Viele Trennungen in LeverkusenDas raten Scheidungsanwältinnen, um die Ehe zu retten

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Ehe Leverkusen Symbolbild Scheidung

In kaum einer anderen Stadt werden im Verhältnis zu Hochzeiten so viele Ehen geschieden wie in Leverkusen. (Symbolbild)

Leverkusen – Leverkusen ist eine der Scheidungshochburgen in Deutschland. Bundesweit gibt es in kaum einer anderen Stadt so viele gescheiterte Ehen wie hier: Auf 511 Eheschließungen kamen im Jahr 2020 365 Scheidungen – ein Verhältnis von gut 0,7, jeden Tag wurde im Schnitt ein Bündnis wieder aufgelöst. Zeit für einen Anruf bei Expertinnen für das Ende einer Ehe – zwei Leverkusener Scheidungsanwältinnen – und die Frage: Was sind Ihre Ratschläge, um eine Ehe am Leben zu erhalten?

Andrea Cornelsen ist seit 21 Jahren Fachanwältin für Familienrecht, Partnerin der Kanzlei Mauel und Kollegen in Opladen und betreut selbst geschätzte 3000 bis 4000 familienrechtliche Fälle jedes Jahr. Gefragt nach Ratschlägen für eine funktionierende Ehe, legt Cornelsen sofort los: „Man muss seine Eigenständigkeit bewahren und gewisse Freiheiten haben“, sagt die Rechtsanwältin. Es sei wichtig, dass Ehepartnerinnen und Ehepartner ihre eigenen Hobbys pflegen, „die schönen Dinge aber zusammen erleben“, so Cornelsen.

Abhängigkeit vom Partner vermeiden

Gehe die Eigenständigkeit verloren, könne das zu einem Abhängigkeitsverhältnis führen, sagt sie, „und das ist nicht gut.“ Das sei besonders häufig der Fall, wenn sich Eheleute sehr unterschiedlich entwickeln, wenn zum Beispiel einer von beiden voll berufstätig, der andere über Jahre zuhause sei. „Das kann dazu führen, dass man sich auseinanderlebt“, sagt Cornelsen. „Für das eigene Selbstwertgefühl ist es dann gut, wenn man eigene Bekannte, einen eigenen Freundeskreis und eigene Interessen hat.“

Noch besser sei es natürlich, wenn es gar nicht erst dazu komme, weil ein Gleichgewicht in der Beziehung herrscht, sagt die Opladener Juristin. Wenn aus einer Ehe ein Kind hervorgeht, bedeute das eine große Umstellung: „Das ganze Leben verändert sich“, sagt Cornelsen, da sei Gleichgewicht wichtig. Ihrer Erfahrung der letzten Jahre zufolge beteiligten sich zunehmend beide Ehepartner an der Kindererziehung: „Väter sind deutlich eingespannter als früher“.

Gemeinsame Ziele fallen plötzlich weg

Zum Scheitern einer Ehe komme es außerdem auch, wenn langjährige gemeinsame Ziele plötzlich wegfallen. Wenn der einzige Lebensinhalt neben dem Beruf und der Kindererziehung über einen langen Zeitraum zum Beispiel fast ausschließlich das Ziel war, ein Haus zu kaufen, zu renovieren und einzurichten, könne eine Leere entstehen, wenn das Ziel erreicht sei, sagt Cornelsen: „Dann ist häufiger zu sehen, dass die Beziehung unter dieser langen Belastung gelitten hat.“

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„Es ist sicher hilfreich, wenn man gemeinsame Rituale hat, sich fest für ein regelmäßiges Abendessen ohne die Kinder verabredet, einen Urlaub zu zweit macht oder als Paar ins Kino geht“, so Cornelsen.

2019 war Leverkusen auf Platz eins

Mit einer Scheidungsinzidenz von 70 pro 100 geschlossenen Ehen war Leverkusen im Jahr 2020 bundesweit auf Rang vier der anteilig meisten Eheauflösungen in Deutschland, wie das Informationsportal Betrugstest.com durch eine Analyse amtlicher Statistiken für 133 deutsche Städte kürzlich herausgefunden hat. Bundesweit stand die Scheidungsquote im ersten Corona-Jahr bei 0,39 – plus 17 Prozent gegenüber 2019. Unrühmliche Spitzenreiter waren Emden in Niedersachsen mit einer Rate von 0,78, gefolgt von Krefeld (0,72) und Ludwigshafen am Rhein (0,71). Gleichauf mit Leverkusen liegt Hannover.

„Ehevertrag!“, lautet die selbstbewusste Antwort der ebenfalls in Opladen tätigen Fachanwältin für Familienrecht Frauke Griesel im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“. „Trotz aller Liebe muss man sich den Tatsachen stellen“, sagt Griesel. Vor einer Hochzeit machten sich die Heiratswilligen endlos Gedanken über die Farbe der Eintrittskarten, über das Aussehen der Tore, aber was die Eheschließung eigentlich genau bedeute, „das wissen die Wenigsten“, so Griesel.

Wie soll die Ehe genau aussehen?

Und wenn sie auf einen Ehevertrag als Mittel für eine gute Ehe hinweise, dann meine sie damit vor allem, dass kommende Eheleute sich vor allem einmal genau fragen müssten, wie die Ehe denn genau aussehen soll, wer sich um die Kindererziehung kümmere, wie Streitigkeiten gelöst werden sollen, was im Falle einer Trennung passiert.

„Selbst wenn man friedlich und glücklich miteinander ist, stellt man schnell Differenzen fest, wenn man über alle Punkte, die eine Ehe ausmachen, einmal intensiv spricht“, sagt Griesel. „Aber man geht dann auch nicht mit falschen Erwartungen in die Ehe.“

„Dann heiratet man vielleicht gar nicht erst“

Wie soll ein Krach gelöst werden? Wenn es ein gemeinsames Haus gibt, wer darf darin wohnen, wenn doch die Trennung kommt? „Wer das bespricht, stellt bei manchen Sachen fest: Das gefällt mir gar nicht. Und dann heiratet man vielleicht gar nicht erst. Oder man kommt zu einer Lösung, die Unangenehmes vorwegnimmt. Das schafft Verlässlichkeit und Verbindlichkeit“, sagt die erfahrene Scheidungsanwältin.

„Ich sage Paaren, die zwecks eines Ehevertrags zu mir kommen: ‚Sie kommen hier Hand in Hand rein, aber Sie werden hier nicht Hand in Hand rausgehen. Und Sie werden sich in den nächsten zwei Wochen viel fetzen.’ Man geht bei einem solchen Termin an die innerste Feste einer Beziehung. Doch wer die Einzelheiten einer Ehe schon vorab bespricht, hat eine sehr solide Grundlage.“

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