Streit mit der LebenshilfeGebäude in Leverkusen verfällt wegen verfahrener Erbsituation

Angelika Schägner geht durch den Garten des Hauses, in dem sie ein Wohnrecht hat.
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Leverkusen – „…und am Ende der Straße steht ein Haus am See…“, das Lied, das diesen Sehnsuchtstraum ausdrückt, wurde ein großer Hit. Aber manchmal kommt es anders und ein Haus am See steht leer. So wie in Leverkusen, wo wegen einer verfahrenen Erbsituation ein Gebäude verfällt.
Der ehemalige Besitzer, Peter Steinacker, war kein Unbekannter: Der Fotograf und Lebenskünstler stammte aus einer Leverkusener Familie, die laut seiner ehemaligen Lebenspartnerin Angelika Schägner mit Kies und Sand handelte. Als Ergebnis blieb unter anderem der kleine Silbersee; der ist nicht öffentlich zugänglich, aber auf der Stadtkarte zu sehen. An dessen Ufer steht das besagte Haus, es war Peter Steinackers Elternhaus. Ein Idyll, obwohl vorne die viel befahrene Robert-Blum-Straße vorbeiführt. Ein Doppelhaus, mit Efeu bewachsen.
Der Fotograf Steinacker galt im positiven Sinne als Freak, als Sonderling. Im großen abschüssigen Garten stehen von ihm gebaute wunderliche Skulpturen, ein Kanu ragt hochkant aus der Erde. Schägner, die sieben Jahre bei ihm gelebt hat, steht im Garten, der langsam verwildert, und erinnert sich: „Das Haus war immer ziemlich offen, es kamen alle möglichen Leute her, und Peter hat auch viele hier wohnen lassen. Im Haus am See ging es nie um Kommerzielles oder ums Geldmachen, das war ein Platz zum Leben“. In der einen Hälfte wohnt heute eine junge Frau aus Kroatien. Die andere Hälfte – drei Zimmer, Küche und große Veranda mit Seeblick – steht leer.
Steinacker habe gewollt, dass die offene Atmosphäre nach seinem Tod bleibt. Und weil er keine Nachkommen hat, habe er das Haus der Stiftung Lebenshilfe vererbt; er kannte dort Leute, sagt Schägner. Die ehrenamtlich geführte Stiftung – zwar verbandelt, aber nicht zu verwechseln mit dem Verein Lebenshilfe – kümmert sich in Leverkusen um Geld, das der Verein Lebenshilfe für Wohnraum und Förderung von Menschen mit geistigen Behinderungen benötigt.
Uneingeschränktes Nutzungsrecht
Zugleich bekamen Schägner und eine zweite langjährige Lebenspartnerin Steinackers das uneingeschränkte Nutzungsrecht an einer Hälfte des Hauses zugeschrieben. Das gilt, so lange sie leben, danach fällt alles an die Stiftung.
Als Steinacker vor fast einem Jahr am 30. September 2014 im Alter von 72 Jahren seinem Herzleiden erlag, kam es, wie es kommen musste, wenn in einem Testament nicht alles felsenfest aufgeschrieben wird: Dann profitieren erstmal Rechtsanwälte. Das Testament nennt keinen spezifischen Zweck, dem das Haus unter der Verwaltung der Lebenshilfe dienen soll. Schägner sagt, er habe sich vorgestellt, dass in diesem heilsamen Lebensraum am See etwa ein Wohnprojekt oder so etwas entstehen könnte. Schägner: „Er dachte wohl: „Das läuft schon.“
Nicht für Wohngruppe geeignet
Kein Interesse an diesen Ideen hat offenbar die Stiftung Lebenshilfe. „Wir wissen nicht genau, was wir damit machen sollen“, sagt der Stiftungsvorsitzende Tim Mellage. Er und die anderen Mitglieder des Vorstands, der Arzt Jörg Ferber, das CDU-Mitglied Dietrich Volberg, Ex-Sparkassenleiter Uwe Krautmacher und der vielleicht kommende Büroleiter des Oberbürgermeisters, Ralf Johanns, arbeiten ehrenamtlich für die Lebenshilfe.
Für Zwecke wie eine Wohngruppe sei das Haus nicht geeignet, sagt Mellage. Man wolle auch nicht als Vermieter auftreten, damit sei man als Ehrenamtler überfordert. Das Haus sei in desolatem Zustand. Man müsse das Stiftungsvermögen schützen, da kämen Reparaturen auf den Vermieter zu. Am besten sei ein Verkauf, aber dagegen stünde das Nutzungsrecht der beiden Frauen: „Ohne das würden wir es veräußern.“ Das Haus mache ihm Bauchschmerzen, so Mellage. Inzwischen kümmert sich Schägner um die Haushälfte, für die sie das lebenslange Nutzungsrecht besitzt, damit sie nicht verkommt. Sie zahlt Grundstücksabgaben, entrichtet die monatlichen Abschläge für Strom und Gas, hat einen Dachdecker und Elektriker bezahlt. Sie sagt: „Die Lebenshilfe beteiligt sich nicht.“ Über die Gesprächsatmosphäre ist sie unglücklich.
Die Stiftung hätte das komplizierte Erbe auch ablehnen können, das allerdings habe man nicht gewollt, so Mellage, „weil bestimmt unterm Strich ein Vermögenszuwachs für die Stiftung zu erwarten war“. Die Frauen wollen von einem Verkauf aber nichts wissen. Sie graust die Vorstellung von einem Investor, der einen großen kalten Gebäudeklotz auf das schöne Grundstück stellt.
Schägner sagt, es tue ihr weh, dass die Haushälfte leer stehe. Vielleicht, so Schägner, könne man erreichen, dass jemand einziehen kann, damit das Haus belebt ist. Dem Augenschein nach wäre es mit der komplett eingerichteten Küche und den schönen Holzdielen fast sofort bezugsfertig. Könnte – aber im Haus am See beginnt es statt dessen muffig zu riechen.