Günter Hilken über wichtige MomenteCurrenta-Urgestein wechselt in den Aufsichtsrat

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Es ist geschafft: Currenta ist verkauft, Geschäftsführer Günter Hilken wechselte in den Aufsichtsrat.

Es ist geschafft: Currenta ist verkauft, Geschäftsführer Günter Hilken wechselte in den Aufsichtsrat.

Leverkusen – Wie verabschiedet man einen Chef, der gar nicht so ganz geht? Und das Corona-konform, also kontaktlos? Bei Currenta musste man sich schon was einfallen lassen, um der Würde des Moments gerecht zu werden. Mit Günter Hilken geht schließlich der Gründungsgeschäftsführer des Chempark-Betreibers nun in den Ruhestand. Was im Fall des 66-Jährigen allerdings heißt, dass er jetzt in den Aufsichtsrat wechselt. Ein Amt, das Hilken in seiner langen Karriere unter dem Bayer-Kreuz auch schon mal bekleidet hat: bei Currenta-Töchtern. „Ein bisschen kenne ich Aufsichtsrat“, kann er somit behaupten und das Tätigkeitsprofil ganz grob so beschreiben: „In Zukunft werde ich die Fragen stellen, die ich als Geschäftsführer zu beantworten hatte.“

Sein Nachfolger Frank Hyldmar wird sich auf einen Aufseher einzustellen haben, der auch den letzten Winkel des Ladens kennt. Aber weil der mit dem Jahreswechsel an die Currenta-Spitze gerückte Manager schon ein halbes Jahr von Hilken eingearbeitet wurde, hat er ein gutes Blatt in der Hand. Um sein Erbe zu regeln, hatte Günter Hilken ein paar Monate drangehängt. Eigentlich wäre sein Vertrag im Mai 2020 ausgelaufen.

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Einen fliegenden Wechsel gab die Personalkonstellation an der Currenta-Spitze aber nicht her. Und dann war da ja noch die grundstürzende Veränderung: Seit dem vorigen April gehört der Chempark-Betreiber nicht mehr strategischen Investoren, sondern einem Finanzhaus.

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Chemiker war dann doch realistischer als Rockstar.

Chemiker war dann doch realistischer als Rockstar.

Zwar hat das australische Unternehmen Macquarie für seine Beteiligungen an Unternehmen des Infrastruktur-Sektors eine eigene Tochter gegründet. Und doch bleibt Macquarie eine Investmentbank. Und das mache im täglichen Leben schon einen Unterschied zu früher, als die Eigentümer Bayer und Lanxess hießen, sagt Hilken über die neue Ära: „Für das Operative ist einzig die Geschäftsführung zuständig.“ Daran, wie ein Betreiber von Chemie-Infrastruktur Erfolg definiert, ändere sich aber nichts. Arbeitssicherheit etwa sei und bleibe natürlich ein extrem wichtiges Kriterium unter dem Bayer-Kreuz.

Dass er den Übergang zu Mira mitgestalten konnte, beschreibt Hilken als „komfortable bis einzigartige Situation“. Und den Kaufpreis von dreieinhalb Milliarden Euro sieht der Ex-Chef von Currenta als Beleg dafür, dass auch ein Infrastruktur-Dienstleister Werte schaffen kann. Dass es fürs Selbstbewusstsein der 3200 Beschäftigten besser gewesen wäre, wenn Currenta auch früher schon jedes Jahr eine eigene Bilanz veröffentlicht hätte und Zahlen nicht nur rudimentär in den Jahresberichten von Bayer und Lanxess aufgetaucht wären, streitet Hilken nicht ab. Intern aber habe die Belegschaft an den Bonus-Zahlungen teilgehabt – und das sei auch wichtig gewesen.

„Ganz klar ein emotionales Thema“

Erst recht, weil ja die Werksdienste schon seit 2002 tariflich von den produzierenden Teilen abgehängt worden waren. Was auf die Dauer für sehr deutliche Unterschiede im Portemonnaie sorgte. Das sei „ganz klar ein emotionales Thema“ in der Firma gewesen und „war hautnah zu spüren“, sagt Hilken. Auf dem Gebiet hätten „die Sozialpartner sehr gut zusammengearbeitet“. Der Erfolg: „Es ist von Betriebsversammlung zu Betriebsversammlung ruhiger geworden.“ So habe sich mit der Zeit auch ein eigener Currenta-Teamgeist herausgebildet. Wohl auch ein Grund, warum die Ereignisse des vorigen Jahres keine hohen Wellen schlugen. „Der Verkauf wurde von der Mannschaft ruhig aufgenommen“, schildert er seinen Eindruck.

