Spezialisten von Leverkusener Lungen-Reha berichten„Long-Covid kann jeden treffen“

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Das Rehazentrum im Remigius-Krankenhaus betreut auch Long-Covid-Patientinnen und -Patienten.

Leverkusen – „In der ersten Welle wussten wir nichts über Corona“, sagt Dr. Ulrike Röhn. Was macht man mit Lungenpatienten, die an Gedächtnisschwäche und Geschmacksverlust leiden? Dieses Krankheitsbild gab es vorher nicht. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat die ärztliche Leiterin der ambulanten pneumologischen Reha Leverkusen (APRiL) am Remigiuskrankenhaus Opladen viel gelernt über die neue Krankheit.

Mann und Mutter von infizierter Pflegerin gestorben

Und viele Erinnerungen sind schmerzhaft. Etwa die an eine Pflegerin Anfang 50, die sich vor der Zulassung der Impfung bei der Arbeit infizierte und dann gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Mutter wochenlang auf der Opladener Intensivstation lag – die schließlich nur die Pflegerin selbst lebend wieder verlassen hat. „Das hat uns natürlich alle sehr beschäftigt, weil es auch unsere tägliche Bedrohung war“, sagt Röhn.

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Die ambulante pneumologische Rehabilitation in Leverkusen ist jüngst ausgezeichnet worden.

Viele Erfahrungen sind aber auch hilfreich. „APRiL“ ist die einzige Einrichtung in der Region, die ambulante Lugenreha anbietet und eine von ganz wenigen in Deutschland, die an ein Akutkrankenhaus angeschlossen ist. „Dadurch konnten wir mittlerweile viel über Corona lernen, weil wir die Patienten von Intensiv- über die Normalstation bis in die Reha beobachten können“, sagt Röhn.

Covid-19 ist unberechenbar

Die wichtigste Erkenntnis: Covid-19 ist unberechenbar. „Es gibt ein ganzes Palette an Langzeitfolgen“, sagt die Lungenärztin Aurelia Winkler. Luftnot, Erschöpfung, Müdigkeit, Probleme mit Gedächtnis, Konzentration und Geruchssinn. Und Angst: Davor, Menschen zu treffen, sich körperlich zu betätigen. „Das Seltsame ist: Manche Patienten haben nur eines der Symptome, andere die ganze Palette“, sagt Winkler.

Leichter Verlauf, schwere Folgen

Und das ist nicht abhängig vom Krankheitsverlauf. „Wir haben beatmete Intensivpatienten, die ohne Langzeitfolgen nach Hause gehen und dann haben wir Patienten mit einem leichten Verlauf, die Wochen später zur Reha kommen, weil sie ihren Alltag nicht bewältigen können.“ Wie etwa eine junge Frau, die sich im Februar 2020 in Ischgl infiziert hatte und noch heute arbeitsunfähig ist.

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Die gute Nachricht ist: Mittlerweile haben die Spezialisten Mittel, um den Betroffenen zu helfen. Neben Bewegungsübungen hat die Einrichtung ein PC-Hirnleistungstraining angeschafft, um den Gedächtnisverlust zu bekämpfen und Aromatherapie für den Geruchssinn. In der Regel bleiben die Patienten drei Wochen an Werktagen von morgens bis abends und sind ansonsten Zuhause. Von den normalerweise zwölf Therapieplätzen können aktuell wegen der Abstandsregeln nur acht besetzt werden. Die Hälfte davon ist aktuell mit Long-Covid-Patienten belegt. Die Wartezeit auf einen Platz beträgt etwa einen Monat. „Ich finde es schade, dass es so wenige ambulante Lungenrehas gibt“, sagt Winkler. „Viele Patienten können einfach nicht drei Wochen wegfahren, weil sie schulpflichtige Kinder oder pflegebedürftige Eltern oder auch einfach nur einen Hund haben. Die haben vielerorts überhaupt keine Chance auf Reha.“ Nach Opladen reisen viele aus Köln und dem Umland an, einige kommen aber sogar täglich aus dem Ruhrgebiet.

Entsetzen über Ungeimpfte

Bei dem, was sie täglich sieht, ist Oberärztin Winkler entsetzt über den immer noch großen Anteil an Ungeimpften. „Ich bin überzeugt, dass die Situation, die wir jetzt haben, hätte verhindert werden können, wenn sich alle hätten Impfen lassen.“ Wenn sie mit ungeimpften Patienten spricht, erfährt sie einerseits von irrationalen Sorgen über Langzeitfolgen der Impfung und anderseits von Sorglosigkeit, was eine mögliche Infektion betrifft. „Die Annahme: Ich bin gesund und fit, ich stecke das locker weg, ist einfach falsch“, warnt sie. „Schwere Coronaverläufe und Long-Covid können jeden treffen.“

Die ambulante pneumologische Rehabilitation in Leverkusen (APRiL) ist organisatorisch in der Remigius Reha angesiedelt. Mit den Patienten arbeiten hier Pneumologen, Physiotherapeuten, Atemtherapeuten und Psychologen in Einzel- und Gruppenbehandlungen. Auch Nikotinentwöhnung wird angeboten. Für das Angebot ist die Einrichtung jüngst mit dem Focus-Siegel „Top Reha-Klinik 2022 Lunge“ ausgezeichnet worden.

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