VersorgungTrinkwasser-Speicher in Wacholder wird für 1,2 Millionen Euro saniert

Wie Reinigungsarbeiten im Atomkraftwerk mutet der Anblick aus dem Inneren der 30-Meter-Kuppel an.
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Leichlingen – Bevor man eine Moschee betritt, zieht man sich die Straßenschuhe aus, damit der Gebetsraum, auf den sich Moslems knien, sauber ist. Bevor man die Großbaustelle betreten darf, die in der Leichlinger Ortschaft Wacholder in Betrieb ist, reicht selbst das nicht aus.
Gummistiefel und weiße Overalls sind erforderlich, hygienische Schleusen am Zugang eingerichtet worden, die Bauarbeiter müssen Desinfektionswannen durchschreiten, Besucher die Hände entkeimen, und man sollte drinnen möglichst nichts berühren.
Denn hinter dem unscheinbaren blauen Metalltor befindet sich ebenfalls eine Kathedrale. Eine Kathedrale der Technik: Der Trinkwasser-Hochbehälter Wacholder. Hier muss absolute Sauberkeit herrschen, weil aus ihm die Menschen in der Innenstadt trinken. Das hoch gelegene Reservoir dient als Zwischenspeicher und Puffer, um bei starken Verbrauchs-Schwankungen (etwa in der Halbzeit von Fußballspielen) den Druck auszugleichen.
Baujahr 1960
Seit September 2016 wird der 57 Jahre alte unterirdische Wasserspeicher im Auftrag der Stadtwerke saniert. Wer auf der Kirchstraße daran vorbei fährt, kann nicht ahnen, welch ein Wunderwerk sich in dem Hügel verbirgt. Von innen kennt ihn fast niemand. Die Baustelle bietet derzeit die ganz seltene Gelegenheit, den Hochbehälter betreten zu können.
Diese Chance gewährten die Experten gestern einer Besuchergruppe mit Bürgermeister Frank Steffes, Stadtwerke-Aufsichtsräten, Journalisten und Fotografen. Auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ durfte – unter den strengen Sicherheitsbestimmungen – ins Allerheiligste der Wasserversorgung klettern.
Unter der Erde schlummert eine Ehrfurcht gebietende, klinisch saubere, kreisrunde Höhle, die zwei Millionen Liter fasst, umgerechnet 15.000 volle Badewannen. Überwölbt wird der See von einer technisch gewagten und denkmalverdächtigen 30-Meter-Kuppel ohne jede Stütze. Nahezu spiegelglatt und fugenlos sind die Wände in mühseliger Handarbeit mit speziellem Spritzbeton geglättet worden, und schaffen nun eine Akustik, die jeden Techno-DJ in Verzückung bringen würde.
Begeistert sind von dem Bauwerk aber auch die beteiligten Ingenieure von Stadtwerken, Rhein-Energie und der Energieversorgung Leverkusen, die das Leichlinger Trinkwassernetz technisch betreut und die laufende Sanierung leitet. 1,2 Millionen Euro lassen sich die Stadtwerke die 15 Monate dauernde Instandsetzung kosten.
Angesichts dieser immensen Summe stellte sich anfangs natürlich die Frage, ob ein Neubau ratsamer wäre. Aber der als Gutachter hinzugezogene Wuppertaler Professor Manfred Breitbach wurde zum Fan des technischen Wunderwerks und riet zu dessen Erhalt. In Leichlingen, schwärmte der Fachmann für Betontechnologie von der Uni Koblenz, werde bundesweit erstmals ein solcher von Experten auch „Latsch-Behälter“ genannter Wasserspeicher saniert.
Arbeit im Schutzanzug
Die Baufirma GFB aus Essen hat den Auftrag bekommen. In Schutzanzügen operieren rund zehn Kollegen im Scheinwerferlicht der leeren Halbkugel. Der Anblick mutet auf Anhieb an wie eine Szene aus einem Atomkraftwerk. Bevor die Arbeiten beginnen konnten, waren umfangreiche Untersuchungen nötig. Dabei stellte sich heraus, dass die Kuppeldecke in der Mitte gerade mal zehn Zentimeter stark ist. Darüber liegen 80 Zentimeter Erde.
„Da würde jeder Statiker heute zusammenzucken“, bewundert Breitbach den Wagemut der Baumeister von 1960. Heute würde man mindestens 30 Zentimeter nehmen. Schon vor der ersten Inbetriebnahme muss es Probleme mit Undichtigkeiten gegeben haben. Denn man stieß bei der Prüfung auf nachträgliche Injektionen und Mörtelverfüllungen.
1982 wurde die Schale erstmals saniert und von innen mit einer PVC-Folie ausgekleidet. Der Kunststoff war nun mürbe und wurde vollständig entfernt. Alle Einzelteile eines bis zur Decke reichenden Standgerüstes mussten durch die kleine Öffnung des Wartungshäuschens in die Halle bugsiert werden.
110 Tonnen Altmaterial wurden entsorgt, 380 Tonnen neuer Beton an die Wände gespritzt. In den nächsten Wochen werden neue Rohrleitungen verlegt, alles desinfiziert und gespült. Ab Juli fließt wieder frisches Trinkwasser aus der Dhünntalsperre durch den Speicher Wacholder in die Haushalte.