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LauschangriffLeverkusens Dirigentin Bar Avni: „Spice Girls habe ich rauf und runter gehört“

Lesezeit 5 Minuten
Dirigentin Bar Avni in Aktion

Menschen mit Musik zusammenbringen: Dirigentin Bar Avni leitet die Bayer-Philharmoniker seit 2021 – und spricht darüber, wie ihr Interesse für Musik geweckt wurde.

Bar Avni leitet seit 2021 die Bayer-Philharmoniker und hat das Orchester aus einem Dornröschenschlaf geweckt. Wir haben mit ihr über ihre musikalische Sozialisation gesprochen.

Wenn diese Frau über Musik spricht, dann spricht sie nicht nur über ihren Beruf. Dann spricht Bar Avni über ihr Leben. Das ist zu sehen daran, wie sie immer wieder innehält. Wie sie um Worte ringt. Wie sie konzentriert und jederzeit auf neue Denk-Impulse ihres Gegenübers erpicht zuhört. Gespräche mit der Dirigentin der Bayer-Philharmoniker über Musik sind kein Small-Talk. Sie sind herausfordernd und ganz sicher inspirierend für jeden, der es mit Musik hält.

Allein aus diesem Grund lohnt sich mit der 34-Jährigen denn auch ein „Lauschangriff“ ohne wirkliches Lauschen: Eine Plattensammlung, ein Plattenspieler, eine Stereo-Anlage sind nicht notwendig. Zumal Bar Avni in Niedersachsen lebt, zu Proben oder Konzerten mit dem Orchester stets gen Süden ins Rheinland reist, wo sie dann bei guten Freunden unterkommt – und entsprechend weder Platten noch Musiktechnik zur Hand hat. Nur ein Sofa, um über Musik zu sprechen. Aber das genügt. Weil bei ihr allein die Musik im Kopf schon genügt. Als Konzept. Und als lebensbegleitende Sache von höchster Dringlichkeit.

Shadows, Spice Girls und die Beatles

Bei Bar Avni fing es an mit den Shadows und deren „smoky-düsterem Sound“, wie sie sagt. Dazu mit israelischer Musik. Mit „ganz normalem Rock und Pop aus dem Radio“. Später kamen die Spice Girls dazu. „Deren Album habe ich wirklich rauf und runter gehört. Eine fantastische Band!“ Und sie liebt die Hip-Hop- und Soulsängerin Lauryn Hill – sowohl auf ihrem umwerfenden, politisch geprägten Solo-Album „The Miseducation Of Lauryn Hill“, als auch als Teil der Fugees.

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Aber vor allem waren da: die Beatles. Wie bei so vielen. „Den Film ‚Yellow Submarine‘ haben wir in der Familie ständig angesehen. Meist mit Freunden zusammen.“ Die Melodien der Fab Four und das gemeinsame Hör-Erleben – das hat geprägt. Bar Avni erinnert sich: „Alle sitzen zusammen. Stundenlang. Genießen einfach. Menschen kommen und gehen. Wundervoll. Seitdem gehören Musik und Menschen für mich zusammen. Immer.“

Ein Rohr, das beide Seiten verbindet

Von hier aus schlägt sie auch den Bogen zu ihrer Tätigkeit als Dirigentin klassischer Orchester. Zum einen, weil „diese groovige Musik auch meine Wahrnehmung von klassischer Musik prägte“. Bar Avni betont ohne jedes Lächeln: „Klassik kann sehr, sehr groovy sein.“ Und zum anderen sei es ja so, dass es in der klassischen Musik zwar nicht unbedingt darum gehe, nach einem Konzert eine Melodie so zu pfeifen, wie man etwa einen Song-Ohrwurm der Beatles als ewige Geister der Melodien pfeife. Manches sei schlichtweg zu abstrakt.

Aber: Es gehe immer und ohne Ausnahme um das Miteinander. „Ich stehe dort vorne und versuche, die Menschen im Saal zu erreichen und zusammenzubringen. Mit meinem Mitteln. Mit der Musik“, sagt Bar Avni. Und hat dafür ein schönes Bild parat: „Ich bin wie ein Rohr, in dem die Seite des Orchesters mit der Seite des Publikums zusammentrifft. Und dadurch passiert etwas. Die Musik löst etwas aus. Auf beiden Seiten.“

Mit Gustav Holst ging es los

Ihre erste Begegnung mit Orchestermusik geht auf den englischen Komponisten Gustav Holst zurück. Bar Avni hatte zuerst Schlagzeug in einem Orchester gespielt und mit Violinen nichts anfangen können. Dann hörte sie Holst, gespielt von einem Blasorchester, und war angefixt.

