„Komme nicht nur zum Nabelpudern“Hebamme wird man demnächst an einer Hochschule

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Hebammen sollen demnächst studieren. Viele arbeiten freiberuflich und geben zum Beispiel auch Babykurse.

  • Die Hebammenausbildung wird reformiert: Nun muss man studieren, statt eine Ausbildung zu machen. Wir haben uns mit Leverkusener Hebammen über diese Entwicklung unterhalten.

Leverkusen – „Und immer schön den Beckenboden anspannen!“ Hebamme Emine Bodenstein verabschiedet ihre Frauen nicht ohne gute Tipps. Wenn die Mütter aus Leverkusen, teilweise sogar Bergisch Gladbach, Leichlingen und Köln-Mülheim ihre Maxi-Cosis mit dem frisch geborenen Nachwuchs aufheben, kann man daraus schließlich genauso gut eine Übung machen. Seit 23 Jahren ist Emine Bodenstein Hebamme, im Februar machte die gebürtige Remscheiderin sich selbstständig und eröffnete ihre Hebammenpraxis in Küppersteg.

Die 51-Jährige steht in schwarzer bequemer Trainingskleidung und Flauschsocken in dem Raum, in dem kurz zuvor die Babys massiert wurden. Adventssterne hängen vor weiß-grün gestrichenen Wänden. Die Kurse finden aktuell unter strengen Hygienebestimmungen statt: Maske, Einmal-Überziehdecken und immer wieder alles desinfizieren.

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Hebamme Emine Bodenstein

Doch sie ist unglaublich froh, dass die Kurse aktuell dennoch mit Präsenz stattfinden können. „Man merkt, wie groß der Bedarf bei den Frauen ist, sich auszutauschen“, sagt sie. Die 51-jährige Leverkusenerin hat in Wuppertal eine klassische Hebammenausbildung gemacht, damals, bei ihrer Examinierung 1997 gab es noch nichts Anderes. Doch bereits seit mehreren Jahren ist die Fahrtrichtung klar: Der Beruf der Hebamme soll akademisiert werden.

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Babymassage ist auch Teil des Hebammenalltags.

Zukünftig sollen duale Studiengänge die angehenden Hebammen ins Arbeitsleben bringen. Anfang 2020 trat das Hebammenreformgesetz in Kraft, das nur noch Studium und keine Ausbildung mehr vorsieht. Noch gibt es allerdings Übergangsfristen. Emine Bodenstein befürwortet das: „So können wir unsere Profession stärken“, betont sie. Sie sei überzeugt, dass „evidenzbasiertes Lernen“ und das wissenschaftliche Herangehen an Themen die Hebammen „auf Augenhöhe“ mit anderen Berufsgruppen heben. Bodenstein arbeitet auch mit zwei Frauenärztinnen zusammen, „wir können uns gegenseitig sehr wertschätzen, doch es gibt Kolleginnen, die ganz andere Erfahrungen machen“.

Deutschland hinkt hinterher

Ähnlich sieht es auch Julia Lorenz, Leitende Hebamme am St.-Remigius-Krankenhaus in Opladen. Sind erstmal alle Hebammen Akademikerinnen, werde man „gesellschaftlich ganz anders akzeptiert“, empfindet sie.

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Julia Lorenz arbeitet im St.-Remigius-Krankenhaus in Opladen.

Bislang werde der Hebammenberuf oftmals als eine Art „Hilfsberuf“ angesehen, mit der Akademisierung sei man Ärzten gleichgestellt. In anderen europäischen Ländern gebe es dieses Studiensystem schon lange, zeigt Lorenz auf und nennt Irland als Beispiel, wo sie nach ihrem Studium ein Jahr lang gearbeitet hat. „Deutschland hinkt hier Jahrzehnte hinterher.“

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Ein Babykurs bei Hebamme Emine Bodenstein.

Doch nicht nur eine Verbesserung des gesellschaftlichen Stands allein ist eine Erwartung, auch, dass Hebammen an Standards mitwirken, durch das Studium „einen anderen Einblick“ erlangen und auch viel mehr hinterfragen, hofft die Solingerin, in deren Team aus 14 Hebammen drei ein Studium absolviert haben – zusätzlich zur Ausbildung. Ob man mit der Akademisierung dem Hebammenmangel begegnen kann? Julia Lorenz gibt sich optimistisch: Aktuell seien in NRW mehr Studienplätze als Ausbildungsplätze vorgesehen. „Ob das reicht, ist aber unklar.“ Skeptisch sind beide Hebammen bei einem Thema: der Bezahlung. Beide hoffen, dass sich auch die finanzielle Situation der Geburtshelfer durch die Akademisierung ändert, doch Julia Lorenz klingt pessimistisch: Bislang wurde auch sie als Akademikerin gleich eingestuft wie eine Hebamme mit Ausbildung.

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In Küppersteg räumt Emine Bodenstein ihren Kursraum auf, die Mütter haben sich verabschiedet. Am Abend sieht man sich beim Online-Rückbildungskurs direkt noch einmal. Vielleicht muss man die Akademisierung als Zeichen sehen: „Ich bin als Hebamme die Fachfrau“, sagt Bodenstein selbstbewusst, „ich schaue nicht in die Glaskugel und ich komme auch nicht nur zum Nabelpudern“.

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