ChemparkBayer tauscht Birnen am Kreuz aus

Höhenangst würde Franz Ebert wohl berufsunfähig machen.
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Leverkusen – Die Sonne brennt, der Windsack hängt schlaff herunter. Wäre er nicht so ein guter Gastgeber, Franz Ebert könnte glatt ein bisschen neidisch sein auf seine Besucher. Es ist Donnerstagvormittag, Bayer nutzt einen der kurzen sommerlichen Momente und bittet zur Fahrt auf sein im Dunkeln leuchtendes Markenzeichen. Dazu darf man – nach einem Handschlag – zu Ebert in einen Korb klettern. Der wird mit der Kraft von Elektrowinden emporgezogen. Kollegen kontrollieren die Fuhre vom Fuß des Kreuzes aus mit Seilen. Oben benutzt Ebert eine Art Bootshaken, um den Korb näher an die Konstruktion zu bringen. Die Anweisungen gibt es über Sprechfunk, der Schaltraum und die Basisstation, in der die Ausrüstung aufbewahrt wird, scheinen sich seit 1958 nicht verändert zu haben. Solide Technik, gut gefettete Drahtzüge. Es sieht so aus, als sei auf dem Dach von Gebäude B 9 die Zeit stehen geblieben.

Die neuen Lampen erkennt man am Sockel. Beim Blick vom Bayer-Kreuz fällt der weiße Block von Kronos Titan (rechts unten) besonders auf.
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Ist sie aber nicht. Zum zweiten Mal hat Bayer die Leuchtmittel des Kreuzes komplett ausgetauscht. Inzwischen hängt die zweite Generation Leuchtdioden an der altgedienten Reklame, die schon längst Leverkusens Wahrzeichen ist. Mehr noch: Es soll sogar Kölner geben, die beim Anblick der Kreuzes ein erster, kurzer Schauer von Heimatgefühl durchrieselt. Etwa, wenn sie mit dem Auto aus dem Norden oder Westen kommen. Oder beim Landeanflug auf Köln/Bonn. In beiden Fällen sieht man den Dom halt nicht so gut. Obwohl der auch beleuchtet ist.
Heller, klarer, sparsamer
Mithin weisen Veränderungen am Bayer-Kreuz weit über den Werkszaun hinaus: Schon im Winter war aufgefallen, dass etwas anders ist. Tatsächlich war zunächst der Ring um den Schriftzug mit neuen Leuchtmitteln versehen worden. Das Gebilde wirkte heller, klarer. Eine Wahrnehmung, die Thorsten Thran am Donnerstag bestätigt und erklärt. Der Bayer-Ingenieur berichtet von einer Leuchtdiode, deren Konstruktion sich überhaupt nicht mehr von der Jahrzehnte lang gebrauchten Glühlampe unterscheidet: Sie hat einen Leuchtfaden im Inneren und verteilt das Licht entsprechend gleichmäßig.
Der herkömmlichen Glühlampe war aber von der Brüsseler Europa-Bürokratie der Garaus gemacht worden. Was Bayer zwang, sich etwas einfallen zu lassen. Denn die 40-Watt-Lampe, die von 1958 bis 2009 das Kreuz erhellte, hatte eine Besonderheit: einen Sockel mit Bajonett-Halterung statt eines Schraubgewindes. So etwas gab es nicht auf dem LED-Markt. Am Ende war es ein Lieferant aus Taiwan, der etwas einigermaßen Passendes im Katalog hatte. Er steckte seine Leuchtdioden in einen Glaskolben, der mit Weißöl gefüllt ist. Das kühlt nicht nur die Diode, es sorgt auch für eine wesentlich bessere Lichtverteilung und eine weniger weiß-grelle Ausleuchtung.

Drei Generationen Leuchtmittel: 40-Watt-Glühlampe aus Deutschland, 5-Watt-Leuchtdiode aus Taiwan, 4-Watt-LED aus USA (v. links).
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Doch in beiden Disziplinen sind die neuen Lampen den alten überlegen, versichert Thran. Das war auch die Mission: „Wir wollten uns im Vergleich zum Vorgänger nochmals deutlich verbessern.“ Damit meint er nicht unbedingt den nochmals geringeren Energieverbrauch: vier statt fünf Watt. Bedeutsamer ist eine Frage, die sich in dieser oder jener Form jedem stellt, der sparsamere Technik einsetzen möchte: Gibt es Nebeneffekte? Im Fall des Bayer-Kreuzes sahen die so aus: Die LED-Lampen der ersten Generation wiegen 130 Gramm. „Das hört sich erst einmal wenig an. Bei 1710 Leuchten summiert sich das aber“, sagt Peter Skornia.

Bewährte Technik aus den 50ern.
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Bayers Immobilienmanager war auch schon beim ersten Komplett-Austausch der Beleuchtung dabei. Und musste erfahren, dass die schweren Lichter die Konstruktion des Kreuzes beansprucht haben. „Letztlich hatten wir mehr Kosten für die Wartung der Konstruktion als für den Austausch der Leuchtdioden“, ergänzt Thorsten Thran. Dass die eigentlichen Leuchtdioden den Geist aufgeben sei bei einer Lebensdauer von mindestens 1000 Stunden sowieso kein Thema. „Dafür haben zum Beispiel Vögel die Glaskolben aufgehackt“, berichtet der Ingenieur.
Die neuen Lampen sind in den USA erfunden worden und wiegen nur 40 Gramm. Hinsichtlich des Gewichts sollte also Ruhe sein. Was Thran noch keine Ruhe lässt, ist die Steuerung der Beleuchtung. Damit das Kreuz bei wechselnden Lichtverhältnissen nicht dauernd an- und ausgeschaltet wird, will er auch hier neue, verlässlichere Technik. Doch Franz Ebert weiß: Auch künftig werden die windstillen Momente nicht reichen, um ins Kreuz zu schweben.
Das Ziel: Viel Licht und wenig Stromverbrauch
Als am 20. Februar 1933 das erste Bayer-Kreuz eingeweiht wurde, ging es um Gigantismus, nicht um Sparsamkeit: Mit seinem Durchmesser von 72 Metern und 2200 Glühlampen galt es als „größte Leuchtreklame der Welt“.
Am 2. September 1958 knipste der Konzern das zweite Bayer-Kreuz an: Mit einem Durchmesser von 51 Metern und 1710 Lampen war es nicht Weltrekord-tauglich. 2009 wurde die Beleuchtung auf Dioden umgestellt. (tk)