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Hypnotisierende SynchronitätHubbard Street Dance Chicago überzeugt im Forum

Lesezeit 3 Minuten

Craig D. Black und Jacqueline Burnett tanzen „A Picture of you falling“.

Leverkusen – Ein Halbkreis aus Lampen im schwarzen Industrie-Stil, die Lichtkegel auf die Bühne werfen. Doch wo Grenzen gezogen, können sie ebenso gut durchbrochen werden. Die Scheinwerfer blenden alles aus, was im schwarzen Off außerhalb ihrer scheinbar wahllos aufleuchtenden Lichtkegel passiert. Nur Jacqueline Burnett und Craig D. Black Jr. erscheinen abwechselnd im Lichtkegel. Oder sie laufen ihm hinterher, mal innerhalb, mal außerhalb des Grenzraums. Die beiden Tänzer malen „A Picture of You Falling“ von Crystal Pite.

Bühnengroßes Tuch

Hubbard Street Dance Chicago zeigte Dienstag im Forum, was diese Compagnie zu einer der wichtigsten im amerikanischen Tanz macht. Die Tänzer stehen pausenlos im Dialog mit der Ästhetik der Bühne. Das Licht oder eben dessen schwarze Abwesenheit scheint die Bewegungen des Duos zu bestimmen. Der Boden, auf den ihre Knochen immer wieder lautmalerisch unterstützt aufprallen, zeigt ihnen ihre physische Grenze.

Ein bühnengroßes Tuch statt Licht nutzt „Cloudline“ hingegen, um Textur zu schaffen. Die Liebenden, es sind drei Paare, verschlingt diese Wolke, trägt sie und spuckt sie beliebig wieder aus. Mit Luft und Bewegung bringen die Tänzer in dieser Choreographie von Robyn Mineko Williams das Tuch zum Leben. Weiche Wellen durchlaufen es – die Wolke gleicht eher einem bedrohlichen Meer. Vor ihr werden die Tänzerpaare wieder und wieder auseinandergezerrt. Denn obwohl die Tänzer in Duos auftreten, besteht das Stück aus sieben Darstellern. Die ungerade Anzahl im Tanz um Liebe bringt eine spannungstragende Dynamik ein. So herzzerreißend die Wirkung dieses Spiels ist, so ununterbrochen weich sind die Bewegungen, die dieses Drama beschreiben. Die Sprache als ebenso wirksame Dimension im zeitgenössischen Tanz lässt Kyle Abrahams „The Bystander“ insbesondere das deutsche Publikum erkunden. Josef Quasthoffs Schwanengesang von Schubert untermalt die Slow Motion, in der die Künstler von Hubbard Street Dance Chicago fast schon einen Krimi vorspielen. Ihre Körper gestikulieren, trauern und werfen vor. Verdächtige werden beschuldigt, umgebracht und doch wieder aufgenommen in den Konflikt. Der Inhalt ist unmissverständlich brutal, aber dessen Vortrag könnte kaum schöner sein.

Die insgesamt 14 Tänzer, die unter der künstlerischen Leitung von Glenn Edgerton mit auf Tournee sind, verbindet ihre hypnotisierende Synchronität. Alejandro Cerrudo schafft es, sie allesamt in einem nicht abreißenden 20-minütigem Flow Energie aufeinander zu übertragen: Durch gleiche Bein- oder Armhaltung mit dem Nebenstehenden, vielleicht offensichtlicher über Wellen, die wie Impulse durch die Tänzerreihen gehen oder aber bloßen Blickkontakt. „Out Of Your Mind“, also außerhalb deines Geistes, ist diese Kontemplation, die nicht rational zu erfassen ist, sondern jene mystischen Erfahrungen verarbeitet, die der Philosoph Alan Watts schon versucht hat, zu beschreiben. „Out Of Your Mind“ waren auch die Leverkusener in der Vorführung des so virtuosem und einflussreichen Ensembles.