Die Übernahme durch die Abu Dhabi National Oil Company löst viele Fragen aus. Und Personalrochaden.
Rückblick 2025Ein Leverkusener Dax-Konzern wird arabisch

Die Firmenzentrale von Covestro liegt an der B8 in Wiesdorf. Nach dem Verkauf kommt ihr auch symbolische Bedeutung zu.
Copyright: Ralf Krieger
Als Covestro im Sommer das zehnjährige Bestehen feiert, ist längst klar, dass sich die frühere Kunststoff-Sparte des Bayer-Konzerns fundamental verändern wird: Die Übernahmeverhandlungen mit der Abu Dhabi National Oil Company liegen in den letzten Zügen – und eigentlich wären sie längst abgeschlossen, wenn nicht die EU-Kommission ein scharfes Auge auf den Mega-Deal geworfen hätte. Ein paar Details des großzügig erscheinenden Angebots erschienen fragwürdig. Unter anderem ging es um die Befürchtung, mit der Übernahme durch den arabischen Öl-Konzern könnte technologisches Know-how unwiederbringlich an den Golf abfließen. Erst recht, weil Adnoc-Chef Sultan Ahmed Al Jaber zugleich der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate ist, zu denen Abu Dhabi gehört.
Die Prüfung zieht sich durch den Sommer, aber nach ein paar Veränderungen geht die Sache durch: Das erste Mal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte wird ein Dax-Konzern ins Ausland verkauft. Für manchen in Leverkusen mutet es irgendwie passend an, dass es gerade eine ehemalige Bayer-Sparte ist, die ins Ausland abschwimmt. Auch, wenn Covestros Vorstand wieder und wieder betont, dass der weltweit aktive Kunststoff-Hersteller die Stadt auf keinen Fall verlassen wird.
Die Konzernzentrale wird zum Symbol
Trotzdem: Die recht neue Konzernzentrale an der Friedrich-Ebert-Straße wird nun umso mehr als Symbol angesehen, als Statement für Standort-Treue. In diesem Zusammenhang hat es ebenfalls höhere Bedeutung, dass Covestro-Chef Markus Steilemann derzeit Präsident des Verbands der Chemischen Industrie ist. Der Sprecher des Branchenverbands einer der wichtigsten deutschen Industriezweige wird wohl kaum seinen Posten an der Spitze des Konzerns räumen können, weil der jetzt nicht mehr deutschen und internationalen Anlegern gehört, sondern einem Staatskonzern aus Arabien.
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Um Steilemann herum ändert sich aber schnell etwas. Finanzvorstand Christian Baier verlässt das Unternehmen, nachdem er – so jedenfalls die Darstellung von Covestro – die Übernahme durch Adnoc beziehungsweise dessen Investitionsvehikel XRG maßgeblich bestimmt hat. Das kommt ein bisschen überraschend.

Covestros Noch-Finanzvorstand Christian Baier mit Markus Steilemann und dem gewesenen Aufsichtsratschef Richard Pott (von links)
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Im Hintergrund geplant war hingegen die Ablösung von Richard Pott an der Spitze des Aufsichtsrats. Der 72-jährige Opladener wird durch Rainer Seele ersetzt. Der wiederum leitet die Geschäfte von XRG. So wird die Verschränkung zwischen Covestro und den neuen Eigentümern deutlich enger. Für Mitarbeiter und das Publikum in Leverkusen hat der Pott-Abgang dennoch keinen schönen Beigeschmack. Der Manager aus Opladener hat eine lupenreine Bayer-Vita, war zuletzt auch Arbeitsdirektor des früheren Mutterkonzerns. Mit ihm geht also eine weitere Verbindung verloren, wird eine Wurzel zu „Mutter Bayer“ gekappt.
Wie sieht es nun mit den neuen Beziehungen aus? Über Adnoc ist nicht allzu viel bekannt. Firmenchef Ahmed Al Jaber wurde vor zwei Jahren einem breiteren Publikum bekannt, als er den Vorsitz der Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai innehatte. Dass ausgerechnet ein Ölmanager die Konferenz leitete, erschien befremdlich. Allerdings ist klar, wo Al Jaber mit Adnoc hin will: Einerseits ließ er die Ölproduktion massiv ausbauen. Aus 3,8 Millionen Barrel pro Tag sollen bis 2027 rund fünf Millionen werden. Das Geld wiederum soll vor allem in saubere Energie, erneuerbare Kraftstoffe und die Kreislaufwirtschaft, fließen.
Adnoc hat noch viel vor
Für Letztere steht Covestro. Vorstandschef Markus Steilemann hat zum Beispiel viele Initiativen mit seiner RWTH in Aachen geschlossen, um auf diesem Gebiet voranzukommen. Gleichzeitig hat der Vorstand des Kunststoffkonzerns ehrgeizige Klimaziele formuliert.
Um das alles zu erreichen, brauchen die Leverkusener Geld. Denn wie die gesamte deutsche Chemiebranche leidet der Werkstoff-Hersteller unter der schwachen Konjunktur. Dazu kommt Konkurrenz, auch aus China, wo die frühere Bayer-Sparte indes nahe Schanghai ihre mit Abstand größte Produktionsstätte unterhält. Davon, dass der Öl-Reichtum von Adnoc Covestros Geschäfte beflügelt, weil er Rohstoff billiger macht, war allerdings nie die Rede. Vielmehr hieß es, dass der Kauf in Deutschland integraler Bestandteil der Zukunftsstrategie des Konzerns aus Abu Dhabi sein soll.
Indes ist das Leverkusener Unternehmen längst nicht die einzige Karte. Adnoc-Tochter XRG ist mit dem österreichischen Ölunternehmen OMV Eigentümer des Chemieriesen Borouge International. Weitere Zukäufe sind geplant: Beim australischen Konzern Santos ist XRG zwar zuletzt nicht zum Zug gekommen. Aber das Gerücht, den britischen Mineralölkonzern BP zu schlucken, unterstreicht die Ambitionen der Leute aus Abu Dhabi.

