FlüchtlingeSo arbeitet das Kommunale Integrationszentrum in Leverkusen

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Leverkusen  – Wenn es um die Integration von Flüchtlingen und Zugewanderten geht, hört man immer viel von privaten Initiativen und Vereinen. Welches sind die Aufgaben, die das Kommunale Integrationszentrum wahrnimmt?

Susann Peters: Die Aufgabenbereiche sind der Elementarbereich, also alle Kinder unter sechs Jahren, der Schulbereich und verschiedene Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen. Der Kerngedanke ist, dass Interkulturalität und Mehrsprachlichkeit als Potenzial erkannt werden. Weg von einer defizitorientierten Perspektive dahin, dass das Ideale für die gesamte Gesellschaft sind. Die Arbeit ist so ausgerichtet, dass die Maßnahmen und Angebote, die es gibt, darauf abzielen, die Chance, Gleichheit und Teilhabe von Zuwanderern, besonders am Bildungssystem, zu erhöhen.

Welches sind konkrete Aufgaben?

Peters: Eine ganz wichtige Aufgabe ist die Koordination der Einschulung von neu zugewanderten, schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen. Jedes Kind, jeder Jugendliche, der aus einem anderen Land neu nach Leverkusen kommt, meldet sich bei uns oder wird zu uns vermittelt und erhält gemeinsam mit seiner Familie eine Beratung über das deutsche Bildungssystem und die Schullandschaft hier in Leverkusen. Es wird geprüft, welche schulischen Erfahrungen das Kind mitbringt. Liegen Zeugnisse vor? Welche Art der Schule wurde überhaupt besucht? Das ist ja höchst unterschiedlich. Oft ist der Kontakt zum Bildungssystem nur sporadisch oder manchmal auch gar nicht vorhanden. Das wird alles in Einzelgesprächen geprüft und anschließend wird geschaut, ob es einen passenden Schulplatz gibt.

Welche Angebote gibt es noch?

Peters: Wir beraten auch Fachkräfte, zum Beispiel Lehrer an Schulen, unter anderem zu Möglichkeiten beim Unterricht von Deutsch als Zweitsprache. Zudem finden Fortbildungen für Lehrer statt, etwa zum Thema Traumatisierung. Da gibt es eine große Nachfrage.

Also ist das Kommunale Integrationszentrum sowohl eine Beratungsstelle für Zuwanderer als auch eine Anlaufstelle für Menschen, die in der Integrationsarbeit auch helfen möchten?

Markus Märtens: Ja, in den angesprochenen Bereichen. Vereine wie zum Beispiel „Leverkusen hilft“ haben da eine ganz andere Ausrichtung. Das sind Ehrenamtler, die sagen, wir wollen jetzt ganz konkret helfen. Da gibt es die unterschiedlichsten Angebote, sei es Menschen zu helfen, Wohnungen zu suchen oder sich im Alltag zurecht zu finden. Das ist einfach eine andere Aufgabe, die von ihnen wahrgenommen wird.

Mehr Schulplätze für steigenende Schülerzahlen

Wie haben sich die Anforderungen durch die große Zahl von Flüchtlingen verändert?

Märtens: 2015 war die Hauptaufgabe, Unterbringungsplätze zu schaffen. Der Integrationsprozess lief natürlich immer parallel, aber der Schwerpunkt war erstmal: Wir müssen jedem Obdach bieten. Es war schon eine große Herausforderung.

Peters: Im Kommunalen Integrationszentrum ist es so, dass natürlich viel mehr Flüchtlingsfamilien gekommen sind, um eine Beratung über das deutsche Schulsystem und einen Schulplatz zu erhalten. Bisher sind im Schuljahr 2015/16 rund 480 Schüler beraten worden und das Schuljahr ist ja noch nicht zu Ende. Im letzten Schuljahr waren es rund 340 Schüler, im Jahr davor etwa 200. Das ist ein kontinuierlicher Anstieg und dafür müssen natürlich auch mehr Schulplätze bereitgestellt werden, damit diese Kinder möglichst schnell in das Bildungssystem integriert werden können.

Funktioniert es, mehr Schulplätze bereitzustellen?

Peters: Ja, aus meiner Sicht funktioniert es in Leverkusen sehr gut.

Integration ist immer ein schönes Schlagwort – kann man das von oben verordnen?

Märtens: Nein, ich glaube Integration gelingt nur mit einer sehr offenen Gesellschaft und der Einbindung aller Akteure. Das ist auch der Weg, den wir als Verwaltung hier in Leverkusen gegangen sind, eben in der Kenntnis, dass ich das nicht verordnen kann. Wir haben an allen Einrichtungen runde Tische ins Leben gerufen, wo Ehrenamtler mit Flüchtlingen in Kontakt kommen. Auch jetzt gerade sind wieder viele Ehrenamtler unterwegs. Wir können die Rahmenbedingungen schaffen, aber verordnen können wir Integration sicherlich nicht.

