Konzernzentrale1100 Leute mehr? Kein Problem in Covestros Leverkusener Neubau

Lesezeit 4 Minuten
Die neue Konzernzentrale von Covestro an der B 8

Covestro-Zentrale außen

Im Foyer liegt ein „Pharma-Terrazzo“ aus eigener Herstellung. Auch sonst macht der Kunststoff-Konzern in seinem Neubau vieles anders, vor allem in der Arbeitsorganisation. Der Effekt: Es ist immer Platz.

Neulich erging ein Aufruf an alle, die am Schreibtisch arbeiten bei Covestro: Bitte alle in die neue Konzernzentrale umziehen! Die ist – weil mit Abstand das neueste Gebäude – mit Abstand am Energie-effizientesten. Das schätzt man in einem Unternehmen, das dieses Jahr wahrscheinlich 2,2 Milliarden Euro für Gas, Strom und etwas weniger wichtige Energieträger ausgeben muss. 2021 waren es übrigens 600 Millionen. Natürlich: Büro-Heizungen in älteren Gebäuden, von denen Covestro einige nutzt im Chempark, fallen bei solchen Beträgen kaum ins Gewicht. Und trotzdem: Sparpotenzial muss ausgenutzt werden in diesem schweren Winter. Egal wo.  

Ein Nebeneffekt: Noch mehr Büroarbeiter des Kunststoff-Konzerns kommen mit der Philosophie in Berührung, die hinter dem Neubau steht. Man will konsequent modern sein und damit eine Arbeitsatmosphäre schaffen, die den grundlegenden Wandel begünstigt, den Covestro durchmachen muss. Dass die Postadresse auch für Wandel steht, ist natürlich Zufall: Die Konzernspitze ist von der Kaiser-Wilhelm-Allee an die Friedrich-Ebert-Straße umgezogen.

Der Vorstand residiert mittendrin

Demokratisch mutet auch an, dass der Vorstand nicht etwa in einem Staffelgeschoss mit Dachterrasse ganz oben seine Büros hat, sondern mittendrin. Dort sehe es auch nicht anders aus als anderswo, sagt Thomas Adenauer. Er muss es wissen, als Projektleiter für den „Covestro-Campus“ an der B 8. Im Prinzip könnte er auch im Vorstandsbereich seinen Laptop aufklappen, versichert er. Mache man aber trotzdem irgendwie nicht.  Es gibt da unsichtbare Hemmschwellen. Da ist noch was zu tun für Céline Bélujon. 

Thomas Adenauer, Projektleiter für die neue Covestro-Zentrale, steht mit Céline Bélujon, Change-Managerin in der Personalabteilung, an einem Tisch mit Blick in den Chempark

Thomas Adenauer, Projektleiter für die neue Covestro-Zentrale, mit Céline Bélujon, Change-Managerin in der Personalabteilung

Die Französin arbeitet in der Personalabteilung von Covestro. Ihre Aufgabe: Change-Management. Dabei hat der neue Campus eine zentrale Bedeutung, und deshalb horcht sie immer wieder in die Abteilungen hinein, die in dem Neubau Platz gefunden haben. Dazu hat sie „Scouts“. Das sind Leute, die Anregungen ihrer Kolleginnen und Kollegen aufnehmen und sie weiter transportieren. Was ist gut am neuen Konzept, in „Nachbarschaften“ zu arbeiten und keinen festen Schreibtisch mehr zu haben. Und was stört, wo muss man noch einmal am System schrauben?

Das alles gilt, obwohl Corona das Arbeitsleben natürlich auch bei Covestro fundamental verändert hat. Jedenfalls für diejenigen, die nicht an einer Produktionsanlage stehen, ihre Arbeit folglich auf Team- und Einzelphasen aufteilen können. 

