Schockanrufe-Prozess93-jährige Leverkusenerin hatte das Geld für die Beerdigung gespart

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Gegen die an Schockanrufen beteiligte Angeklagte, hier mit ihrem Anwalt Günter Teworte, wird verhandelt.

Gegen die an Schockanrufen beteiligte Angeklagte, hier mit ihrem Anwalt Günter Teworte, wird verhandelt.

Die wegen der Schock-Masche Angeklagte will die Hauptschuld auf ihren Kompagnon schieben. Der wurde schon verurteilt.

Wie kommt jemand auf die Idee, sich auf die zweifellos ehrlose Weise mit Schockanrufen Geld von wehrlos gemachten Seniorinnen und Senioren zu ergaunern? Der Anwalt der vorm Kölner Landgericht angeklagten Danuta K. (Name geändert), die auch in entsprechende Fälle in Leverkusen und Burscheid involviert gewesen sein soll, gibt eine Erklärung, für sie vor Gericht ab, eine Einlassung. Die Frau selbst zieht es vor, zu schweigen.

Sie will demnach eine Bekanntschaft mit einem kriminellen Freund eingegangen sein, der später als Abholer der Geldbeträge und des Schmucks verantwortlich war. Dieser Freund habe, offenbar wegen seiner Gaunereien und seiner Kokainsucht, zunehmend unter Druck gestanden und sich „umgesehen, wie man an Geld kommen kann“. Deshalb habe er sie gebeten, über Facebook Kontakt zu einem polnischen Landsmann aufzunehmen, zu einem Hintermann, der „in Schockanrufen unterwegs“ sei. Auf Facebook soll der sich „Lafayette Rothschild“ genannt haben. Danuta K. sollte den Kontakt herstellen, weil der polnische Landsmann derselben ethnischen Minderheit entstamme wie die Angeklagte, so der Anwalt.

Der Enkeltrick funktionierte

Der Enkeltrick funktionierte: Innerhalb von viereinhalb Monaten sollen K. und der Abholer mindestens sieben, meist über 80-jährige Opfer, um 209.000 Euro betrogen haben.

Der Anwalt erklärt auch, weshalb die Polin aus Warschau nach Deutschland gezogen war: Bei ihr seien irgendwann Krebszellen im Unterleib nachgewiesen worden, wegen der besseren medizinischen Möglichkeiten sei sie nach Deutschland gekommen. Trotz aller Behandlungen könne sie keine Kinder bekommen, sei nicht verheiratet, was in ihrer ethnischen Gruppe ein Problem sei, so der Anwalt. Finanziell sei sie zunächst von der Familie und einer Kirchengemeinde unterstützt worden, bevor sie sich dem Enkeltrick widmete.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, sie sei als Organisatorin und Kontaktfrau zu den Hinterleuten nach Polen tätig gewesen, auch das will sie laut ihrer vom Anwalt verlesenen Einlassung nicht getan haben. Sie schiebt im Wesentlichen ihrem Abholer alles in die Schuhe; der wurde 2022 schon zu über sechs Jahren Gefängnis verurteilt.

Abholer muss noch mal als Zeuge aussagen

Allerdings sitzt er nicht wirklich im Gefängnis, der 36-Jährige durfte am Montag, 6. Februar, selbstständig als Zeuge in Begleitung von zwei Frauen zum Gericht kommen. Wegen seiner Kokainsucht verbüßt er die Zeit in der forensischen Psychiatrie-Klinik in Bedburg-Hau im Maßregelvollzug. Im Zuge der langen Befragung duckte er sich aber – im übertragenen Sinne – immer wieder weg, um sich kein neues Verfahren einzuhandeln, denn, wie er selbst sagte, wolle er bei seiner Verhandlung manchmal Blödsinn erzählt haben. Er wird ein weiteres Mal als Zeuge erscheinen müssen.

Allen registrierten Opfern, die mit Schockanrufen betrogen wurden, hatte der Richter angeboten, dass sie eine Aussage machen können. Einige haben das wahrgenommen. Einen 74-jährigen Bergheimer hatte das Duo und die vermuteten Hinterleute um 23.000 Euro betrogen. „230 Hunderteuroscheine“ und 800 Gramm Gold, wie der Mann plastisch erzählte. Gold und erbeuteten Schmuck will der kokainsüchtige Abholer immer beim selben Juwelier in Köln-Nippes versetzt haben.

Das Betrügerduo muss stolz auf seine „Erfolge“ gewesen sein: Ein Foto vom Handy des Abholers, das im Gerichtssaal gezeigt wurde, zeigt einen Tisch, auf dem Geldschein-Stapel und Goldbarren aus der Betrugsmasche liegen, zum Teil kleine Scheine. Die 93-jährige betrogene Leverkusenerin zum Beispiel hatte den Betrügern am 27. April 2021 11.000 Euro in einem mit Tesafilm zugeklebten Umschlag übergeben. Laut Polizeiprotokoll hatte sie das Geld für ihre Beerdigung zusammengespart, selbst erzählen kann sie das vor Gericht nicht, denn sie lebt nicht mehr.

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