Prozess gegen 19-Jährigen„Ich dachte, er hätte sich umgebracht“

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Der Schauplatz des Dramas vom 20. April in der Waldsiedlung.

Leverkusen – Die Nacht vom 20. auf den 21. April hat er schlaflos verbracht. Der Vater des jungen Manns, der in der Waldsiedlung die Mutter seiner aussichtslosen Liebe mit 26 Messerstichen attackierte und gegen den am Donnerstag weiter prozessiert wird, hatte „ein ungutes Gefühl“ in jener Nacht, als die Tragödie geschah. „Ich dachte, er hätte sich umgebracht.“ Ende einer Geschichte aus Selbstisolation und Ideen, die ans Wahnhafte grenzen.

Der Strafkammer präsentiert sich ein 80 Jahre alter Mann, der seinen Sohn erst acht Jahre nach der Trennung von seiner Frau bei sich aufnehmen konnte – davor habe er kaum Kontakt zu den insgesamt vier Kindern gehabt, berichtet er. Geschieden wurde das Paar erst 2018; über seine Ex-Frau sagt der Mann fast nichts. Im Gegensatz zum älteren Bruder des Beschuldigten: Der 25-Jährige beschreibt seine Mutter als „streitsüchtig“. Als die älteren Halbbrüder aus dem Haus gewesen seien, habe der Jüngere „den ganzen Scheiß abbekommen“, sei „unverhältnismäßig“ bestraft worden: etwa durch Wegsperren der Spielkonsole.

Kontaktkanal Playstation

Das Gerät ist bis zuletzt der Verbindungskanal zwischen den jungen Erwachsenen gewesen, zeigt sich. Es sei nicht nur geballert worden, wobei sich der Jüngere sehr in die Spielewelt hineinsteigern konnte: „Dann hörte man es scheppern und der Controller lag an der Wand.“ Aber über die Chat-Funktion an der Playstation habe man sich über alles mögliche unterhalten. Die Idee, nach Russland auszuwandern zum Beispiel, malten sich beide gemeinsam aus. Das womöglich ursprüngliche Leben wäre für beide ein wohltuender Kontrast gewesen zum Selbstdarstellungswahn ihrer Altersgenossen auf Instagram und Facebook.

Ausgespart wurden Frauen und Herzensangelegenheiten. Dieses Tabu hat sich offenbar automatisch ergeben. Auch er tue sich schwer mit solchen Themen, bekennt der Halbbruder. Trotzdem war er wohl die einzige wirkliche Vertrauensperson für den Beschuldigten. Und Vorbild für den Jüngeren – weshalb er sich frage, ob er nicht positiver auf ihn hätte einwirken müssen statt immer nur das Negative herauszukehren. Die Situation vor Gericht geht dem Halbbruder nah: „Jetzt sitzt er da und hört das durch die Scheibe, und das tut mir unheimlich weh.“

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Hilfe von Dritten kam für beide nicht in Frage: „Das hat er kategorisch abgelehnt“, sagt der Vater. Womöglich hätte sich die Katastrophe verhindern lassen. 

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