Der wegen sexueller Nötigung Angeklagte schien bis zum Schluss nicht einzusehen, dass er etwas falsch gemacht hat.
Ein Jahr und neun Monate StrafeLeverkusener Tinder-Bekanntschaft wurde zudringlich

Ein Saal im Amtsgericht Leverkusen
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„Wir vom Gericht sind zu der Überzeugung gekommen: Sie verstehen unter Gewalt etwas anderes als der deutsche Gesetzgeber“, sagte Richter Dietmar Adam in seiner Urteilsbegründung. Das Schöffengericht hatte zuvor einen Mann zu einem Jahr und neun Monaten Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Angeklagte schüttelte bei Adams Vortrag ab und zu den Kopf. Er war sich wohl immer noch sicher, dass er nichts Unrechtes getan hatte.
Im Oktober 2023 hatte der Angeklagte seine eigentlich flüchtige Bekannte sexuell bedrängt. Er hatte eigentlich mit ihr schlafen wollen, sie habe es aber nicht gewollt und ihm das mehrfach deutlich gesagt. Zu einer Vergewaltigung im juristischen Sinne, also mit Eindringen in den Körper der Frau gegen ihren Willen, ist es nicht gekommen, sonst wäre die Strafe wesentlich höher ausgefallen. Staatsanwalt und Gericht bewerteten die detaillierte Aussage der Frau und ihr Verhalten nach der erlittenen Gewalt als glaubwürdig.
Kennengelernt – Sex gehabt – aus den Augen verloren – wiedergetroffen
Kennengelernt hatten sich die Frau und der Angeklagte einige Zeit vor dem Vorfall auf der Plattform Tinder, daraufhin einmal miteinander geschlafen, sich dann aber über Wochen aus den Augen verloren; inzwischen hatte die Frau einen neuen Freund. Als dann die Mitteilung des Angeklagten bei ihr ankam, dass er allein sei, traf man sich noch mal, ohne dass es um Sex ging. Als klar war, dass man auch in getrennten Zimmern schlafen würde, blieb sie sogar über Nacht in seiner Wohnung in der Opladener Neustadt.
Am nächsten Morgen geschah es: Der Angeklagte legte sich neben die Bekannte und begann mit Annäherungsversuchen, zuerst nur mit Streicheln. 20- bis 30-mal habe sie ihm auf Englisch „No“ gesagt. Der Nigerianer lebt zwar seit zehn Jahren in Deutschland und arbeitet in der Autoindustrie, nur die Sprache beherrscht er so schlecht, dass er im Gericht eine Dolmetscherin braucht.
Als er sie an dem Morgen schließlich an den Handgelenken aufs Bett presst, ihren Kopf zum Kuss mit Druck zu sich dreht und sich auf sie setzt, ist die Grenze zur strafbaren sexuellen Nötigung schon mehr als überschritten. Dann zieht er ihr die Hose herunter und glaubt zu erkennen, dass sie sexuell erregt ist. Das hat sie als Zeugin selbst so angegeben, und gleichzeitig festgestellt, dass sie sich dafür schäme. Keinesfalls sei das aber ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Frau „es auch will“, sagte Richter Adam, das hatte in der Beweisaufnahme eine Gutachterin, eine Gynäkologin aus dem Klinikum bestätigt.
Das sei für sie aber unrealistisch, hatte die Leverkusener Verteidigerin Ulrike Frentzen die Einlassungen in ihrer Verteidigungsrede bezweifelt. Sie führte ins Feld, dass die Geschädigte sich schließlich auch auf einer einschlägigen Singlebörse eingeschrieben und durch die Übernachtung bei ihrem Mandanten auch ein Zeichen gesetzt habe.
Doch diese Argumente verfingen beim Richter nicht. Im Gegenteil: Während des Vortrags der Rechtsanwältin war dem Richter kurz anzusehen, wie ihn dieses Plädoyer innerlich aufwühlte.
Die Geschädigte hatte sich die Verhandlung nicht ansehen wollen, abgesehen von ihrer Aussage als Zeugin ließ sie sich von ihrer Anwältin Sibylle Krenzel vertreten. Im Plädoyer forderte sie ein Schmerzensgeld von mindestens 2000 Euro. Sie sagte, dass es ihrer Mandantin wichtig sei, dass der Mann bestraft werde – wie hoch die Strafe ausfalle, sei für sie unwichtig. Krenzel stellte folglich keine Strafforderung, anders als der Staatsanwalt, dessen geforderte Strafe von einem Jahr und zehn Monaten im Urteil fast erreicht wurde. Der Mann hat keine Vorstrafen.