Fünfjahres-Projekt bei CovestroDrei Millionen Pläne wandern in den Rechner

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Amit Chadha (links) und Stephan Krebber arbeiten bei der Digitalisierung zusammen.

Leverkusen – Ein dunkler Tourbus steht auf der Brache in Rufweite der Covestro-Zentrale. Vor dem Gefährt liegt eine Brille mit eingebautem Bildschirm, außerdem ein paar Gerätschaften, die an die digitale Zukunft der Industrie denken lassen. Drinnen ist es heiß, die Klimaanlage müht sich und verbreitet diesen typischen, leicht süßlichen Geruch.

Amit Chadha und seine Kollegen dürften sich hier heimisch fühlen. Chadha gehört zum Vorstand von L&T Technology Services, einem Spezialisten aus Vadodara im indischen Bundesstaat Gujarat. Das Unternehmen ist ziemlich genau sieben Jahre alt, auf seiner Kundenliste finden sich einige prominente Namen: Honda, Scania, Shell – und Covestro.

Massenhaft Material

Bei Bayers Kunststoff-Ausgründung ist viel von Digitalisierung die Rede. Seit einiger Zeit finden Covestros Kunden im Netz einen Marktplatz vor, auf dem sie Produkte des Kunststoff-Konzerns bestellen können. Aber auch innerhalb der Organisation ändert sich einiges.

Und das ist kompliziert. Denn Chemie-Anlagen sind kompliziert. Bei Covestro gibt es dafür viele Belege, genau genommen sind es rund drei Millionen. So viele Dokumente beschreiben die Produktionsanlagen auf der ganzen Welt.

Viele der Anlagen sind Jahrzehnte alt, dokumentiert sind sie ausschließlich auf Papier. Nach und nach soll das gesamte Material auf Rechnern zur Verfügung stehen. Das dauert: Das Projekt ist auf fünf Jahre veranschlagt. Derzeit ist man mittendrin, Ende 2022 soll das Werk vollbracht sein.

Nur eines von zwölf Projekten

Das Einscannen und Systematisieren sämtlicher Beschreibungen aller Anlagen ist nur eines von zwölf Projekten, mit denen Covestro digitaler werden will. Aber es ist das langwierigste, mit dem Stephan Krebber zu tun hat. Aber mit dem Einscannen ist es ja auch nicht getan. Jedes Teil, das in einer Chemieanlage verbaut ist, hat eine spezielle Nummer. Das erleichtert zum Beispiel Reparaturen, weil man die Ersatzteile schneller findet.  

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Von der neuen Polyol-Anlage in Dormagen gibt es natürlich schon digitale Pläne.

Allerdings  gibt es bei der Erfassung der Dokumente ein paar Hindernisse: Je nach Alter gibt es andere Normen und Einheiten. „Das muss natürlich alles auf einem Stand sein“, gibt Krebber zu bedenken. 

Dazu kommt: Weil die Anlagen dauernd verbessert werden, können unterschiedliche Dokumente kursieren. Zum Beispiel bei den Monteuren, die im Auftrag von Covestro die Produktionsstätten in Gang halten. Gut möglich, „dass bei Tectrion andere Pläne kursieren als bei uns“, nennt Krebber ein Beispiel.

Einiges entsteht neu

Die  Helfer aus Indien sollen sich allerdings nicht nur mit dem vorhandenen, papierenen Material befassen. Da, wo es sinnvoll erscheint, sollen auch  ganz neue Darstellungen angefertigt werden, um eine Anlage zu dokumentieren. „Das werden wir so in drei bis fünf Prozent der Fälle machen“, schätzt Krebber.

Wenn das passiert, geschieht es nach neuestem Standard. Auf dem Rechner erscheinen dreidimensionale Ansichten einer Anlage, mit denen die komplexen Gebilde  besser zu erfassen sind als mit platten Planzeichnungen.

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In so einem Fall ergibt auch die Drei-D-Brille einen Sinn, die Samir Bagga mit Stolz vorführt. Der Marketingchef von L & T möchte klar machen, dass sein Unternehmen mehr ist als ein Scan-Dienst. Es erscheinen räumliche Bilder von Maschinenteilen, die man mit einem Fingerschnippen bewegen kann. In Wirklichkeit wird es auch mit digitalisierten Plänen nicht ohne Schraubenschlüssel gehen.

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