Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

StadtradelnWie gut funktioniert der Umstieg aufs Rad für einen Leverkusen-Pendler?

Lesezeit 6 Minuten
Peter Seidel in Leverkusen auf dem Rad

Ankunft in Leverkusen: Der Autor als Radpendler

Mit der Bahn und dem Rad von Bonn-Beuel nach Wiesdorf pendeln – wäre das eine alltagstaugliche Alternative zur Fahrt mit dem Auto?

Dienstagmorgen, 8.25 Uhr: Ich verlasse das Haus in Bonn-Beuel bei Sonnenschein und milden Temperaturen. Ich fahre extra deutlich früher als sonst mit dem Rad zum Bahnhof in Beuel. Denn heute will ich mein Rad nicht auf dem Bahnhofsvorplatz an einem der ständig überbelegten Fahrradständer festketten und die Reise nach Leverkusen per Zug fortsetzen. Das Rad soll dieses Mal mit in den Zug. Bis Bahnhof Deutz/Messe. Von dort will ich per Rad nach Wiesdorf fahren.

Doch dafür muss ich trotz Deutschlandticket einen zusätzlichen Fahrschein kaufen. Und das Rad muss über die Behelfsbrücke zum Bahnsteig 2. Da ich aber nicht weiß, wie lang das alles dauert, plane ich ein paar Minuten mehr ein. Der heutige Weg zur Arbeit ist ein Test: Verkehrspolitiker reden mit Blick auf die in der Klimakrise nötige Verkehrswende immer gern vom „Modal Shift“. Mit dem englischen Begriff ist der Umstieg von einem klimaschädlichen auf ein klimafreundliches Verkehrsmittel, eben das Rad oder auch die Bahn, gemeint. Doch wie gut klappt es in der Praxis mit dem „Modal Shift“?

Den Termin hab' ich bewusst gewählt, denn auch die gerade in Leverkusen begonnene Stadtradeln-Aktion soll Kinder wie Erwachsene dazu animieren, sich mehr mit dem Fahrrad zu bewegen. Und wenn sich ein erwachsener Teilnehmer am dreiwöchigen Stadtradeln anschließend zum dauerhaften Umstieg aufs Rad entscheidet – auch und gerade für den Weg zur Arbeit – ist das absolut im Sinne der Erfinder.

Bahnhof Beuel, 8.33 Uhr: Das Lösen des Zugfahrscheins für meinen Drahtesel klappt am Automaten auf Gleis 1 ohne Probleme. 3,70 Euro muss ich für einen Weg zahlen. Hin und zurück, also 7,40 Uhr. Viel Geld für einen Fahrradtransport, denke ich. Würde ich mich entscheiden, jeden Tag mit dem Rad im Zug nach Köln-Deutz zu pendeln, wäre ein Monatsticket fürs Rad die Alternative. Das kostet 50,90 Euro, aufs Jahr betrachtet also etwa 610 Euro, pro Arbeitstag würden Kosten von etwa 2,40 Euro anfallen.

Ein Mann steht mit einem Fahrrad auf einem Bahnhof, im Hintergrund ein Güterzug.

Der Autor auf dem Beueler Bahnhof, wo der Zugabschnitt der Pendelstrecke beginnt.

Ich lasse die Rechnerei und wende mich der nächsten Herausforderung zu: Wie komme ich mit Rad auf Gleis 2 des Beueler Bahnhofs? Der Bahnhof wird seit Jahren umgebaut und saniert. Gleis 2 ist seit 2022 nur über eine acht Meter hohe Behelfsbrücke erreichbar. Im Juli 2024 hatte die Bahn nach vielen Beschwerden ein Einsehen und versah die Treppe mit provisorischen Aufzügen, um Menschen mit schwerem Gepäck oder Zeitgenossen, die nicht so gut zu Fuß sind, den beschwerlichen Weg über die vielen Stufen zu ersparen. Doch würde der Aufzug groß genug sein, um auch mein Rad aufzunehmen? Ich rufe ihn per Knopfdruck und stelle erleichert fest, dass er genügend Platz bietet, nachdem sich die Schiebetüren geöffnet haben.

Bahnhof Beuel, 8.47 Uhr: Die RB27 kommt pünktlich. Und ist zum Glück ziemlich leer. Wäre sie das nicht, hätte der Zugführer jederzeit das Recht, mein Rad von der Beförderung auszuschließen. Das erläutert mir Go-Rheinland-Sprecher Holger Klein später im Gespräch. „Das lässt sich nicht ändern. Vorrang haben die Fahrgäste, auch Menschen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer. Wir sind dazu da, Menschen zu befördern, nicht Gegenstände“, sagt Klein.

Der Zugführer habe das Hausrecht und könne die Mitnahme eines Fahrrads verbieten. Aus dem Dilemma, dass ein Fahrgast nicht 100 Prozent sicher sein kann, das eigene Rad im Zug mitnehmen zu können, komme man nicht raus, so Klein. Der Go-Rheinland-Sprecher verweist auf die Leihräder zum Beispiel der Wupsi, die auch am Bahnhof Leverkusen-Mitte stehen – und auf Falträder. Im zusammengefalteten Zustand gelten sie aus Bahnsicht als Gepäckstücke, dürfen in jedem Fall mit und kosten kein Extra-Ticket. 

