Leichlinger Pilgerheim WeltersbachPflege zwischen 35 Grad und Fachkräftemangel

Bewohnerin Christa Hannig und Pflegerin Bettina Pohl.
Copyright: Michael Wand
Leichlingen – Es ist Zeit für Christa Hannig: Pflegerin Bettina Pohl kommt ins Zimmer im Haus Emmaus. Die 90-jährige Bewohnerin hat es sich mit der Zeitung gemütlich gemacht – wie jeden Tag. Sie interessiere sich für alles rund um Politik, erklärt sie. Es wird geredet, gescherzt und auch die Hand gehalten. Das alles ist Alltag von Bettina Pohl. Sie ist stellvertretende Leiterin des Haus Emmaus im Seniorenzentrum Weltersbach in Leichlingen und arbeitet hier nun schon seit acht Jahren als Pflegekraft.
Vorher war sie Krankenschwester in der Chirurgie und entschied sich dann dafür, nach Weltersbach zu kommen. Neben ihrer eigentlichen Arbeit ist sie zusätzlich noch für die Schüler und Schülerinnen zuständig und kümmert sich um deren Ausbildung.
Pflegepersonal belastet
Seit zweieinhalb Jahre haben nun vor allem Pflegekräfte unter der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen zu leiden. Testpflicht, Impfpflicht, Maskenpflicht, Pendelquarantäne: Stets war es das Pflegepersonal, das besonders belastet war. Weil es eben mit besonders verletzlichen Personen zu tun hat. Der Hitzesommer, der sich nun langsam dem Ende neigt, hat das Arbeiten nicht besser gemacht. FFP2-Maske bei 35 Grad? Muss sein. „Dieses Ding stört generell, aber bei der Hitze wie in den letzten Wochen ist es wirklich die Hölle. Da freut man sich, wenn man mal aus dem Gebäude raus gehen kann und die Maske abziehen darf“, sagt Pohl.

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In der Hochzeit der Pandemie war es untersagt, Klimaanlagen oder Ventilatoren einzusetzen, wodurch die Luft auf den Fluren zum Ende des Tages stickiger wurde. „Während wir über die Flure rennen, den ganzen Tag auf den Beinen sind und uns bewegen, liegen oder sitzen die Bewohner und Bewohnerinnen fast nur. Durch die wenige Bewegung verlieren sie ihre Muskelmasse und haben oft auch Durchblutungsstörungen, was dazu führt, dass sie viel schneller frieren. Also fangen sie im Sommer an, die Heizung anzustellen. Diese Dinge führen dann dazu, dass es im Gebäude unvorstellbar warm wird und es richtig anstrengend ist, bei der Sache zu bleiben und seine Arbeit sorgfältig zu erledigen“, erklärt die Pflegerin. Sie arbeitet meistens in der Frühschicht von 6.30 Uhr bis 14 Uhr und hat somit das Glück, größtenteils nicht zu den heißesten Uhrzeiten des Tages arbeiten zu müssen.
Personalmangel wie überall
Zu Beginn eines neuen Tages werden die Pfleger und Pflegerinnen kurz vor Beginn ihrer Schicht einer Etage zugewiesen. Allein drei Telefonen stehen bei Bettina Pohl, von denen eines nahezu ununterbrochen am Klingeln ist. In der Pflege fehlen viele Fachkräfte – das ist auch in Weltersbach nicht anders. „Wir haben einen stressigen Job und es ist immer was los. Neben der Pflege der Bewohner sind wir auch für die Vorbereitung des Frühstücks, das Spülen und das Tischdecken verantwortlich. Wir müssen jedes zweite Wochenende arbeiten und ein Feiertag ist bei uns nicht gleich Feiertag, denn auf uns verlässt man sich. Das alles lockt keine jungen Menschen an“, resümiert Pohl. Auf Überstunden müsse man sich zu jeder Zeit einstellen und auch, dass man für diese nicht in Form von freien Tagen, sondern in Form von Geld entschädigt werde.
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Sie ist dennoch zufrieden: Der Job sei hart, aber gleichzeitig auch lustig. „Die Bewohner geben einem so viel zurück, sodass man weiß, wofür man diese harte Arbeit auf sich nimmt.“ Aktuell arbeiten ein paar Pflegeschüler aus Vietnam und eins Schülerin aus Madagaskar in Leichlingen.
Pflegeheim als neues Zuhause
Bewohnerin Christa Hannig hat die Zeitung ausgelesen. Die 90-Jährige lebt seit zweieinhalb Jahren in Weltersbach. Zuvor wohnte sie 30 Jahre lang in einem Haus mit einem großen Garten in Wuppertal, das sie schließlich aufgegeben hat, um näher an ihrer Tochter sein zu können. Sie hält sich mit Lesen fit. „Also langweilig wird mir hier nicht. Ich lese immer die Zeitung oder meine Bücher. Wir spielen, basteln oder singen auch oft etwas zusammen. Wir haben auch eine riesige Terrasse, auf der man ganz toll sitzen kann“, schwärmt Hannig.
Bei ihrem Umzug hat sie viele ihrer eigenen Bilder mitgebracht, die jetzt die Wände ihres Zimmers schmücken. Auch ihre eigene Kommode und einen Schrank voller Geschirr und Andenken haben in ihrem Zimmer Platz gefunden. „Ob ich mich hier wohlfühle? Natürlich, das ist mein neues Zuhause. Meine Tochter wohnt in Leverkusen und deswegen hat sie diesen Ort für mich ausgesucht. Wir telefonieren jeden Tag und auch am Wochenende kommt sie immer vorbei. Ich lebe hier weiter“, sagt Hannig. Sie hat in der Einrichtung viele Freunde gefunden und schätzt ihre gesamte Situation sehr.
Die Zeit ist rum, Bettina Pohl muss weiter. Die Hitze ist für dieses Jahr hoffentlich vorbei, auch wenn am kommenden Wochenende an der 30-Grad-Marke gekratzt werden könnte – Corona und der Personalmangel bleiben. Solange die gute Laune bleibt, ist alles in Ordnung.

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Das Pilgerheim Weltersbach
Die Einrichtung wurde 1926 von den Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden im Rheinland und Westfalen gegründet. Sie besteht insgesamt aus sechs verschiedenen Pflegehäusern, einigen Mietwohnungen und Reihenhäusern. In den privaten Wohnbereichen haben die Bewohner die Option, sämtliche Serviceangebote zu nutzen, können aber auch weiterhin selbstständig leben. Die Aufteilung der verschiedenen Häuser gibt dem Pflegeheim einen gewissen Dorfcharakter. Neben vielen Grünflächen gibt es ein eigenes Café, eine eigene Kirche und auch sonst wird den Senioren und Seniorinnen ein reich bestücktes Freizeitprogramm geboten.