Offene Fragen nach Chemie-ExplosionLeverkusener Trinkwasser könnte belastet sein

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Hat der Löschschaum vom Leverkusener Sondermüllofen auch das Trinkwasser belastet? 

Leverkusen – Zuerst war es das hierzulande verbotene Insektengift Clothianidin, dann kam ein Cocktail aus diversen Rückständen im Löschwasser hinzu: Dass Currenta nach der Explosion am 27. Juli belastetes Wasser in den Rhein abgelassen hat, beunruhigt die Anwohner jetzt auch mit Blick auf ihren Wasserhahn: Denn sie wissen, dass ihr Trinkwasser zum Teil aus Rheinufer-Filtrat gewonnen wird. Können sie das Wasser noch ohne Bedenken benutzen? Benjamin Roth hätte das gern schriftlich gehabt von seinem Versorger, der EVL. Doch es stellt sich heraus, dass das nicht geht.

Denn Currenta hat der EVL nicht über die mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz abgestimmte Einleitung von Löschwasser informiert, in dem sich in Summe um die 70 Kilogramm des in Deutschland verbotenen Insektengifts Clothianidin befanden.

Keine Info, keine Kontrolle

Bekannt wurde das erst durch Medienberichte kurz vor Weihnachten, obwohl das belastete Wasser schon kurz nach der Katastrophe am Sondermüll-Ofen in den Rhein abgelassen wurde. Die EVL hatte keine Chance, sagt Unternehmenssprecher Stefan Kreidewolf: „Um mit letztendlicher Sicherheit sagen zu können, ob unser Trinkwasser durch die Zumischung des Currenta-Wassers belastet wurde, hätten wir es in dem Zeitraum nach dem Unglück auf diese Stoffe hin beproben müssen, was uns wegen der fehlenden Informationen nicht möglich war.“

Dann zählt er Argumente auf, warum die EVL eine Belastung jenes Trinkwassers, für das Rheinufer-Filtrat benutzt wird und das nicht nur in Bürrig, sondern auch in Rheindorf, Hitdorf, Opladen, Alkenrath, Küppersteg und im Westen Quettingens aus den Hähnen kommt, für „unwahrscheinlich“ hält: „Im Rhein wurde das eingeleitete Wasser aus der Kläranlage ebenfalls verdünnt, zudem erfolgt die Einleitung in der Flussmitte.“ Zudem bekämen die Zonen, in denen das Filtrat das Rheinuferfiltrat gewonnen wird, eher Wasser, das aus der Wupper in den Rhein fließt.

Eine Frage der Lage: Das EVL-Wasserwerk liegt im Rheindorfer Friedenspark. Das Rohwasser werde beim Passieren der Bodenpassagen gereinigt. Dann seien da ja noch die Aktivkohlefilter der Currenta. Sie beliefert die EVL aus ihrem  in Hitdorf gelegenen Wasserwerk mit Rheinuferfiltrat. Das sei auch nicht viel: Neun Prozent  des  Trinkwassers  kämen aus dem  Strom Rhein und würden danach im eigenen EVL-Werk aufbereitet. „Dadurch ist es soweit verdünnt und gereinigt, dass es nach unserer Einschätzung weit unter den gesetzlich zulässigen Grenzwerten lag“, sagt der EVL-Sprecher. Das eigene Werk fördere das Wasser aus Rheindorf und Reusrath, sei damit „zu weit vom Rhein entfernt, um belastet werden zu können“.

Eine weitere Aussage beruhigt den Bürriger Fragesteller Roth jedoch nicht: EVL-Mann Kreidewolf sagt, es wäre schon „eine kontinuierlichere Rheinwasser-Belastung nötig gewesen, um einen Einfluss im Rheinuferfiltrat hervorzurufen“. Genau die hat es aber gegeben, wie Currenta an Heiligabend einräumte: Fünf Monate lang war aus einem Auffang-Tank der Kläranlage ein Mix aus belastetem Lösch- und Brauchwasser in den Rhein gesickert. 1300 Kubikmeter, die wenigstens mit Aktivkohle gereinigt werden sollten, gerieten in den Rhein, ohne dass Currenta das bemerkte. Die Bezirksregierung hat daraufhin den Staatsanwalt mit der Sache befasst.

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Anwohner Benjamin Roth ist nach wie vor skeptisch, findet die EVL-Informationen „sehr aufschlussreich, aber auch sehr beunruhigend“. Auch, weil sie zeigten, „dass Currenta bezüglich unseres Trink- und Grundwassers sich im Grunde selber kontrolliert und es keine unabhängigen Kontrollen gibt und geben kann“. Mit Blick auf die bisher nicht geübte Transparenz des Chempark-Betreibers nach der Katastrophe vom 27. Juli ist das für den Bürriger keine gute Nachricht.

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