Schlagzeuger bei Rausch und Cowboys on DopeSchlebuscher Drummer Wolly Düse überließ David Grohl seine Drums

In der Schatzkiste lagern die eigenen Werke. Bei Wolly Düse, der sich seit Jahrzehnten durch die Szene trommelt, gibt es beim Lauschangriff in Köln-Bickendorf viel auf die Ohren.
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Leverkusen – Wolly Düse heißt ja eigentlich Wolfgang Diese. Aber die Welt – zumal die der Musikfreunde – kennt ihn eigentlich nur als Wolly Düse. Und auch wenn dieser Wolly Düse mittlerweile in Köln-Bickendorf lebt, ist er doch einer der umtriebigsten Musiker der Nachbarstadt: Leverkusen.
Der heute 54-Jährige wuchs in der Schlebuscher Waldsiedlung auf und gründete in den 80er-Jahren die deutsche Indierock-Band Rausch sowie deren offiziell inoffiziellen Nachfolger Cowboys On Dope. Dies bedeutet wiederum: Wolly Düse hat etwas zu erzählen. Und genau das tut er, wenn er von seiner musikalischen Sozialisation spricht – und einen Einblick in seine Plattensammlung gewährt.
„Ich wurde musikalisch geprägt von meinen Eltern“, sagt er. Das ist ein Satz, den nicht viele Menschen von sich behaupten können, die in der Nachkriegszeit aufwuchsen. Denn in der Nachkriegszeit gab es zunächst einmal vor allem: Schlager, Schlager. Und Schlager. Zerstreuung war angesagt. Die Flucht in eine Welt, die nichts zu tun hatte mit dem Leid des Krieges. Gerade natürlich in Deutschland, wo große Teile der früheren Kultur im Sinne von Kunst zerstört worden waren. „Meine Eltern standen zunächst auf Jazz“, erinnert sich Wolly Düse. Aber einmal, das wisse er noch genau, seien sie von einer Party nach Hause gekommen und völlig aufgewühlt gewesen: „Da hatten sie zum ersten Mal Beat gehört“, sagt er und schiebt mit feierlicher Stimme und einem Augenzwinkern hinterher: „Sie waren zum Beat konvertiert.“
Es war der Startschuss für die Dieses inklusive Wolly Düse, den damals noch alle Wolfgang nannten: „Von da an haben wir einmal in der Woche den „Beatclub“ im Fernsehen gesehen – und hatten die Bude jedes Mal gerammelt voll“, erzählt er. Denn: „In der Waldsiedlung lebten sonst ja fast nur Spießer, die mit so etwas nichts zu tun haben wollten. Und deren Kinder kamen dann alle zu uns, um mitzuschauen.“
Hauptsache, ein bisschen krawallig, die Musik
Beat – das bedeutete natürlich vor allem Beatles. „Mein Vater kam eines Tages aus der Stadt nach Hause und präsentierte mit ausgestreckten Armen – so wie beim Hochrecken eines Pokals – »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« von den Beatles. Die hatte er gerade gekauft.“ Aber auch die zahlreiche Beatles-Ableger hierzulande hatten es den Dieses angetan. Natürlich. Hauptsache sie war schnell, zackig und ein bisschen krawallig, die Musik. Ein perfektes Sprungbrett für alles, was danach kam. Zum Beispiel Wolly Düses erstes Konzert: Emerson, Lake & Palmer in der Düsseldorfer Philipshalle. 1971 war das. Seine Eltern hatten schon im Jahr zuvor das „Progressive Pop Festival“ in Köln besucht und hinterher davon geschwärmt, bei dem Deep Purple, Procol Harum und T.Rex angetreten waren. Es war der musikalische Eingang in die 70er-Jahre, in denen es immer härter zuging – und in denen sich Wolly Düse nach und nach einen eigenen Musikgeschmack zurecht- und den Grundstein für seine Plattensammlung legte, die er quasi aus der Plattensammlung seiner Eltern hervorgehen ließ.
