Leverkusens spektakulärste PleiteKäufer gab Agfa nur noch drei Jahre

Eine weltbekannte Marke. Doch mehr als drei Jahre gab auch Hartmut Emans der Fotosparte von Agfa nicht, als er sie im November 2004 übernahm.
Copyright: Ralf Krieger
Leverkusen – Es mutet absurd an. Und ginge es nicht um viele Millionen Euro, von denen einige noch an frühere Beschäftigte ausgeschüttet werden dürften, die Agfa-Photo-Pleite und ihre Aufarbeitung müsste als Gefecht von Juristen betrachtet und nicht mehr so recht ernstgenommen werden. Schließlich ist die Katastrophe vor knapp 16 Jahren eingetreten. Doch weil bis zu 410 Millionen Euro auf dem Spiel stehen, die der seit ebenfalls rund 16 Jahren tätige Insolvenzverwalter Andreas Ringstmeier von Agfa Gevaert haben will, hat die Angelegenheit doch enormes Gewicht.
Denn soeben hat der Kölner Anwalt einen Etappensieg errungen: Der Bundesgerichtshof hat eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt bestätigt, das einen Spruch des Internationalen Schiedsgerichtshofes für Wirtschaftsfragen (ICC) für ungültig erklärt hatte, freilich aus formalen Gründen. Trotzdem ist für Agfa-Photos Insolvenzverwalter damit der Weg frei für einen neuen Anlauf vor dem ICC, der feststellen könnte, was für Ringstmeier feststeht: Agfa Gevaert trägt die Verantwortung für die Pleite der Fotosparte. Das Geschäft habe viel schlechter dagestanden als man es dem Käufer Hartmut Emans offenbarte. Der sieht das auch so, konnte sich allerdings ebenfalls vor dem ICC nicht durchsetzen.
Schiedsspruch nach 13 Jahren
Ringstmeier aber will es noch einmal versuchen – das hat er vor geraumer Zeit angekündigt. Im Wissen, dass sich die Sache hinziehen könnte: Das erste Schiedsverfahren hat 13 Jahre gedauert.
Die Insolvenz
Am 1. November 2004 ging die Foto-Sparte von Agfa Gevaert an ein Konsortium um Hartmut Emans über. Am 29. Mai 2005 war Agfa-Photo, so der neue Name, zahlungsunfähig. Über die Gründe für die schnelle Insolvenz wird bis heute gestritten; Insolvenzverwalter Andreas Ringstmeier wirft Agfa Gevaert vor, den Käufer über den Wert falsche Angaben gemacht und so die Pleite verursacht zu haben. Tatsächlich aber wurden die Gläubiger aus Verkäufen und anderen Erlösen mit einer ungewöhnlich hohen Quote bedient: bisher rund 60 Prozent. (tk)
Zu den Leuten, die in der Sache nicht locker lassen, gehört Hartmut Hilden. Der war über viele Jahre Pressesprecher von Agfa, hat den schleichenden Niedergang des Fotogeschäfts ebenso aus nächster Nähe erlebt wie seinen mit großen Hoffnungen verbundenen Verkauf an den ehemaligen Mc-Kinsey-Berater Emans und ein paar erfahrene Agfarianer aus dem Management im November 2004. Und für Hilden hat die Pleite nur ein gutes halbes Jahr später ebenso viele Fragen aufgeworfen wie für gut 1700 Beschäftigte der Film- und Fotosparte, die kurz darauf ihre Arbeitsplätze verloren.

Eine alte Agfa-Reklame im bayerischen Mittenwald
Copyright: Ralf Krieger
Die vielen Ungereimtheiten lassen den promovierten Juristen Hilden bis heute genau so wenig los wie den Insolvenzverwalter Ringstmeier.
Gerade hat Hilden in den Gerichtsakten Ungeheuerliches aufgespürt: das Investorenkonzept, auf dessen Grundlage Agfa Gevaert dem Bieter Emans im Herbst 2004 den Zuschlag für den Erwerb der Fotosparte gab. Es sah vor, zitiert Hilden, „die Schließung des Gesamtgeschäftes einschließlich des Bereichs Laborgeräte zum Ende des Jahres 2007 vor“.
Verkaufen statt Sanieren
Eine Bombe, die einen nach der plötzlichen Pleite immer wieder geäußerten Verdacht stützt: Käufer Emans hätte gar nicht vorgehabt, die wegen der Digitalisierung sehr kränkelnde Fotosparte zu sanieren. Ihm sei es vor allem um die Marke gegangen – auch wenn Agfa Gevaert den weltberühmten Rhombus nicht hergegeben hatte und sich der Käufer mit dem Roten Punkt begnügen musste, mit dem Agfa später eine Zeitlang Furore gemacht hatte: unter anderem als Sensor-Auslöser auf Kameras, die unter dem Agfa-Label vertrieben wurden.
Emans hat diesem Verdacht stets widersprochen. Allerdings findet man heute noch Zubehör wie USB-Sticks mit dem Roten Punkt. Dieses Geschäft läuft mithin noch.
Hoffnung auf Laborgeräte
Zurück zum Investorenkonzept: Dass es nach dem Verkauf noch nicht einmal drei Jahre reichte für Agfas Fotosparte lag daran, dass der damals noch zu Hoffnungen Anlass gebende Bereich Laborgeräte wesentlich schlechter lief als geplant.
Vor eineinhalb Jahrzehnten war es noch normal, Fotos nicht auf dem Rechner oder dem noch gar nicht gängigen Smartphone anzuschauen. Man ließ seine digital geschossenen Bilder ausbelichten, und dafür brauchte man spezielles Gerät. Doch Agfas „d-lab 1“, mit dem das Unternehmen das digitale Massengeschäft aufmischen wollte, verkaufte sich viel schlechter als prognostiziert: Der Absatz blieb um ein Viertel hinter den Schätzungen aus dem Investorenkonzept zurück, zeigen die Akten.
Für den neuen Eigentümer Emans war das fatal: In seinem Konzept spielte das Laborgeschäft eine zentrale Rolle, mittelfristig allerdings offenbar nur eine finanzielle. Nach den von Hilden ausgewerteten Akten sollte es zunächst für Umsatz im Fotogeschäft sorgen, später für rund 42 Millionen Euro verkauft werden. Tatsächlich ging es nach der Pleite für rund zwölf Millionen Euro weg – und das entsprach wohl auch eher dem Wert vom Frühjahr 2004, als es im Emans-Konzept eine zentrale Rolle spielte.
Das könnte Sie auch interessieren:
Dass der ICC später zwischen Schein und Sein der Labor-Sparte nicht unterschied und das Gutachten über die Lage bei Agfa-Photo nicht hatte anpassen lassen, brachte später das gesamte Schiedsverfahren zu Fall: Insolvenzverwalter Ringstmeier habe juristisch kein Gehör gefunden, urteilten die deutschen Gerichte bis jetzt in die letzte Instanz. Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, ob das Schiedsverfahren insgesamt anders hätte ausgehen müssen. Das ist nun wieder Sache des ICC in Paris. Wann dort mit einer Entscheidung zu rechnen ist? Wieder erst in 13 Jahren? Ringstmeier will 410 Millionen. Das würde einen langen Atem rechtfertigen.