Vea Kaiser auf Schloss EicherhofLeichenüberführung, beschwingt im Rückwärtswalzer

Vea Kaiser bei ihrer Lesung in Schloss Eicherhof.
Copyright: Britta Berg
Leichlingen – Eine österreichische Bestsellerautorin liest in tiefster herbstlicher Dunkelheit in einem abgelegenen Schloss über eine illegale Leichenüberführung.
Publikum in den Bann gezogen
Bei diesen Voraussetzungen lässt sich vieles erwarten, aber wohl kaum eine so herzliche und einfühlsame Geschichte über das Abschiednehmen und die Familie, wie Vea Kaiser sie in ihrem neuen Roman „Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger“ geschrieben hat. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur im Schloss“ hat die 30-jährige am Mittwochabend im Leichlinger Schloss Eicherhof eine Lesung aus ihrem neuesten Werk vergeben – und das kleine Publikum damit ab der ersten Minute in ihren Bann gezogen.
Der Roman verfolgt die verschiedenen Lebensläufe dreier Schwestern, die im nachkriegszeitlichen Österreich aufwachsen und sich kaum unterschiedlicher entwickeln könnten. Als sie das Schicksal wieder zusammengetrieben hat, passiert etwas Tragisches: Ein Ehemann stirbt unerwartet.
Toter auf dem Beifahrersitz
Sein letzter Wunsch war es, in seinem Heimatland Montenegro im Familiengrab zur Ruhe gelegt zu werden. Da die Schwestern allerdings kein Geld für die teure Überlieferung haben, müssen sie eben selbst Hand anlegen: Der Verstorbene wird eine letzte große Autotour auf dem Beifahrersitz machen.
Langer Roman, kurzweilig erzählt
Die Geschichte nimmt ihren Leser mit auf eine Reise durch verschiedene Ebenen des Familienzusammenhaltes, der Identitätsfindung und der Verarbeitung von Verlusten. Doch wo vielleicht Schwermut aufkommen könnte, glänzt die Autorin stattdessen mit viel Witz und Charme. Sie hat einen langen Roman geschrieben und erzählt dennoch außerordentlich kurzweilig, ohne dabei die Zeit des Lesers zum Nachdenken und zum Verschnaufen zwischen den Zeilen einzuschränken.
Eine große Familie
Kaisers Erzählstil ist ehrlich, packend und authentisch. „Ich finde, als Autorin sollte man über das schreiben, was man nachvollziehen kann. Man muss nicht alles selbst erlebt haben, aber man muss es nachvollziehen können,“ erklärte die Autorin ihrem Publikum. Und genau daran hat sie sich auch gehalten: Kaiser, die selbst aus einer Großfamilie kommt und durch ihren Ehemann eine noch größere Familie angeheiratet hat, kennt die schönen und die anstrengenden Seiten des Familienlebens in- und auswendig und verarbeitet genau diese Erfahrungen zu einem Buch, das zum Nachdenken anregt und dennoch sehr warm und unterhaltsam ist. „Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger“ hat einen gebührenden Auftakt für die neue Saison von „Kultur im Schloss“ geboten.