Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Spiritual Jazz Days„Mischpoke“ begeistert in der Wiesdorfer Christuskirche

Lesezeit 3 Minuten
Christuskirche, Klezmer-Gruppe Mischpoke

Die Klezmer-Gruppe „Mischpoke“ begeisterte am Vorabend des Reformationstages das Publikum in Wiesdorf.

Am letzten Abend der Spiritual Jazz Days trat die Hamburger Klezmer-Jazz-Band „Mischpoke“ in der Wiesdorfer Innenstadtkirche auf.

Wir leben in schwierigen Zeiten. Schwierig genug, dass Hausherr Siegfried Eckert vor das Konzert der Hamburger Klezmer-Jazz-Band „Mischpoke“ eine kurze Ansprache setzt, die mit einem Gebet und einem Wunsch endet. „Möge der Satz in Erfüllung gehen: Und ich bringe über eurer Land Frieden.“ Doch der Pfarrer der Christuskirche in der Wiesdorfer Innenstadt, der die Kirche seit knapp einem Jahr zu einem neuen Ort des Austausches und des gemeinsamen spirituell-kulturellen Erlebens macht, sagt, bevor er zu diesem Abschlusskonzert der „Spiritual Jazz Days“ die Bühne freigibt, eben auch: „Es ist ein Trotzdem-Abend!“

Und die fünf Musikerinnen und Musiker von „Mischpoke“ laden die etwa 60 Zuhörerinnen und Zuhörer in der stimmungsvoll ausgeleuchteten Kirche von Beginn an ein, sich trotz der Kriege und Bedrohungen dieser Tage mit ihnen auf eine oft heitere und ausgelassene, manchmal verträumte und melancholische Reise zu begeben. Eine Reise, auf der Bedrohungen und Gefahren lauern, auf der aber vor allem ausgelassen gefeiert wird.

Mischpoke mischt Klezmer mit Jazz

Die musikalische Basis der Hansestädter ist dabei eben Klezmer, aber sie rücken den traditionellen, von Klarinette und Violine angeführten musikalischen Mustern dieser Stilrichtung oft von der Jazzseite zu Leibe. Das äußert sich etwa in rhythmischen Brüchen, ausufernden Improvisationen des Pianisten Christoph Spangenberg, der sein Können gern mit einem selbstironischen Augenzwinkern garniert. Oder darin, dass ein Lied über den Rabbiner „Baba Sazi“ zu dessen 90. Geburtstag, vom bislang letzten Album der Band, mit dem Titel „Heymland“, zunächst einmal allein von der großartigen Kontrabassistin Maria Rothfuchs gestaltet wird, frei nach Martin Luther King: „Jazz befürwortet das Leben. Wenn du harte Realität in Musik umwandelst, triumphiert die Hoffnung.“

Das Publikum in der Kirche schlägt „Mischpoke“ mit ihrem Klezmer-Jazz-Mix vom ersten Lied an in den Bann. Begeisterungsrufe und viel Beifall sind dem Quintett nach jedem Lied sicher. Das hat auch mit der Spielfreude und der Lust am gemeinsamen Musizieren zu tun, die alle fünf mit jedem der Stücke ausdrücken. Der Klarinettistin und Sängerin Magdalena Abrams ist es vorbehalten, des Öfteren etwas zu den Stücken, von denen etliche auf „Heymland“ zu hören sind, zu sagen. „Wir betrachten Musik und Konzerte als Ausdruck des Friedens“, sagt sie einführend über das Lied „Dzhankoye“, ein traditionelles Klezmer-Stück über Juden, denen erstmals erlaubt wird, ein Stück eigenes Land zu bestellen und sich als Bauern zu betätigen.

Eigene Kompositionen wie das sphärisch-ekstatische „Amayles Troym“ wechseln sich mit Stücken bekannter Komponisten ab. Von Friedrich Schwarz, einem der bekanntesten Komponisten der Weimarer Zeit, stammt das der CD den Titel gebende „Heymland“, in dem sich der Jude Schwarz mit seiner Flucht aus Deutschland auseinandersetzt. Zwischen den Stücken nehmen die Musiker, so etwa Gitarrist Frank Naruga mit wunderbar trockenem Humor, mit Anekdoten aus dem Bandleben Kontakt zum Publikum auf und lassen die schwierigen Zeiten draußen vor den Kirchenmauern für weit über zwei Stunden voller mitreißender Musik vergessen. Erst nach zwei Zugaben und viel Beifall ist Schluss. 

Und die schwierigen Zeiten haben uns wieder. Die Berliner Imamin Seyran Ates, die gemeinsam mit Eckert und Musikern, den Reformationsgottesdienst am Dienstagabend in der Christuskirche gestalten wollte, kann nicht kommen. Eine Terrorwarnung gegen ihre Gemeinde hält sie in der Hauptstadt. „Ich habe nicht die Kraft, nach Leverkusen zu kommen. Ich muss mich hier in Berlin um meine Gemeinde kümmern“, zitiert Eckert eingangs des Konzertabends am Montag aus einer Mail von Ates.