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SerieTraumberuf Erzieher

Lesezeit 5 Minuten

Lieder singen, spielen, trösten, aber eben auch erziehen – all’ das schätzt Hendrik Käseberg (hier in seinem Wohnzimmer in der Waldsiedlung) an der Arbeit mit Kindern.

LeverkusenHerr Käseberg, Sie sind 38 Jahre alt und arbeiten schon ihr halbes Leben als Kinderpfleger und Erzieher. Wie viel Kind steckt in Ihnen?

Henderik Käseberg: Ganz viel! In jedem von uns steckt noch ein Kind, da bin ich mir ganz sicher. Aber die meisten Menschen lassen es nicht raus, sondern benehmen sich sehr kontrolliert. Ich sage schon mal Kacke, da es ja eine natürliche Sache ist. Außerdem ist das doch ein Wortteil von Kaktus (lacht).

Wann haben Sie denn begonnen, sich für den Beruf des Erziehers zu interessieren?Käseberg: In meiner Jugend bin ich Skateboard gefahren und habe damit das Interesse der Kinder aus der Nachbarschaft auf mich gezogen. Mir machte es Spaß, ihnen das Skateboardfahren beizubringen. Da war mir schnell klar, dass ich mit Kindern arbeiten will.

Hendrik Käseberg, geboren 1973 in Leverkusen, ist Erzieher in der Kindertagesstätte „Kindertreff“ in Lützenkirchen, die von einem Elternverein getragen wird. In den vergangenen 19 Jahren hat er auch in Jugendeinrichtungen und einem Heim gearbeitet. Männliche Kollegen hat er dabei sehr selten gehabt, zu seinem Bedauern. Käseberg ermutigt junge Männer, die sich für die Arbeit mit Kindern interessieren, den Beruf des Erziehers zu ergreifen, und engagiert sich bei der Koordinationsstelle „Männer in Kitas“. (ana)

Hatten Sie Bedenken, dass Sie es als Mann im Erzieherberuf schwer haben könnten?Käseberg: Nein, denn ich hatte und habe unglaubliche Freude an diesem Beruf und bin unbeschwert an die Sache herangegangen. Aus meiner Familie gab es auch überhaupt keine Bedenken. Aber schon beim ersten Praktikum wurde ich nicht so richtig ernst genommen. In der Ausbildung war ich der einzige Junge, was die Mädels damals noch ganz lustig fanden. Heute sieht das anders aus.

Werden Sie von ihren Kolleginnen besonders behandelt, weil sie ein Mann sind?Käseberg: Als Mann im Kindergarten ist man halt derjenige, der mit den Kindern wild raufen und sich um den verstopften Abfluss kümmern soll. Das ist ja okay. Aber ich will auch derjenige sein, der ein Kind tröstet und in den Arm nimmt, wenn es weint. Andererseits erwarte ich auch, dass meine Kolleginnen flexibel sind und den Kindern mal zeigen, wie der Rasenmäher funktioniert. Und ich setzte mich auch gerne mit den Kindern in die Puppenecke, wobei mir dieser Begriff echt nicht gefällt.

Warum denn nicht? Haben Sie etwas gegen Puppen?Käseberg: Nein, überhaupt nicht. Aber in Kindergärten werden zu oft Rollenklischees bedient. Die Mädchen spielen in der Puppenecke oder in der Küche. Ich fände wertfreie Materialien in der Spielecke besser. Warum muss es denn ein Kochtopf sein?

Warum nehmen Sie denn die Jungs nicht mit in die Spielküche?Käseberg: Mache ich ja. Aber die Mädchen weisen ihnen immer dieselben Rollen zu. Die Jungs sind entweder der Papa, der arbeiten gehen muss, oder der Hund. Dabei nehmen doch immer mehr Männer Elternzeit und kümmern sich auch um den Haushalt. Das muss sich auch stärker in der Kita widerspiegeln. Unser Auftrag ist es schließlich, die Kinder geschlechtsneutral zu erziehen. Und trotzdem müssen wir schauen, wie die Kinder von zu Hause aus bereits in ihrem Geschlecht geprägt sind, um auch damit zu arbeiten.

Wie werden Sie als Mann von den Kindern wahrgenommen?Käseberg: Die Kinder merken natürlich Unterschiede zwischen Mann und Frau. Sie ziehen gerne an meinem Bart und stellen Fragen, zum Beispiel wenn ich auf die Toilette gehe. Ich finde das super, dass Kinder so viele Fragen stellen und neugierig sind. Manchmal weiß ich die Antwort auch nicht, aber dann machen wir uns halt auf die Suche und finden eine. Neulich wollten die Kinder wissen, welche Farbe Wasser hat. Die Kinder haben felsenfest behauptet, Wasser sei blau. Ich wollte sie nicht belehren und habe ihnen die Aufgabe mitgegeben, mal genau nachzuschauen, wenn sie im Urlaub sind. Nach den Ferien werde ich das noch mal thematisieren.

„Mehr Männer in Kitas“ heißt ein Programm der Bundesregierung. Warum gibt es Ihrer Meinung nach so wenige Männer, die eine Ausbildung als Erzieher machen?Käseberg: Das liegt zum einen natürlich an der schlechten Bezahlung. An der muss sich dringend etwas ändern. Zum anderen aber ist Erzieher in der Wahrnehmung der Gesellschaft immer noch ein Frauenberuf. Das ist aber Quatsch. Wenn man sich Erziehung in anderen Kulturen, zum Beispiel einigen afrikanischen Ländern anschaut, stellt man fest, dass dort die Männer zuständig sind. Es ist wichtig, dass wir junge Männer motivieren, diesen Beruf zu ergreifen.

Arbeitsministerin von der Leyen hat vorgeschlagen, dass ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen zu Erzieherinnen umgeschult werden. Was halten Sie davon?Käseberg: Ich bin da eher skeptisch. Bei diesem Vorschlag geht es doch nicht um eine bessere personelle Ausstattung der Kitas, sondern nur darum, Arbeitslosen einen Job zu verschaffen. Wir sollten uns lieber um diejenigen kümmern, die diesen Beruf ergreifen wollen. Diese Leute brauchen eine bessere Ausbildung, eine Professionalisierung und natürlich eine bessere Bezahlung, denn Kindertagesstätten sind Teil des Bildungssystems.

Sie selbst haben keine Kinder. Warum nicht?Käseberg: Bislang habe ich keine Kinder, und momentan habe ich auch keine Freundin. So gesehen habe ich mich halb freiwillig gegen Kinder entschieden. Dafür verreise ich aber viel. Ich bin neugierig auf die Welt, auf andere Kulturen, und ich denke, von meinen Reiseerlebnissen profitieren auch die Kinder, die ich betreue. Wir malen mit Farben, die ich aus Indien mitgebracht habe, oder ich zeige Bilder von der Chiquita-Bananenplantage. Außerdem ist es interessant zu sehen, wie die Welt mit Erziehung umgeht.

Das Gespräch führte Ana Ostric