Vor dem Leverkusener Amtsgericht muss sich ein Burscheider wegen Vergewaltigung in der Beziehung verantworten.
AmtsgerichtBurscheider soll Leverkusenerin vergewaltigt haben

Türen zu den Sälen im Amtsgericht Leverkusen.
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Eine Zeugenbefragung über mehr als sechs Stunden ist selten. Vor dem Leverkusener Amtsgericht muss sich der Burscheider Samir Ö. (Name geändert) wegen des Vergewaltigungsvorwurfs seiner Exfreundin verantworten. Sechs Stunden musste die heute 23 Jahre alte Frau über die Beziehung, die Umstände, die zu der vorgeworfenen Tat führten und über die Einzelheiten der Tat selbst aussagen. Für sie war es sichtlich eine Tortur, Samir Ö. schweigt, lässt zwei Verteidiger reden.
Dass die Frau schwer unter den Erlebnissen leidet, spürten alle im Saal. Nach der Tat rutschte sie in ein psychisches Loch, mit ungezählten Arztbesuchen und einem kurzen Klinikaufenthalt. Mit manchmal langen Sprechpausen schilderte sie, wie alles kam. Die ersten Wochen sei der 30-jährige Ö. zu ihr sehr nett gewesen, dann rutschte sie in eine Beziehung, die, ihren Aussagen nach, eine Mischung aus emotionaler Abhängigkeit und einer ständig unterschwellig vorhandener Bedrohungslage gewesen sein muss.
Frau wusste nicht, wie sie die Beziehung beenden könnte
Nachdem er sich immer wieder aggressiv verhalten hatte, habe sie gewusst, dass sie „ihn wieder loswerden“ will. Aber: „Ich wusste nicht, wie“, sagt sie leise. Denn der kräftige Mann habe ihr einerseits eifersüchtig die Hölle heiß gemacht, weil sie schon sexuelle Erfahrungen vor ihm gehabt hatte.
Andererseits soll er ihr angedroht haben, Familienmitglieder anzugreifen oder ihr etwas anzutun, wenn sie ihn verlässt: „Warte, du wirst noch sehen, was ich mache, wenn du mich verlässt.“ Bald soll er begonnen haben, seine Freundin zu schlagen, zu boxen, sagt sie. Trotzdem gingen sie ins Bett miteinander. „Weil ich musste“, sagt sie, „ich hab’s getan, ich wollte das nicht“. Sie war da 21 Jahre alt.
Am vermeintlichen Tattag selbst soll Samir Ö. sie ihrer Aussage nach in der Nacht in ihrer eigenen Wohnung gegen ihren Willen ausgezogen haben, aufs Bett gedrängt haben. Obwohl sie ihm gesagt habe, dass sie das nicht wolle, obwohl sie sich immer wieder unter ihm hochgewunden habe und geschrien, sagt sie, da habe er sich recht bald zurückgezogen. Den Schrei könnte eine Nachbarin gehört haben, die noch als Zeugin geladen wird. Mehrfach beschreibt die junge Frau die Szene so: „Er kam über mich drüber.“ Folgt das Gericht dem, wäre die Tat eine Vergewaltigung.
Verteidiger nutzen Erinnerungslücken
Vor Gericht wird zu Recht eingefordert, dass die Fakten amtlich und genau vorgetragen werden, aber kann das eine emotional und körperlich missbrauchte Frau leisten? Die Vorkommnisse, Schläge, Bedrohungen von vor zwei Jahren und die ganzen Daten hatte die gebürtige Krefelderin, die in Leverkusen eine medizinische Ausbildung absolviert, in der Erinnerung nicht immer wohlgeordnet.
Ob dem Burscheider, der schon wegen häuslicher Gewalt aufgefallen sein soll, die Körperverletzungen und die Vergewaltigung nachgewiesen werden können, ist offen. Die Erinnerungslücken sind jedenfalls ein gefundenes Fressen für die Verteidiger.
Dennoch muss die Frau, die sich über Monate nicht von ihrem Problemfreund trennen konnte, einen enormen Mut aufgebracht haben, zur Polizei zu gehen. Sie scheint mit ihrem Problem lange allein gewesen zu sein. Erst ganz am Schluss der monatelangen Beziehung hatte sie sich einer entfernten Freundin und einer Tante offenbart, jedoch ohne eine Vergewaltigung zu erwähnen.
Die hatte sie erst der Kriminalpolizei mitgeteilt. Ihre körperliche und psychische Anstrengung, vor Gericht auszusagen, war spürbar. In kurzen Verhandlungspausen sitzt sie mit rundem Rücken zusammengesunken auf einem Sitz im Flur.