Leverkusener KonzernGehälter der Bayer-Vorstände halbiert – Ausnahme Bill Anderson

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Bild nach Wiesdorf mit Bayerkreuz von der Autobahnbrücke aus

Wie bezahlt Bayer seine Manager? Nach massiver Kritik hat der Aufsichtsrat ein neues System erarbeitet.

Das Boni-System wird jetzt trotz massiver Gehaltsabschläge geändert. Der Aktienkurs soll mehr Einfluss haben.

Knapp sechseinhalb Millionen Euro hat der neue Bayer-Chef voriges Jahr verdient – in neun Monaten. Allerdings sind darin fast vier Millionen Ausgleichszahlung enthalten. Geld, das Anderson sonst von seinem früheren Arbeitgeber Roche in der Schweiz bekommen hätte.

Verglichen mit dieser Summe haben Andersons Vorstandskollegen nicht gut abgeschnitten, zeigt Bayers Vergütungsbericht für 2023. Vor allem, wenn man ihre Gehälter mit dem Jahr davor vergleicht. Das liegt daran, dass nur ein geringer Teil garantiert ist. Das meiste sind Boni, und die sind im kriselnden Bayer-Konzern voriges Jahr fast genauso in den Keller gerauscht wie der Aktienkurs. Finanzchef Wolfgang Nickl zum Beispiel wurden voriges Jahr etwas mehr als 1,4 Millionen Euro bezahlt, wovon 900.000 Euro festes Gehalt waren. 2022 bezog Nickl noch fast 3,2 Millionen Euro. Auch Nickls Vorstandskollegen Stefan Oelrich, Rodrigo Santos und Heiko Schipper mussten mit in etwa halbierten Bezügen leben: Boni, die auf null gesetzt wurden in der Konzernkrise.

Heftige Kritik am Vergütungssystem

Auch wenn die Gehälter kräftig gesunken sind: Kritik am System, wie Bayer seine Manager bezahlt, ist in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Je tiefgreifender die Monsanto-Krise Bayer erfasste, desto mehr rückte in den Fokus, wie die Konzernführung dafür zur Verantwortung gezogen wird. Das sollte sich – so meinen es seit Jahren viel Aktionäre und Investoren – doch viel deutlicher in der Bezahlung des Vorstands bemerkbar machen. Hat es in der Vergangenheit aber nicht genug. Das Ergebnis: Auf der Hauptversammlung 2022 stimmten ganze 24 Prozent der Aktionäre dem Bericht über die Vorstandsvergütung zu, ein Jahr später waren es 52 Prozent. Normal ist das nicht, räumt der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Norbert Winkeljohann, ein.

Ein Aspekt, der den Vorstand aus der Verantwortung nahm, fällt besonders auf – und besonders ins Gewicht angesichts der Milliardensummen, die Bayer für Vergleiche in den Tausenden Glyphosat-Prozessen schon ausgegeben hat und aller Wahrscheinlichkeit nach noch ausgeben wird: Diese Zahlungen wurden immer herausgerechnet, bevor die Boni für den Vorstand festgelegt wurden. So, als hätte Bayer diese enormen Belastungen nicht zu tragen. Dabei war es doch der Vorstand, der im Mai 2016 die gigantische Übernahme von Monsanto beschlossen und Bayer damit eben auch das Glyphosat-Problem ins Haus geholt hatte.

Milliarden für Glyphosat-Vergleiche werden endlich berechnet

Dem trägt Bayer nun nach Jahren des Zögerns – und dem Ausscheiden des Monsanto-Käufers Werner Baumann – Rechnung. „Der Free Cashflow soll ohne Bereinigung der Rechtsstreitigkeiten berücksichtigt werden“ fasst Bayer eine Forderung der Investoren in einem Grundsatz-Papier zusammen, in dem das neue Vergütungssystem beschrieben wird. Außerdem soll die Bezahlung flexibler werden: „Der Aufsichtsrat sollte in der Lage sein, die Auszahlungen bei außergewöhnlichen Umständen anzupassen“, heißt es.

