Blick ins Leverkusener WahrzeichenSo sieht das Erholungshaus hinter den Kulissen aus

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Erholungshaus

Das Erholungshaus um 1910

Leverkusen – Die Bretter, die die Welt bedeuten, sind mit ihren 48 Millimetern erstaunlich robust. „Da könnte man auch mit einem Auto drauffahren“, ist sich Roland Tebarth sicher. Der Technische Leiter des Erholungshauses ließ am Mittwochabend interessierte Bürgerinnen und Bürger tief hinter die Kulissen des Hauses blicken. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Opladener Geschichtsverein. 

Seit 1908 prägt das Erholungshaus das gesellschaftliche Leben in Leverkusen, am 13. September vor 114 Jahren wurde es eingeweiht. Der Bauantrag war knapp zwei Jahre zuvor von der IG Farben – dem Unternehmen, aus dem Bayer hervorgegangen ist – gestellt worden.

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Das Erholungshaus wurde 1908 eröffnet.

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Blick hinter die Kulissen

Das neobarocke Gebäude wurde ursprünglich als Turnhalle für den TuS 04 errichtet. „Ausgestattet mit den modernsten Turngeräten und einer aufklappbaren Bühne, unter der sich eine gleichgroße Grube mit Sägespänen befindet, die sogar Weit- und Hochsprung sowie Kugelstoßen ermöglicht, wird sie für kurze Zeit das Domizil des TuS 04“, schreibt Bayer 04 Leverkusen auf seiner Webseite. Doch das Sportlerglück währte nicht lang: Da auch viele andere Gruppen Interesse an dem Mehrzweckbau hatten und man sich gegenseitig auf die Füße trat, zogen die Sportler irgendwann ab und machten peu à peu der Theatervereinigung Platz.

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Alexander Kierdorf

Auch ein ehemaliger Leseraum und Kegelbahn musste den Theaterleuten weichen, ergänzt Architekturhistoriker Alexander Kierdorf. Im Laufe der Jahrzehnte danach hat das Gebäude sein Gesicht durchaus verändert.

Besucherzahl gedeckelt

Durften am Anfang mehr als 1200 oder sogar 1500 Menschen in den Saal, sind es heute maximal 628, erklärt Technikchef Roland Tebarth und führte die Besucherinnen und Besucher zunächst durch das Theaterhaus, durch die hinteren Räume. Neun Meter misst die Drehscheibe, auf der man die Theaterkulisse drehen kann, 25 Handkonterzüge können nach wie vor manuell bedient werden und bis zu 300 Kilogramm Gewicht heben. Versteckt vor Zuschauerblicken lagern mehrere Schallsegel: Sie werden an die Decke gezogen, um einen besseren Klang zu ermöglichen, erklärt der Technische Leiter des Erholungshauses. Um die beste Akustik zu ermöglichen, können vier Leute schonmal vier Stunden beschäftigt sein. „Und die langweilen sich dann nicht“, sagt Tebarth schmunzelnd. Dafür gibt es Qualität: „Die Nachhallzeit ist phänomenal, nicht so lang wie in einer Kirche, aber nicht zu kurz“, schwärmt er.

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Roland Tebarth ist Technischer Leiter im Erholungshaus und zeigt, wie die Seilzüge funktionieren.

Eine schwere Wand trennt das Theaterhaus vom Zuschauerhaus, der Bühne. Sie nennt sich „den eisernen Vorhang“. In der Tat ist die Wand feuerfest und konnte verhindern, dass 1975 bei dem großen Brand die Flammen auf den Saal übergriffen. Früher habe es im Theaterbetrieb grundsätzlich häufiger Brände gegeben, erklärt Tebarth, der seine Karriere bei der Bayer-Kultur als Tontechniker gestartet hat, denn die Scheinwerfer seien früher mal mit Gas betrieben worden. Daher komme es auch, dass man als Techniker auf der Bühne nicht pfeifen solle. Wenn nämlich Gas ausströmte, habe das ebenfalls eine pfeifähnlichen Ton von sich gegeben, da seien alle direkt alarmiert gewesen.

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Die Schallsegel sorgen für guten Klang.

Die Bühne ist knapp 200 Quadratmeter groß, weiß Tebarth, gleich zwei Steinways warten hier auf ihren großen Auftritt. Werden sie gerade nicht gebraucht, schlummern sie im Keller, mit dem Hubpodium im Orchestergraben können die schweren Instrumente vier Meter runtergefahren werden.

Gastronomien ändern sich ebenfalls

Bei der Führung durch die Zuschauergänge schauen einige Gäste sehnsüchtig nach draußen, von der stattlichen Kastanien, die früher den Biergarten so beliebt gemacht hatten, steht heute nur eine. Aktuell wird im Erholungshaus die Gastronomie „Kulisse“ betrieben, früher gab es das „Restaurant im Erholungshaus“.

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Ralf Schweigert, ehemaliger Betreiber des Restaurants im Erholungshaus

Rolf Schweigert hatte das Lokal für einige Jahre vor der Jahrtausendwende betrieben. Auch er will mehr über seine einstige Wirkstätte erfahren. „Das Haus habe ich so ja nicht kennengelernt“. Er erinnert sich gerne an Auftritte von Sänger Stoppok, da sei das Restaurant so voll gewesen, dass die Band übers Fenster habe hineinklettern müssen, erzählt er lachend. Auch das große Jubiläum der Roten Funken zum 75. Gründungstag ist ihm noch gut in Erinnerung.

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Hier kommt so schnell kein Unbefugter rein.

Im Probenraum auf der ersten Etage bewundern die Besucher noch die Rundfenster – allerdings sind die nicht mehr original, sondern nachgebaut. Weiterhin kann man in die Künstlergarderobe spingsen oder die Fotos im Künstlerzimmer, wo die Nachfeiern stattfinden, anschauen. Im Keller gibt es bis heute noch eine Werkstatt, im Lagerraum warten Kontrabässe und Celli auf ihren Auftritt. Und nicht fehlen darf heutzutage eine große Sprinkleranlage und ein Diesel-Notstromaggregat. Damit könne man acht Stunden lang alle wichtigen Systeme aufrechterhalten, erläutert Roland Tebarth.

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Das Künstlerzimmer, wo man sich nach den Aufführungen traf oder trifft.

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Regelmäßig proben im Erholungshaus die Bayer Philharmoniker, das Blasorchester und der Männerchor. Unter anderem finden hier auch das Bayer-StART-Festival und die Jazztage natürlich statt. Die nächste große Veranstaltung steht vor der Tür: Am 20. Oktober ab 18 Uhr versteigert die Bayer Kultur im Erholungshaus wieder Werke aus dem unternehmenseigenen Kunstbesitz – dieses Jahr zugunsten des Pallilev-Hospizes. Im Fundus gibt es Arbeiten von Künstlern wie Salvador Dalì, Marc Chagall, Pablo Picasso und Markus Lüpertz, aber auch Werke regionaler Künstler wie Kurt Lorenz. Die Aufrufpreise für die rund 60 Gemälde, Druckgrafiken und Multiples bewegen sich zwischen 100 und 1.000 Euro.

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