Chemion vor dem ArbeitsgerichtNach 30 Jahren gekündigt

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Leverkusen – Es könnte ein langer, sehr langer Rechtsstreit schon in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht werden, wenn die Chemion Logistik GmbH sich nicht auf einen Vergleich einlässt. Denn dann müsste Richterin Alexandra Rüter Zeugen, Ärzte, Gutachter und – womöglich – Gegengutachter für die Wahrheitsfindung einspannen. So etwas pflegt zu dauern, erst recht, wenn die unterlegene Partei dann auch noch das Landesarbeitsgericht und in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht anruft.
Die Chemion, früher die zentrale Logistik des Bayer-Konzerns und heute 100-prozentige Tochter des Chempark-Betreibers Currenta, hatte einem Mitarbeiter, der seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen beschäftigt ist, krankheitsbedingt gekündigt. Das ist arbeitsrechtlich zulässig, wenn ein Arbeitnehmer allzu häufig fehlt. Allerdings müssen zusätzlich eine medizinisch gesicherte „negative Prognose“ und „erhebliche“ Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen vorliegen. Außerdem muss eine Interessenabwägung ergeben, dass dem Arbeitgeber diese Beeinträchtigung nicht weiter zugemutet werden kann. Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, ist die Kündigung unwirksam.
Vollständig genesen
2012/2013 war der Kläger langfristig erkrankt, davor und danach auch schon gelegentlich im üblichen Rahmen ausgefallen. Bei seinen Beschwerden handelte es sich einerseits um Rückenprobleme, andererseits um Atembeschwerden, die – merkte Alexandra Rüter an – möglicherweise auch mit seinem Arbeitsplatz zusammenhängen könnten. Nach physiotherapeutischen Behandlungen des Rückens und einem Kuraufenthalt an der Nordsee ist der Mann laut ärztlichem Attest inzwischen wieder vollständig genesen.
Dennoch würde er angesichts seines Alters gegen eine Abfindung aus dem Unternehmen ausscheiden, die ihm und anderen vor einiger Zeit auch schon einmal angeboten worden war. Damals war von 80 000 Euro die Rede, die er – so der Anwalt der Chemion – aber nicht angenommen habe. Jetzt sei der Abfindungstopf leer, so dass nur eine erheblich geringere Summe in Betracht komme. Das stimme so nicht, erwiderte der Kläger. Er habe seinem Betriebsleiter seinerzeit mitgeteilt, dass er das Geld nehme und gleichzeitig nach einer Freistellung gefragt, um sich bis zu seinem Ausscheiden bei Chemion um eine neue Stelle kümmern zu können.
Auf diese Frage habe er trotz Nachhakens keine Antwort von seinem Vorgesetzen bekommen – und das so lange, bis das Angebot ausgelaufen war. Mit den 40 000 Euro, die Chemion ihm jetzt biete, sei er deshalb nicht einverstanden. In einer abgeschiedenen Ecke des Opladener Amtsgerichts handelten Kläger und Beklagte nebst ihren Anwälten deshalb eine neue Summe aus, die aber selbst Richterin Rüter nicht erfuhr. Wenn die Geschäftsführung von Chemion diesem Vergleich nicht zustimmen sollte, nimmt das Verfahren seinen – voraussichtlich sehr langen – Gang.