Werner Baumann vor einem Bayer-Logo

Werner Baumann ist weg – jetzt bekommt Bayer ein neues Bezahlsystem für seine Manager.

Tatsächlich wird seit Jahresbeginn ziemlich anders gerechnet, das zuletzt weithin abgelehnte Vergütungssystem von 2020 ist Geschichte. Bei den langfristigen Prämien gibt es jetzt einen „klaren Fokus auf die Kapitalmarktperformance“ der Bayer-Aktie, schreibt der Aufsichtsrat. Das ist mit Blick auf die Kursentwicklung seit Jahresbeginn keine gute Nachricht für das Team um Bill Anderson: Das Papier ist nochmal um knapp sechs auf nunmehr 28,55 Euro gefallen. Der Sinkflug seit dem Monsanto-Angebot: 94,10 auf 28,55 Euro. Dreistellig notierte das Papier zuletzt im Juni 2018, während die Ära Marijn Dekkers die Aktionäre mit Kursen bis zu 143 Euro beglückte. Das war 2015, also vor der Monsanto-Kaufentscheidung.

Der Kapitalmarkt gewinnt an Einfluss

Mit Blick auf den dramatischen Kurs-Verfall wurde auch am Boni-Prinzip geschraubt. Künftig kommt es mehr als zuvor darauf an, wie der Kapitalmarkt bewertet, was bei Bayer geschieht und entschieden wird. „Der Aufsichtsrat ist sich bewusst, dass die Entwicklung der Bayer-Aktie in den letzten Jahren nicht zufriedenstellend für unsere Aktionäre war. Vor diesem Hintergrund hat die Schaffung von Mehrwert für unsere Aktionäre oberste Priorität für die Zukunft.“ Insgesamt soll es „eine gezielte Interessenangleichung zwischen Vorstand und Aktionären“ geben, heißt es im neuen Vergütungsbericht. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Bill Anderson mit Bayer-Logo

Bill Anderson hat in seinem ersten Jahr gut verdient – allerdings nur wegen einer Ausgleichszahlung von fast vier Millionen Euro.

Dazu gehört auch die Verpflichtung, Bayer-Aktien zu kaufen. Vorstandschef Bill Anderson hat vier Jahre Zeit, Aktien im Wert von rund 4,4 Millionen Euro zu erwerben. Das ist das doppelte seines jährlichen Fixums. Seine Kollegin und seine Kollegen müssen in diesem Zeitraum ein einfaches Fixum in Bayer-Aktien anlegen.

Einkassiert hat der Aufsichtsrat die Bayer-Besonderheit, bei der Boni-Berechnung die Divisionen zu unterscheiden, als Pharma, rezeptfreie Arzneien und Agrochemie. Maßgeblich ist jetzt nur noch, wie Bayer insgesamt sein Geschäft ausweitet. „Die Berücksichtigung von Umsatzwachstum auf Konzernebene stärkt den Teamgedanken im Vorstand“, heißt es zur Begründung.

Derzeit sieht es zwar nicht danach aus – trotzdem hat Bayer ein Gehaltsmaximum formuliert. Bill Anderson kann einschließlich Versorgungspauschale und Nebenleistungen wie Dienstwagen und Ausstattung seines Privathauses höchstens zwölf Millionen Euro im Jahr bekommen, seine Kollegin Heike Prinz und die Kollegen Wolfgang Nickl, Stefan Oelrich, Rodrigo Santos und Heiko Schipper, der bald von Julio Triana abgelöst wird, können maximal 7,5 Millionen Euro im Jahr verdienen. Um das zu erreichen, müssten die Konzern-Kennzahlen viel besser werden und auch der Aktienkurs deutlich steigen. Voriges Jahr betrug die Zielerreichung selbst nach Bayers weniger anspruchsvollem, alten Bezahl-System „null Prozent“.

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