Angefixt vom Konzept und Klangraum Orchester. „Ein Solist oder eine Solistin kann, wenn er oder sie wirklich gut ist, etwas Besonders bewirken, zu dem ein Orchester als Kollektiv niemals fähig wäre“, erklärt sie. „Auf jeden Fall.“ Indes: Umgekehrt sei da noch viel mehr. „Gerade Teil einer größeren Sache zu sein, ist doch etwas, was viele von uns sehr berührt. Denn ohne das Kollektiv würde es diese größere Sache nicht geben.“

Diese Einsicht war die Grundlage Bar Avnis, Dirigentin zu werden. Ihr Wunsch, ein Orchester als Klangkörper aus vielen Teilen anzuleiten. Geschuldet ihren frühesten Musikerlebnissen im Rahmen eines Miteinanders.

Musik muss weitergegeben werden

Wie innig ihre Beziehung zu Musik aller Art – „Ich kann sämtlichen Stilen von Musik etwas Schönes abgewinnen!“ – ist, zeigt sich auch daran, dass Bar Avni Musik, die sie berührt, stets weitergeben muss. „Ich höre etwas, ich spiele etwas am Klavier, das mir gefällt – und muss es sofort teilen“, sagt sie. „Das kann dann nicht bei mir bleiben!“ Also geht sie in solchen Momenten zu anderen, meist zu ihrem Mann oder ihren Kindern, und sagt: „Hier, hör zu!“

Und dann könne es auch schonmal dauern, wie sie lachend betont. Weil dann nämlich wirklich zugehört wird. Zuletzt etwa, da lauschte sie mit ihrem Mann im Wohnzimmer auf dem Boden liegend Mahlers 5. Sinfonie. „Ich wollte, dass er sie hört und erfährt, wie sie klingt.“ Das Werk dauert gut 70 Minuten. Eine Herausforderung. Aber Musikbegeisterung muss nun mal raus.

Zumal auch Bar Avni sich im Umkehrschluss sehr gerne und aufgeschlossen Musiktipps von anderen Menschen – nicht selten ihrem Mann – geben lässt: Die amerikanische Indie-Folkband Fleet Foxes hört sie deshalb beispielsweise ebenso gerne wie das US-Bluesrock-Duo The Black Keys. Und dem Gatten hat sie es auch zu verdanken, dass sie schon bei mehreren Metal-Konzerten war. „Wir haben unter anderem Kreator gesehen“, erinnert sich Bar Avni.

Das ist rasend schneller Thrash aus Essen. „Das war wahnsinnig interessant. Sehr physisch“, wie sie sagt – und dabei geradezu schwärmerisch klingt für eine Dirigentin klassischer Musik. Aber dieses Über-den-Tellerrand hinausschauen gehört bei Bar Avni eben zum Konzept. Zum Lebens-Konzept. Zum Musik-Konzept. Es macht sie so besonders – und Sofagespräche mit ihr über Musik so spannend wie ein gutes Konzert.

Nächstes Konzert am 25. Februar

Entsprechend ihrer begeisterungsfähigen Art und Weise über Musik zu sprechen und mit Musik umzugehen, kündigt Barn Avni auch das nächste Konzert der von ihr geleiteten Bayer-Philharmoniker an. Das findet statt am Samstag, 25. Februar, um 20 Uhr im Forum,  steht unter dem Titel „Sinfonische Reise ins Vereinigte Königreich“ und umfasst das Violinkonzert Benjamin Brittens. Die Ouvertüre „On The Cliffs Of Cornwall“ von Ethel Smyth. Und die dritte Sinfonie Felix Mendelssohn Bartholdys („Schottische Sinfonie“).

Bar Avni betont: „Ich möchte dieses Gespräch über Musik auch nutzen, um alle zu unserem nächsten Konzert einzuladen! Ich bin sehr froh, dabei drei tiefsinnige Stücke zur Aufführung zu bringen – und würde das sehr gerne mit so vielen Menschen teilen wie möglich!“ Eintrittskarten gibt es noch unter 0214 406-4113, im Internet sowie an der Kasse im Forum.

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