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Steuerparadies LeverkusenIn Hitdorf passen 29 Firmen in ein früheres Wohnhaus

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Im Haus Lohrstraße 81 in Hitdorf sind die Rollläden heruntergelassen. Aber es ist Sitz von 29 Unternehmen.

Unbenutzt wirkt das frühere Wohnhaus an der Hitdorfer Lohrstraße. Doch es beherbergt 29 Unternehmen.

Nachbarn wundern sich über ein offenbar nicht genutztes Gebäude an der Lohrstraße. Leverkusens Stadtverwaltung sieht das nicht als „Störung“ an. 

Die Namen auf den Briefkästen haben zum Teil höchst seriös klingende Namen: Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH oder Elektrizitätswerke Düsseldorf GmbH. Insgesamt stehen am 19. April 29 Firmen auf dem Briefkasten, manche von ihnen gehören zu Gruppen mit fast gleichlautenden Firmennamen. Die meisten kommen aus der Energie-, der Telekommunikationsbranche, aber auch aus dem Bau- und Investoren-Sektor. Geleert werde der Briefkasten manchmal von einer Service-Firma, haben Nachbarn beobachtet.

Das Haus mit dem großen weißen Briefkasten steht an der Lohrstraße 81 in Hitdorf. Nur ein Grundstück trennt das hell verklinkerte Haus von der Grundschule Sankt Stephanus. Es wirkt verlassen, fast tot. Die Rollläden sind heruntergelassen. Aus den Ritzen zwischen den Platten wächst Löwenzahn; ein Zeichen, dass der Weg zur Eingangstür nicht regelmäßig begangen wird. Das große Einfamilienhaus wirkt nicht wirklich verwahrlost, die Klingel ohne Namensschild scheint aber nicht zu funktionieren. Niemand öffnet die kupferne Tür, auch nicht, wenn man klopft. Keine der Firmen scheint ihren wirklichen Sitz an der Lohrstraße zu haben. Nicht einmal der Parkplatz vor der großen Garage wird genutzt: Der ist mit einer Kette verhängt.

250 Punkte Hebesatz wirken offenbar

Ohne die Leverkusener Gewerbesteuersenkung auf 250 Punkte im Jahr 2021 wären solche Unternehmenssitze wahrscheinlich nicht entstanden. Jetzt scheinen sich solche Gewerbenester im Steuerparadies Leverkusen mehr zu lohnen als die Vermietung.

Über Briefkasten-Firmen im großen Stil im Gewerbegebiet An der Fuchskuhl hatte der „Leverkusener Anzeiger“ schon berichtet. Aber Briefkastenadressen mitten im Wohngebiet? Ist es zulässig, dass Einfamilienhäuser leer stehen, weil sie als Standort für eine Briefkasten-Firmen benutzt werden?

Die Briefkästen mit vielen Firmenaufklebern in der Lohrstraße 81

Reich bestückt mit Firmenschildern sind die Briefkästen in der Lohrstraße 81.

Die Stadtverwaltung antwortet, eine pauschale Aussage, ob die gewerbliche Nutzung in einem Wohnhaus erlaubt ist oder nicht, ließe sich nicht machen. Die Zulässigkeit müsse „anhand des Einzelfalls beurteilt und auch interpretiert“ werden. An der Lohrstraße sind neben den Schulen außer Wohngebäuden auch der Versorgung dienende Läden, Gastwirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe und Bauten für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke erlaubt.

Die Nachbarn fühlen sich gestört

Ob an der Lohrstraße eine Störung, also ein Verstoß vorliegt? Die Frage beantwortet die Verwaltung nicht klar. Das Aufhängen von Firmen-Briefkästen könne man bauordnungsrechtlich nicht als Nutzung bewerten. Entscheidend sei, ob in dem Gebäude eine gewerbliche Nutzung betrieben werde, die dem Gebietscharakter oder den Regeln des Bebauungsplanes widerspricht. Das ist komplizierter als es sein müsste: Die Stadt hat sich bisher keine Wohnraumschutzsatzung gegeben, die auch solche Nutzungen erschweren könnte.

In der nicht auf Satzungen achtenden Nachbarschaft ist die Haltung klarer: Es gibt Anwohner, die sich durch das leere Haus mit knapp 30 Briefkasten-Firmen gestört fühlen.

Früher habe hier eine Familie gewohnt, sagt ein Nachbar. Der Inhaber habe kurz vor seinem Tod 2012 das ganze Haus in Schuss gebracht, Dach und Fenster ausgetauscht. Die Erben konnten sich anscheinend nicht einigen, zweimal soll eine Zwangsversteigerung angesetzt gewesen sein, erinnert er sich. Eine Nachbarin wundert sich, „dass sowas einfach geht“.

Vor einem Jahr etwa soll das Haus verkauft worden sein, sagt ein anderer Anwohner. Das Ganze sei jetzt sehr mysteriös, findet er. Die neuen Besitzer hätten sich nicht vorgestellt. Es sei ein Unding, dass das Haus auf diese Weise dem Wohnungsmarkt entzogen werde: „Und das bei der Wohnungsnot!“