Zwei Kartons durften mit

Vor dem Umzug in den Neubau hatte man bei Covestro einen harten Schnitt verfügt: „Zwei Kartons durfte man mitnehmen“, erinnert sich Thomas Adenauer. „Oder 1,20 Meter Regalfläche“, übersetzt Céline Bélujon. Das bedeutete: kompromissloses Ausmisten des Schreibtisches. Aber eben auch: Ballast abwerfen. Genau das sollte sein. Projekte von gestern? Kann man abhaken, bestenfalls digitalisieren. 

Mit Blick auf den März 2020 sei das aber auch ein Segen gewesen. „Da wollten wir in den Campus umziehen“, sagt Bélujon. „Stattdessen sind wir ins Home-Office gezogen.“ Die ganze schöne neue Arbeitswelt, die ja monatelang in Containern der Pilotfläche von der Covestro-Belegschaft ausprobiert worden war – auf Eis gelegt. Erst vorigen Juni seien die meisten Corona-Beschränkungen im Haus aufgehoben worden. Und die Leute kehrten nach und nach zurück, fänden einen sinnvollen Mix aus mobilem Arbeiten oder im Büro. Personalerin Bélujon begrüßt das: „Diese ganzen spontanen Begegnungen passieren wieder.“   


21.000 Quadratmeter Brutto-Geschossfläche hat der Covestro-Campus. Die Konzernzentrale an der B 8 hat sechs oberirdische Geschosse, die in verschiedenen Farben ausgestattet und individuell benannt sind, und einen Keller. In dem findet sich nicht die übliche Tiefgarage für Autos, sondern unter eine für 180 Fahrräder, außerdem Duschen und Umkleiden. Pkw-Parkplätze sind auf der anderen Straßenseite. Den Plan, dort ein Parkhaus zu bauen und mit einem Fußgängersteg an den westlichen Tel des Chempark anzuschließen, habe man auf Eis gelegt, berichtet Thomas Adenauer. Darüber werde nachgedacht, wenn das Projekt „Technikum“ wieder aktuell werde: Hinter der neuen Zentrale sollte dieser Bau entstehen. Aus Kostengründen liegen die Pläne im Moment in der Schublade.  

628 Arbeitsplätze nach der Arbeitsstätten-Richtlinie gibt es in der Konzernzentrale, 420 sind mit festen Bildschirmen ausgestattet. Insgesamt können maximal 1100 Menschen in dem Haus arbeiten. 100 weniger finden in dem großen Foyer Platz, das mit einer Tribüne ausgestattet und moderner Übertragungstechnik ausgestattet ist und aus allen Stockwerken eingesehen werden kann.  

Die beiden Außenterrassen hielt man bei Covestro zunächst nicht für erforderlich: Vorn schaut man auf die B 8, Parkplätze und den Bunker, hinten in den Chempark. „Wir haben uns überzeugen lassen“, erinnert sich Projektleiter Thomas Adenauer an die Appelle der Architekten. Seit dem Sommer weiß er: Die Terrassen sind sehr gefragt. 

Die Sonnenkollektoren auf dem Dach erzeugen im Jahr rund 30.000 Kilowattstunden Strom. Das reiche insgesamt immerhin für die Beleuchtung des Gebäudes, sagt Adenauer.    

Die Chempark-Grenze geht übrigens mitten durchs Gebäude. Dafür musste Covestro einen Teil des Grundstücks von der Bayer Real Estate kaufen. Dass der Haupteingang, ein Empfangsbereich mit Sitzecke und das „Idea-Lab“ im Erdgeschoss nicht zu Chempark gehören, sei vor allem der Logistik geschuldet, so Adenauer: Besucher müssen keinen Sicherheitscheck absolvieren, wenn sie in diesen Bereichen bleiben. Das „Idea-Lab“ ist mit allerhand Übertragungstechnik ausgerüstet. Dort zeigt Covestro auch neue Produkte oder die Vorstufen davon.   

Das „Idea-Lab“ im Erdgeschoss der Konzernzentrale, in dem Covestro auch neue Produkte zeigt.

Im „Idea-Lab“ zeigt Covestro auch neue Produkte.


KStA abonnieren