Zur Person

Günter Hilken wurde 1954 in Leverkusen geboren, besuchte das damalige Carl-Duisberg-Gymnasium in Wiesdorf am Stadtpark. Zum Studium der Chemie ging Hilken nach Köln, dort promovierte er 1983 in Organischer Chemie, dann kam er zu Bayer, wo er nach vielen Stationen im Konzern 2011 die Geschäftsführung des Chempark-Betreibers Currenta übernahm. Heute lebt er in Bergisch Gladbach und Frankfurt. Hilken hat drei Kinder, das jüngste ist gerade 20 Monate alt – „ein Wusel“, so beschreibt es der 66-Jährige. Seine Liebe zur Musik manifestiert sich an der Wohnzimmerwand in seinem Bergisch Gladbacher Haus. Dort zählt Hilken 15 elektrische Gitarren, die auch regelmäßig zum Einsatz kommen: Mit seinem Bruder Reiner, dem Leiter des Jugendzentrums Bunker in der Dr.-August-Blank-Straße, gab und gibt es regelmäßig Jam-Sessions. „Mit dem Rockstar, das ist leider nichts geworden“, sagt Hilken lachend am Ende seines so anders verlaufenen Berufslebens, das an der Spitze von Currenta endet. (tk)

Dabei musste man sich bei Currenta durchaus auf dem absteigenden Ast wähnen. Mehr und mehr Bereiche wurden trotz des Firmen-Tarifvertrags an Dritte abgegeben, die es noch billiger machen können: Etwa im Besucherempfang sind längst Leute der Sicherheitsfirma Kötter im Einsatz. Die Verantwortung bleibe aber bei Currenta , so Hilken. Ebenso wie bei der Feuerwehr. Wir kümmern uns um „Regie, Strategie, Konzepte“.

Und es sei ja auch nicht nur um Abbau gegangen, sondern im Gegenzug um neue Tätigkeitsfelder. Die digitale Infrastruktur zum Beispiel sei dem Chempark-Betreiber „fast über Nacht“ zugefallen, nämlich als Bayer seine Tochter Business Services zerschlug . Ganz schnell sei dann ein Glasfaser-Netz im Chempark gesponnen worden. Auch da haben sich die Rohrbrücken wiederum als überaus praktisch erwiesen: Nicht nur NKT kann seine gerade gesponnen Kabel über diese Brücken an den Kai laufen lassen. Auch die Datenströme fließen dort, wo sonst nur Dampf und viele andere Stoffe durch Rohre geleitet werden. Wenn Carl Duisberg, der Schöpfer des Werks, das geahnt hätte.

Ausnahmsweise mal ohne die Rohrbrücken könnte Currenta ein Funknetz aufspannen. 5 G sei durchaus ein Thema, so Hilken. Aber dann doch eher eins für seinen Nachfolger Frank Hyldmar. Das gilt auch für das Thema Wasserstoff als Energieträger für Fahrzeuge. Der Chempark hat sich als Übergabestation längst ins Gespräch gebracht, das aber nicht nur in Leverkusen, sondern auch in Dormagen, wo das noch etwas naheliegender ist: Denn dort betreibt Covestro in großem Stil Elektrolyse, gewinnt also Wasserstoff.

Dass es außer der Kabelfabrik, die NKT aus Köln-Mülheim in den Süden des Chemparks verlagert hat, keine spektakulären Neuansiedlungen unter dem Bayer-Kreuz gegeben hat, schmerzt Hilken augenscheinlich nicht so. Für ihn sei es vor allem wichtig, dass die großen anderen Bayer-Ausgründungen Lanxess und Covestro im Chempark ideale Bedingungen für den Ausbau vorfinden. Allein das bedinge ja schon Investitionen von einer halben Milliarde Euro jährlich, wenn man Leverkusen, Dormagen und Uerdingen zusammen betrachte. Und diese Marke habe Currenta in den vergangenen Jahren regelmäßig und manchmal auch sehr deutlich überschritten.

Sollte es in diesen Maßstäben weitergehen, der neue Currenta-Aufsichtsrat Günter Hilken hätte der neuen Geschäftsführung wohl kaum kritische Fragen zu stellen.

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