Bahnhof Köln-Deutz/Messe, 9.20 Uhr: Der Zug ist pünktlich in Deutz angekommen. Was jetzt folgt, ist wohl einer der wichtigsten Gründe dafür, warum ein Bahnhof wie in Deutz beim „Modal Shift“ kaum eine Rolle spielt. Vom Bahnsteig geht es nur über Dutzende Treppenstufen in den Unterführungstunnel – oder per Rolltreppe, aber die ist bei meiner Ankunft blockiert und für den Transport eines Fahrrads außerdem nicht sonderlich geeignet. An der Situation wird sich wohl auch so schnell nicht ändern. Im Juni 2024 hieß es von Seiten der Deutschen Bahn auf Anfrage, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren Aufzüge zu den Gleisen 1/2, 4/5 und 7/8 gebaut werden, die sämtlich dem Regionalverkehr dienen. Zu sehen ist davon bisher nichts.

Ein Treppenabgang im Köln-Deutzer Bahnhof

Die größte Herausforderung auf dem Weg zwischen Beuel und Wiesdorf: Der Treppenabgang im Köln-Deutzer Bahnhof

Bahnhof Köln-Deutsch/Messe, 9.25 Uhr: Ich stehe am Ausgang Auenweg des Bahnhofs, nachdem ich mein Rad die Treppen heruntergewuchtet habe. Vor mir liegen 11,3 Kilometer Strecke bis zum Ludwig-Erhard-Platz, wo die Redaktion des „Leverkusener Anzeiger“ ihren Sitz hat.

Die Strecke führt mich über den Auenweg unter der Zoobrücke hindurch, und dann in Höhe des Mülheimer Hafens ans Rheinufer. Der Radweg endet in Mülheim vor einer Reihe Treppenstufen, um dort etwas oberhalb weiter entlang des Ufers in Richtung Leverkusen zu führen. In Stammheim-Süd knickt meine Route vom Ufer ab und führt dann über die Moses-Heß-Straße zur Kreuzung mit der B8. Dort angekommen, geht es immer geradeaus bis Wiesdorf.

Ein Umleitungsschild für Radfahrer und Fußgänger

Der Radweg an der B8 wird saniert. Das führt zu kleinen Umleitungen.

Der Radweg an der Bundesstraße ist überwiegend in passablem, streckenweise gutem Zustand. Weil er auf der Seite in Richtung Leverkusen zur Zeit saniert wird, müssen Radler schon mal die Straßenseite wechseln, so in Flittard zwischen Tor 11 und Otto-Bayer-Straße.

Wiesdorf, Ludwig-Erhard-Platz 1, 10.10 Uhr: Ankunft. Meine reine Fahrtzeit beträgt 85 Minuten, von Tür zu Tür war ich 105 Minuten unterwegs. Für etwa 40 Kilometer Strecke nicht gerade schnell. Mit dem Auto brauche ich 35, mit dem Zug 75 Minuten. Wenn alles gut geht. Bei Stau auf der Autobahn wird aus der guten halben schnell auch fast eine volle Stunde. Und mit der Bahn geschieht es mir immer wieder, dass ich statt 75 Minuten eher zwei Stunden und noch länger unterwegs bin. Unter dem Gesichtspunkt der Fahrtzeit ist also der Mix Bahn/Fahrrad für den Weg zwischen Beuel und Leverkusen zwar nicht Spitze, aber durchaus konkurrenzfähig zumindest im Vergleich mit dem Pendeln ausschließlich per Zug. Der „Modal Shift“ verursacht also keinen „Shift Headache“, keinen Umstiegs-Kopfschmerz, um im Sprachgebrauch der Verkehrspolitiker zu bleiben. Aber so richtig glatt läuft's auch noch nicht, wenn ich Bahn und Rad als Pendler kombiniere.


Anmelden fürs Stadtradeln noch bis 21. Juni möglich

Die Stadtradeln-Aktion läuft in Leverkusen noch bis einschließlich Samstag, 21. Juni. Wer den Einstieg am 1. Juni verpasst hat, aber jetzt dennoch gerne mitmachen möchte - allein oder im Team - kann das jederzeit über die Leverkusener Stadtradeln-Webseite tun. Bis zum 21. Juni ist es sogar möglich, sich zuvor im Aktionszeitraum gefahrene und dokumentierte Kilometer nachträglich gutschreiben zu lassen. Am einfachsten funktioniert das mit der Stadtradeln-App.

Bis Mittwoch, 4. Juni, hatten 1735 Radelnde beim Stadtradeln bereits 106.642 Kilometer zurückgelegt und damit den Ausstoß von 17 Tonnen Kohlendioxid vermieden. (ps)

https://www.stadtradeln.de/leverkusen