Fußball-KneipenZu Besuch bei Leverkusens einzigem Gastwirt, der die Katar-WM boykottiert

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Andreas Berndt, Betreiber des Brauhaus in Schlebusch an der Saarstraße, zeigt bei sich keine Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft (WM) in Katar.

Spiele aus Katar live? Keine Chance! Andreas Berndt, Betreiber des Brauhauses in Schlebusch, boykottiert die WM.

Fast alle Leverkusener Gastwirte haben sich entschieden, die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zu zeigen. Nur einer nicht: Andreas Berndt, Betreiber des Brauhaus Schlebusch.

Es ist 13 Uhr und 51 Minuten am Mittwochnachmittag. Neun Minuten vor zwei. Da war doch was, sollte man meinen. Aber Andreas Berndt hat im Brauhaus Schlebusch nur ein lapidares „Ach, ja?“ parat, als er darauf hingewiesen wird, dass gleich, um 14 Uhr, ein paar Tausend Kilometer weiter südlich das Auftaktspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gegen Japan angepfiffen wird. „Das wusste ich nicht“, sagt er. Beziehungsweise: Das interessiert ihn nicht. Denn Andreas Berndt ist, das wurde in den vergangenen Wochen durchaus bekannt in Leverkusen, einer der sehr wenigen Gastronomiebetreibenden, die diese WM boykottieren.

Brauhaus Schlebusch: Boykott aus tiefer Überzeugung

Es ist ein Boykott aus tiefer Überzeugung, dessen Folgen man an diesem Tag zu dieser Uhrzeit eben auch in seinem Brauhaus sieht: Nur drei Tische sind besetzt, an denen Gäste sitzen. Keiner der drei Fernseher, auf denen normalerweise Fußballspiele flimmern, ist angeschaltet. Szenen wie bei vergangenen Turnieren mit sich im Schankraum stapelnden Fans: Passé. Ganz weit weg. Undenkbar.

Er könne einfach nicht darüber hinwegsehen, welche Werte in Katar missachtet würden. Wie eine WM des doch eigentlich Menschen verbindenden Sports Fußball genau dieses verbindende Element ad absurdum führe. Es gehe um Menschenleben, die geopfert worden seien, um Stadien in der Wüste zu errichten. Und es gehe um ein homphobes Weltbild, mit dem er selbst schon ein Leben lang immer wieder konfrontiert worden sei: Berndt ist homosexuell. Er betont: „Es gibt letztlich tausend Gründe, die mit meinem Denken nicht konform gehen.“ Und: „Und ich garantiere, dass ich auch dann nicht einschalten werde, wenn Deutschland ins Finale kommen sollte.“ Kritik seitens der Gäste für diese Entscheidung gab es bislang übrigens noch nicht. 

Andreas Berndt, Betreiber des Brauhaus in Schlebusch an der Saarstraße, zeigt bei sich keine Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft (WM) in Katar - so auch nicht das Spiel der deutschen Nationalmannschaft zum Auftakt gegen Japan. Gäste wie (v.r.)Thomas Schunk, Jürgen Pfingst, Bernd Strauß und Jürgen Krieg stört das nicht. Sie unterstützen diesen Boykott.

Keine Lust auf WM (v.r.):Thomas Schunk, Jürgen Pfingst, Bernd Strauß und Jürgen Krieg bei ihrer Runde im Brauhaus.

Auch nicht von Jürgen Krieg, der nebenan mit seinen ehemaligen Arbeitskollegen bei Bayer, Jürgen Pfingst, Bernd Strauß und Thomas Schunk, am Tisch sitzt und ein paar Kölsch trinkt. So wie alle zwei Wochen um diese Zeit. „Und gerade diese WM ist kein Grund, daran etwas zu ändern“, sagt Krieg. Nur einer in der Runde fehle heute unentschuldigt. „Wir haben den Verdacht, dass der zu Hause sitzt und Fußball guckt“, scherzt er. Egal: Die verbliebenen vier sitzen es aus.

Doch auch anderswo in der Stadt gibt es keinen Massenauflauf im Zeichen des Fußballs: In manchen Gaststätten wie dem Brauhaus Küppersteg oder dem „Cube“ an der Kölner Straße in Opladen flimmern zwar Fernseher im Nebenraum. Aber nirgendwo gibt es wirklich das bekannte Rudelgucken. Die meisten Kneipen haben ohnehin geschlossen. Extraschichten scheint niemand einlegen zu wollen.

Blick auf vier Männer, die Fußball auf einem Fernseher schauen, einer sitzt am Spielautomaten.

Im Früh am Markt liefen die WM-Partie und der Glücksspielautomat.

Die Lage wäre wahrscheinlich etwas anders, wenn der Anstoß an einem Freitag um 20.15 Uhr gewesen wäre, so bekommt man überall noch locker einen Sitzplatz mit Blick auf den oder die Fernseher. Im Früh am Markt in Wiesdorf gibt es dieses Bild: Zehn Männer gucken auf zwei Fernseher. Hier unterstützen die meisten Bayer 04, wie eine Wandtafel mit Vereinsemblem zeigt. Einem Gast fällt schon bei der Aufstellung kein guter Kommentar aus Leverkusener Sicht ein: „Früher hatten wir mehr Leverkusener im Kader, jetzt keinen!“

Die gemütlich golden ausgestattete Wiesdorfer Bierbar in der Carl-Leverkus-Straße betreibt die Wirtin Violetta Prymus-Pietrzak. Bei ihr ist schon etwas mehr los: 25 Gäste. Davon sind ungefähr die Hälfte Frauen. Viele Gäste sind tatsächlich im Nationalmannschafts-Trikot gekommen, darunter der ehemalige Vorsitzende der Bezirksvertretung I, Franz Mayer (SPD), der ein gutes Kölsch zum Fußballspiel schätzt.

Blick in den Schankraum. Gut zehn Personen sitzen an Biertischen und trinken Kölsch. Sie tragen Trikots der deutschen Nationalmannschaft. Im Hintergrund läuft das Spiel auf einem Fernseher.

Die Wiesdorfer Bierbar war beim Spiel gegen Japan gut besucht.

Eine ehemalige Hochburg des WM-Guckens ist seit Monaten geschlossen: Die Gaststätte Trend in der Pfarrer-Schmitz-Straße. In der Gaststätte Treff laufen die Fernseher wie gewohnt, aber auch dort sind die Ränge um die Uhrzeit längst nicht voll besetzt. Gegenüber in einer Wettannahmestelle laufen zwei Fernseher, darin stehen und sitzen Leute, einige schauen auf ihre Wettscheine, Bier bekommt man hier nicht.

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