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Erholungshaus„Tanzmainz“ hypnotisiert Publikum beim Leverkusener „Start“-Festival

Lesezeit 3 Minuten
Tänzer auf der Bühne

„Promise“ der Choreografin Sharon Eyal

Was passiert, wenn individuelle Körper sich zu einer pulsierenden Einheit verbinden und zugleich ihre eigene Freiheit bewahren? Sharon Eyals Choreografie „Promise“ im Leverkusener Erholungshaus hat es gezeigt.

Es gibt nur den Körper, den Klang und die Bewegung. Sharon Eyals Choreografie „Promise“ ist pure Essenz: Sie entkleidet den Tanz aller äußeren Ausschmückungen und konzentriert sich auf sein Innerstes – auf den Rhythmus, der im Körper pulsiert, auf die Dynamik, die ihn bewegt.

Sieben Tänzerinnen und Tänzer des Staatstheaters Mainz, in blauen Oberteilen und Strümpfen, treten in einen Lichtkreis wie ein Rudel Flamingos. Amber Pansters, Maasa Sakano, Cornelius Mickel und ihre Mittanzenden marschieren langsam nach vorn. Ihre Schritte sind von monotonen Beats getragen – ein Gleichschritt, der an archaische Rituale erinnert, an die Urgesteine von Gemeinschaft und Disziplin.

Zwischen Nähe und Auflösung

Doch das Bild bleibt nicht starr. Immer wieder lösen sich Einzelne aus dem Ensemble, provozieren Partnerdialoge, bevor sie wieder ins Rudel zurückkehren. Es entsteht ein stetes Flirren zwischen Auflösung und Zusammenhalt.

Eyal spielt dabei mit der Erfahrung unserer jüngsten Geschichte: Nähe und Distanz, Selbstbestimmtheit und soziale Integration. Die tänzerische Bewegung wird zur Metapher eines Versprechens: Niemand wird fallen gelassen, keiner bleibt ausgeschlossen, selbst wenn individuelle Wege möglich und notwendig bleiben.

Die Musik, von Ori Lichtik komponiert, schiebt sich wie eine stapfende Maschine durch die Choreografie. Sie pendelt zwischen treibenden Beats und zarten Klangflächen. In dieser Klanglandschaft bewegt sich das Ensemble wie eine einzige lebendige Masse. Die Performenden halten, schützen, fordern und begehren einander. Immer wieder formieren sich aus den Körpern fragile Herzformationen, nur um sich sogleich wieder aufzulösen – ein berührendes Bild für die Zerbrechlichkeit und Schönheit von Beziehungen.

Philippe Kratz mit „Unfolding“ zurück in seiner Heimat Leverkusen

Vor Eyals furiosem Hauptstück zeigt der aus Leverkusen stammende Philippe Kratz seine preziose Choreografie „Unfolding“. In nur rund zehn Minuten entfaltet er gemeinsam mit vier Ensemblemitgliedern eine kleine Studie von enormer Klarheit: Aus hochkomplexen Soli entwickeln sich kunstvoll verschlungene Gruppenbilder. Kratz' Anordnungen sind grafisch und präzise, sie verlangt ein hohes Maß an technischem Können und räumlicher Achtsamkeit. Seine Arbeit ist ein intensives Spiel mit Raum und Körperlinien – eine perfekte, feinsinnige Einstimmung auf die emotionale Urgewalt, die mit „Promise“ folgt.

Oft strecken die Tanzenden in „Promise“ die Hände gen Himmel – suchende, vom Mund ausgehende Gesten, die Fragen nach Transzendenz und Sinn aufwerfen: Gibt es eine höhere Ordnung, die den stampfenden Rhythmus des Lebens vorgibt? Mit der steigenden Intensität der Musik geraten die Bewegungen in eine fiebrige Ekstase. Der Gleichschritt der Gruppe löst sich mehr und mehr in individuelle Rauschzustände auf, ohne dabei die gemeinsame Grundspannung zu verlieren.

Das Publikum wird in diesen Sog hineingezogen, erlebt Momente der Trance und überschäumender Energie. Bis zur letzten Sekunde findet „Promise“ keinen ruhenden Punkt – als ob der Tanz nie wirklich enden könnte, als würde sein Puls weiter durch die Dunkelheit schlagen.