichnung der Gartenbranche. Und auch auf der eben zu Ende gegangenen Floriade in Holland, einer der größten Gartenschauen der Welt, hatte er im Hintergrund fachkundig mitgewirkt.
Vielfalt an Zuchtpilzen
Es gibt eine überraschend große Vielfalt von Zuchtpilzen. Nicht nur Champignons in weiß oder braun, letztere auch Egerlinge genannt, sondern auch Shiitake, Kräuterseitlinge oder Austernpilze gehören bei Marseille zum Standardprogramm. Mindestens 20 weitere Pilzarten, bis hin zum Liebespilz, lassen sich derzeit ohne größere Probleme kultivieren, auch von Amateuren. Dazu gibt es meist vorgefertigte Anzucht-Sets, bei denen alles dabei ist, oder wenigstens genaue Anleitungen, die die Arbeitsgänge Schritt für Schritt erklären.
Pilze bilden neben Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich mit einer ungeheuren Vielfalt. Experten schätzen, dass es viel mehr Pilze auf der Erde gibt als Pflanzen und Tiere zusammengenommen. Entsprechend vielfältig sind die Arten, und sie besitzen sehr unterschiedliche Lebensformen. Zuchtpilze wie Champignons, Shiitake oder Austernpilze gehören alle in die Gruppe der sogenannten Destruenten, also zu den zersetzenden Pilzen und können deshalb leicht in Kultur genommen werden. Sie leben von toter organischer Materie und helfen zum Beispiel im Wald, Falllaub oder totes Holz in den natürlichen Stoffkreislauf zurück zu führen. Fehlen solche Pilze, erstickt das Ökosystem Wald einerseits im eigenen Müll, andererseits werden die Nährstoffe knapp und die Bäume verhungern.
Nicht kultiviert werden können so beliebte Arten wie Steinpilze oder Pfifferlinge. Der Grund: Sie bilden mit lebenden Pflanzen eine Symbiose, sind also mit ihnen auf Gedeih und Verderb vergesellschaftet. Pilze können völlig andere Stoffwechselprodukte erzeugen als Pflanzen und umgekehrt. Nach dem Motto „gibst Du mir, geb´ ich Dir“ verbinden sich Pflanzenwurzeln mit dem Myzel, so heißen die Pilzfäden, im Boden zu einem untrennbaren Geflecht. Fachleute nennen diese Lebensform Mykorrhiza. Dabei versorgt der Pilz seinen Wirtsbaum mit fehlenden Substanzen und umgekehrt bezieht der Pilz viele lebensnotwendige Stoffe direkt von seinem Partner.
Klimawandel bedroht Pilzbestand
Man ist sich heute ziemlich sicher, dass jede Baumart auf der Welt mit einer eigenen Mykorrhizapilz-Art zusammenlebt. Eine reiche Pilzernte im Herbst ist daher immer ein untrügliches Zeichen für einen gesunden und artenreichen Wald.Dabei sind Pilze äußerst empfindliche Wesen. Rücksichtslose Sammler können großen Schaden anrichten, denn Veränderungen im Boden führen leicht zum schnellen Tod von Pilzen, was auch das Absterben des jeweiligen Wirtsbaumes zur Folge hätte. Das Waldsterben, dessen Ursache Industrieabgase und andere schädliche Umwelteinflüsse sind, hat diese Zusammenhänge in dramatischer Weise aufgezeigt. Zuerst sterben immer die Pilze, dann der Wald. Aber auch der Klimawandel bringt solche Systeme ins Wanken. Das ist ebenso bei der Kultur von Zuchtpilzen zu beachten, auch sie brauchen bestimmte Rahmenbedingungen.
„Die Fähigkeit der Pilze, völlig eigene Substanzen zu bilden, hat sich auch in der Medizin herumgesprochen“, so Marseille. Neben Arten wie dem Fliegenpilz, dessen Genuss tödlich endet, weil bestimmte Stoffe menschliches Lebergewebe zerstören, kennt man heute viele andere Pilze, deren Inhaltsstoffe medizinisch hochwirksam sind und lebensrettend sein können. So versorgt Marseille derzeit ein Forscherteam der medizinischen Fakultät an der Universität Wuppertal mit Shiitakepilzen, die in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Therapie von Brustkrebs spielen könnten. „Es gibt sehr ermutigende Anzeichen dafür“. Schließlich wird Penizillin gegen Infektionskrankheiten auch aus einem Pilz gewonnen, der aus der Gruppe der Schimmelpilze stammt. Käsereien, Winzer, Bierbrauer oder Joghurt-Fabrikanten, um nur einige zu nennen, stünden ohne Hefepilze ganz schön dumm da.
„Pilze“ so Peter Marseille „sind Helfer der Menschheit“. Deshalb ist sein Engagement weit mehr, als „nur ein paar Champignons unters Volk zu bringen“. Wer das Seminar von Peter Marseille auf seinem Hof in Leichlingen besucht hat, wird Pilze ganz sicher aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachten. Und weil es dazu auch verschiedene Pilze zu kosten gibt, die Marseilles Frau Monika während des Vortages zubereitet, geht jeder zufrieden nach Hause.
Der eine oder andere ist danach vom Pilzmyzel derart infiziert, dass er sich sofort eine kleine Champignonzucht zulegt oder sich vielleicht direkt an den Liebespilz wagt. Informationen zu den Seminaren finden Interessenten im Internet.