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Tiefe Trauer in Klassik gehüllt

Lesezeit 3 Minuten

Die Westdeutsche Sinfonia konzertierte unter Leitung von Dirk Joeres im Forum.

Der Abend des Totensonntags beginnt mit Ravel. Die Orchestersuite „Le Tombeau de Couperin“, das Grabmal des Couperin, erklingt im Forum – und der erste Satz erscheint überraschend sanft und verspielt. Märchenhafte Melodien entfalten sich in diesem Vorspiel und leiten über zur „Forlane“ im zweiten Satz, einem traditionellen Tanz, der Ravel als Inspiration diente. An diesem „Klassiksonntag“ spielt die Westdeutsche Sinfonia Leverkusen in gekonnter Brillanz auf. Themenvariationen wechseln sich in Soli ab, die Querflöte gibt an die Klarinette weiter, dann an die Oboe und das Fagott. Leichte Disharmonien sind spielerisch eingeflochten. Das „Menuet“ im Dreivierteltakt inszeniert die Kriegsschrecken und die Trauer des Ersten Weltkriegs, entstand das Werk doch in den Jahren 1914 bis 1920. Nicht nur das ganze Stück ist dem Komponisten François Couperin gewidmet, die einzelnen Sätze erzählen auch von im Krieg gefallenen Kollegen Ravels.

Die Kriegsschrecken klingen im geschickten Dialog von Crescendo und Decrescendo an. Es folgt ein plötzliches, vorwärtstreibendes Allegro, wieder begleitend von erzählenden Blasinstrumenten. Die Trauer bleibt in diesem Werk oft verschleiert.

Nach der Orchestersuite wird kurz umgebaut, in die Mitte der Bühne wird der Flügel geschoben, die Harfe weicht. Der nächste Programmpunkt ist Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur, und doch ist es das erste, das er komponierte.

Schnelle Finger auf den Tasten

Der 27-jährige Pianist Knut Hanßen bringt die schnellen Fingerläufe auf die Tasten, begleitet von einer eilenden Bassgruppe und beethovenischen Streicher-Sforzati. Die zufriedenen Melodien des zweiten Satzes enden mit hingehauchten einzelnen Tastenanschlägen, nicht wie traditionell im Tutti.

Hanßen lässt keine Hust-Pause für das Publikum zwischen Adagio und Rondo entstehen, das „Allegro molto“ stürmt los. Das Klavierkonzert entstand in den 1790ern und weist deutliche Anzeichen der Verehrung auf, die Ludwig van Beethoven Mozart entgegenbrachte. Später löste sich sein Werk nach und nach ab und entwickelte die heute so berühmten Eigenheiten. Bei anhaltendem Applaus gibt Knut Hanßen noch zwei Zugaben: Einen kurzen Beethoven mit über die Tasten fliegenden Händen und einen Bach mit kompliziert überspringender linker Hand. Hanßen scheint sich ausspielen zu wollen, zögert, eine dritte Zugabe zu geben – verbeugt sich dann aber nur zum Orchester.

Nach der Pause beschließt die Sinfonia mit Mendelssohn-Bartholdys Sinfonie Nr. 3 in a-Moll den Abend. Diese „Schottische“ entstand durch eine Reise Mendelssohns in Jugendjahren und weist Anlehnungen an außermusikalische Inhalte wie Volkslieder, Atmosphäre und Lokalkolorit auf. So entstand Mendelssohns „absolute Musik“.

Pianist Hanßen sitzt nun im Publikum und genießt die zweite Hälfte, die mit einem dramatischen „Allegro agitato“ beginnt. Die Streicher erzeugen Stürme und Wogen, die im zweiten Satz ergänzt werden von einer gedämpften Ruhe. Versöhnlich und sanft erscheint der dritte Satz, wenn auch durchbrochen von drohenden Bläsern. Eine bedrohliche Ruhe wird im Finale abgelöst von liturgischen Partien und einem strophenartigen Schluss.

Die Sinfonia besticht durch das Spiel mit der Dynamik, den Dialog von piano und forte, und messerscharfe Intonation. Seit über 30 Jahren vereint das Leverkusener Orchester Musiker aus zehn verschiedenen international renommierten Orchestern und tritt auf den Bühnen dieser Welt unter der Leitung von Dirk Joeres auf. Als der Schlussapplaus von den gut besuchten Rängen des Forums herunterschallt, übergibt Joeres seinen Blumenstrauß der Solo-Oboe im Orchester. Mit einer Geste macht diese jedoch klar: Die Blumen haben alle im Orchester verdient.