Kann man denn dem Gesamtkonstrukt Leverkusen, bestehend aus Vereinen, Initiativen und städtischer Arbeit, einen Erfolg bescheinigen in der Bewältigung der Aufgaben?

Märtens: Betrachtet man den hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, die wir in Leverkusen haben, glaube ich, dass wir es in der Vergangenheit ganz gut gemacht haben. Ob eine Bilanz zu ziehen, ob es uns gelingt, die Menschen, die aktuell zu uns gekommen sind, wirklich zu integrieren, ist es wirklich noch zu früh. Ich glaube, dass die Basis, die wir gelegt haben, schon richtig ist.

Ergeben sich denn für die Leverkusener Gesellschaft durch die Neuankömmlinge auch Potenziale?

Märtens: Ich sehe ganz viele Potenziale. Erstmal glaube ich, dass so eine Entwicklung in jeder Hinsicht eine Gesellschaft bereichert. Es gibt auch Arbeitskräftemangel bei uns, etwa bei Wachpersonal. Frau Peters hat bereits über die Bildungsqualifikationen gesprochen. Da ist nicht nur der syrische Arzt dabei, das ist klar. Es wird unsere Gesellschaft eindeutig bunter machen.

Peters: Grundsätzlich, und das erleben wir ja auch in der Beratung, ist das Bestreben nach Bildung bei zugewanderten Familien recht hoch. Der Wunsch, möglichst schnell in die Schule zu gehen und dort gute Leistungen zu bringen, ist sehr im Bewusstsein der Schüler und ihren Familien verankert. Da gibt es ein großes Potenzial. Auch die Zweisprachigkeit bringt ja jeder mit, der aus dem Ausland zuwandert, das darf man nicht unterschätzen. Gerade in einer globalisierten Arbeitswelt, in der es für jeden wichtiger wird, mobil zu sein, ins Ausland zu gehen und dort Erfahrungen zu machen.

Märtens: Gerade bei den Kindern, die zu uns kommen, ist es immer schön zu sehen, wie schnell sie durch den täglichen Umgang mit unseren Bürgern in die deutsche Sprache reinkommen. Ich finde das faszinierend, wenn man bedenkt, welche Anstrengungen man in der Schule unternehmen muss, eine Fremdsprache zu lernen.

Haben Sie auch Sorgen bezüglich der Situation, dass zum Beispiel das Klima einer Willkommenskultur umschlagen könnte?

Märtens: Ich bin eigentlich sehr positiv gestimmt. Es gibt im konkreten Ablauf natürlich Dinge, die nicht ganz zu 100 Prozent glatt laufen. In der aktuellen Situation, in der die Zuweisungssituation deutlich ruhiger geworden ist, können wir jetzt an diese Punkte rangehen. Aber Sorgen habe ich eigentlich nicht. Wir haben eine positive Stimmung, wir haben weder Anschläge auf Einrichtungen noch eine Situation, dass man sagen muss, hier entwickelt sich was. Das mag auch am Rheinländer an sich liegen, der damit vielleicht ein bisschen anders umgeht.

Das Gespräch führte Hendrik Geisler

Ehrenamtliche Sprachpaten gesucht

Um Flüchtlingen und Zugewanderten Hilfe anbieten zu können, sucht das Kommunale Integrationszentrum dringend Sprachpaten. Damit gemeint sind Ehrenamtler, die nicht nur gute Sprachkenntnisse in Deutsch, sondern mindestens auch einer anderen Sprache haben. Besonderer Bedarf besteht bei Sprachen und Dialekten aus dem Nahen und Mittleren Osten wie Syrien, Irak und Afghanistan, aber auch aus dem afrikanischen Raum. Die Freiwilligen erhalten Fortbildungen und werden für ihren Einsatz geschult.

Die Sprachpaten sollen nicht Dolmetscher ersetzen, aber Hilfestellung geben – bei Gesprächen mit Ämtern, in der Schule oder Kindertagesstätte, bei Arztbesuchen oder in anderen Alltagssituationen. Die Stadtverwaltung sieht für solche Einsätze aktuell einen großen Bedarf.

Interessierte sollten sich an das Kommunale Integrationszentrum im Verwaltungsgebäude Goetheplatz in Opladen wenden, Ansprechpartnerin ist Nejla Onat, ☎ 0214/ 406 5246.

nejla.onat@stadt.leverkusen.de

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