Da vertreten waren dann Black Sabbath. Led Zeppelin. Oder die deutsche Bluesrockband Spooky Tooth, deren Album „The Great Puff“ Wolly Düses erste selbstgekaufte Platte war. „Weil ich nur Geld für eine Scheibe hatte, musste ich mich per Münzwurf zwischen dieser und Led Zeppelins „III“ entscheiden.“ Und als er irgendwann im Jahre 1976 von einem Kumpel angerufen wurde mit dem Befehl, sofort vorbeizukommen, sollte sich sein Leben endgültig verändern: „Er hatte von irgendwoher die erste Platte der Sex Pistols bekommen und wollte mir die unbedingt vorspielen. Und diese Art von Musik, dieser aggressive Rock – den Begriff Punk kannte damals ja noch fast niemand – haute mich um.“ Stray Cats, The Clash, Dead Kennedys, Gang Of Four, AC/DC, Police folgten – und stehen heute noch bei Wolly Düse Zuhause.
Neben den Platten mit jener Musik, für die er seit Mitte der 80er-Jahre selber verantwortlich zeichnete – hauptsächlich als Schlagzeuger, manchmal aber auch als Gitarrist. Die bewahrt er in einem separaten Koffer auf. Ein dickes, silbernes Ding aus Aluminium, in dem Musiker gerne Gerätschaften unterbringen und in dem bei Wolly Düse CDs stehen von: Rausch, Cowboys On Dope, Syph, Extrabreit, News At Six und zig anderen Bands, in denen er als festes Mitglied oder für die er als Studio- oder Livemusiker jemals spielte. Hinzu kommen Soundtracks von Filmen wie „Storno – Todsicher versichert“ oder „Nicht mein Tag“ für die sich der renommierte Regisseur Peter Thorwarth die Cowboys On Dope als Musikmacher ausgesucht hatte. Wolly Düses Koffer – es ist eine Schatzkiste, in ein Stück der Musikgeschichte verborgen liegt.
Mit Rausch beim „Monsters Of Spex“
Denn man darf nicht vergessen: Mit Rausch hatte er richtig großen Erfolg. Die Band spielte mehrfach beim Bizarre-Festival, das in den 80er- und 90er-Jahren europaweit das größte Festival für alternative Musik war, sowie beim legendären „Monsters Of Spex“.
Und bei dieser Gelegenheit kreuzten sich sogar einmal die Wege von Wolly Düse und Nirvana: Die Band um Grunge-Ikone Kurt Cobain hatte ihren Auftritt verpasst, da sie wegen einer Drogenkontrolle zu lange am Flughafen festgesessen hatte. Rausch – die eigentlich nach den Amerikanern auftreten sollten – mussten vorher ran. Und als Nirvana dann endlich ankamen, musste es schnell gehen: „Sie hatten keine Zeit mehr, ihr eigenes Schlagzeug aufzubauen. Also spielte ihr Drummer Dave Grohl über meines, das ich stehen lassen musste. Und er zerlegte es komplett.“ Geld bekam Wolly Düse für das zerstörte Set nie. Und Dave Grohl ist heute als Frontmann der Foo Fighters einer der populärsten Rockmusiker auf diesem Erdball. Schräge Musiklebenswege. Aber Wolly Düse betont mit der Lässigkeit eines Cowboys On Dope: „Ich nehme es ihm nicht übel.“
Da hat er gar keine Zeit zu. Schließlich muss er immer weiter Musik machen – derzeit arbeitet er an seinem ersten Soloalbum, das „irgendwann nach meinem 55. Geburtstag erscheinen soll“, wie er sagt. Er tritt immer weiter und weiter mit den Cowboys On Dope auf. Er wird fürs Studio gebucht. Und manchmal, da kauft er auf Flohmärkten eben auch neue alte Platten, die ihn erinnern: an „Musik Koch“ in Wiesdorf, wo er sein Taschengeld für neue Platten ausgab. Und natürlich an den Beat und die Beat-Feiertage in der Waldsiedlung.