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Leverkusener erstattet AnzeigeNach dem Tod im Opladener Krankenhaus fehlten die Ringe der Mutter

4 min
Horst Fülle guckt Bilder seiner Mutter auf dem Laptop an.

Horst Fülle klickt sich durch Bilder seiner verstorbenen Mutter auf dem Laptop.

Für Horst Fülle kam der Tod seiner Mutter am 6. September 2022 überraschend. Aber dafür, dass sie vor oder nach ihrem Tod noch im Sankt-Remigius-Krankenhaus bestohlen wurde, findet er nur ein Wort: niederträchtig.

Der Tod der 92-jährigen Opladenerin Josephina Margaretha Fülle kam plötzlich. Am Vormittag war sie in ihrer Wohnung gestürzt, an etwas Ernsthaftes glaubte sie da noch nicht: „Ich hab 'ne Zerrung“ – es war ein Oberschenkelhalsbruch, wie sich kurz darauf in der Notaufnahme des Remigius-Krankenhauses zeigte. Die sofort vollzogene Operation überlebte sie nicht. Der Tod wegen Kreislaufzusammenbruchs trat trotz einer Reanimation noch unter Narkose um 17.08 Uhr ein. Horst Fülle und seine Frau nahmen im Krankenhaus Abschied von der Verstorbenen. Die wenigen Habseligkeiten, die sie mit in die Notaufnahme genommen hatte, nahmen sie mit nach Hause.

Sie wurde aus dem Leben gerissen

Horst Fülle: „Sie wurde aus dem Leben gerissen, bei ihr zu Hause stand noch der kalte Kaffee auf dem Frühstückstisch, es war ein Schock.“

Frau Fülles Hand mit goldenen Ringen, ein Sektglas.

Die verschwundenen Ringe: Josephina Margareta Fülle.

Die Opladenerin hatte verfügt, dass man sie in normaler Kleidung beerdigen solle. Als die Familie die Sachen ordnete, fiel ihnen auf, dass etwas Wichtiges fehlte. „Das waren die zwei Eheringe meiner Eltern, seit dem Tod ihres Mannes hatte sie beide Ringe getragen. Ihr eigener Ring verhinderte, dass der größere des Mannes verloren ging.“ Die Ringe, innen haben sie die Gravur des Hochzeitsdatums 18.07.1953, waren nicht mehr da, so sehr man auch suchte.

Und noch ein Schmuckstück ist verschwunden: ihr Lieblingsring. Den hatte sie als Anerkennung von der Geschäftsführung des Opladener Oka-Kaufhauses erhalten, wo sie viele Jahre gearbeitet hatte: ein goldener Ring mit einer Goldmünze obendrauf. Beim Anruf im Krankenhaus erinnerte man sich an die lebenslustige Mutter: Die Ringe seien in der Notaufnahme wegen der Untersuchungen abgenommen worden, und in ein rosa Plastiktütchen gesteckt worden. Das habe man in ihrer Kulturtasche deponiert.

Horst Fülle sagt, eine Frau im Krankenhaus habe gesagt, solche Dinge lege man in eine Schublade. Von der Ambulanz, hat Horst Fülle am 21. September in einem Brief an die Geschäftsführung des Sankt-Remigius-Krankenhauses notiert, sei die Mutter direkt in den Operationstrakt gefahren worden und anschließend auf die Intensivstation, wo sie gestorben ist.

Verschwunden irgendwo zwischen Notaufnahme, OP und Intensivstation

Irgendwo zwischen Notaufnahme, OP und Intensivstation sei der Schmuck wohl aus der Kulturtasche verschwunden, vermutet der Sohn. Beim Bestatter waren sie auch nicht angekommen, der, so Fülle, eine Bemerkung gemacht habe, dass das Verschwinden kein Einzelfall sei; ähnlich habe sich auch eine Opladener Juwelierin geäußert.

Sein Schreiben an die Geschäftsführung endet mit der Bitte um Aufklärung. Horst Fülle legt Wert auf die Feststellung, dass alle Schwestern und Ärzte zuvorkommend und nach dem Tod der Mutter einfühlsam gewesen seien: „Da war alles gut!“ Er erstattet Anzeige gegen Unbekannt.

Nach fünf Tagen bestätigte die Krankenhaus-Beschwerdemanagerin den Eingang des Briefs: Man werde recherchieren.

Uns ist am liebsten, wenn die Leute keine Wertgegenstände mitbringen
Elisabeth Michels, Sankt-Remigius-Krankenhaus

Laut dem freundlichen Antwortschreiben der Geschäftsführung, das nach etwa sechs Wochen bei Fülles eintraf, wird bestätigt: Ein Pfleger der Notaufnahme habe die Ringe in einem Tütchen in der Kulturtasche verstaut, die sei mit den übrigen Patientengegenständen in der Abteilung verblieben. Die Ringe seien nicht gefunden worden. Auf Anfrage sagte Elisabeth Michels von der Krankenhausleitung zwar nichts zum konkreten Fall. Man unterstütze Ermittlungen. Es gebe zwar feste Regeln, wie mit den Wertgegenständen von Notfallpatienten zu verfahren sei. Die könnten aber dennoch auf alle möglichen Weisen verloren gehen. „Uns ist es am liebsten, wenn die Leute keine Wertgegenstände ins Krankenhaus mitbringen“, sagt Michels.


Josephina Margaretha Fülle hatte ein kölsches Herz, sagt ihr Sohn, auch wenn sie eine Kindheit in den Niederlanden in Kerkrade verbracht hatte. Seit 1962 wohnte das Ehepaar in Opladen in der Wohnung an der Kantstraße, wo sie an ihrem letzten Tag auch gestürzt ist.

Engagiert als Oka-Kaufhaus-Angestellte

Gearbeitet hat sie im Oka-Kaufhaus im Einkauf für Textilien, hat sich dort mit als Erste in den 1970er-Jahren in der Frühzeit der Digitalisierung in die Computer eingearbeitet. Die frühe Digitalisierung half nichts, das Oka schloss vor dem Jahr 2000.

Josephina Margareta Fülle.  Mit Uwe Richrath und Norbert Roß von den Altstadtfunken.

Josephina Margareta Fülle kurz vor dem 90 bei der „Rejimentsmess“. Mit Uwe Richrath und Norbert Roß von den Altstadtfunken.

Vielleicht, weil in Kerkrade hinter der Grenze bei Aachen auch ordentlich Karneval gefeiert wird, hatte sie ein jeckes Gemüt und liebte dieses Fest. Sie feierte gerne mit den Opladener Altstadtfunken. Im Januar 2020, auf der Rejimentsmess in Sankt Remigius, lernte sie Oberbürgermeister Uwe Richrath kennen und lud ihn zu ihrem 90. Geburtstag ein. Von der Begegnung gibt es ein vielsagendes Bild, das etwas über ihre Art verrät. Richrath ist zu ihrer Feier gekommen, er soll ordentlich Schnittchen bekommen haben. Auf den Geburtstagsbildern trägt sie die verschwundenen drei Ringe.

Josephina Margareta Fülle.

Josephina Margareta Fülle trug immer beide Eheringe, auch auf diesem Bild.

Bis 90 sei alles gut gewesen, dann habe seine Mutter irgendwann gesagt: „Mit mir ist nühs mieh loss“, sagt Sohn Horst Fülle. Erinnerungen an seine Mutter bleiben ihm einige; die Ringe sind aber wahrscheinlich verloren. Kein Trost ist ihm, dass das kein Einzelfall ist.