Wladimir Kaminer im Opladener „Scala“„Man muss lernen über so etwas zu lachen“

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War zu Gast in Leverkusen: Autor Wladimir Kaminer.

Leverkusen – Die Liebe – seitdem die Menschheit denken kann, beißen sich zahllose Künstler, Autoren und Poeten an ihr die Zähne aus und machen sie zum Herzstück ihrer Kunst. Es scheint immer wieder neue Wege zu geben, sie zu interpretieren.

Das dachte sich vielleicht auch Wladimir Kaminer, als er sein jüngstes Buch „Liebeserklärungen“ schrieb. Über Jahre hinweg habe er Liebesgeschichten gesammelt, bei denen das Tragische mit dem Komischen verschmelze, erzählte er am Donnerstag seinem Publikum im Scala in Opladen. „Man muss lernen über so etwas zu lachen, sonst endet man in einer Sackgasse“, sagt Kaminer.

Er philosophierte über die Partnersuche, über Singlebörsen und Online-Dating, das durch einen Algorithmus schon die Vorauswahl nach politischen Einstellungen und Ernährungsgewohnheiten für den potenziellen perfekten Partner trifft.

Zwischen Deutschland und Russland

Der gebürtige Russe aus Moskau war 1990 nach Berlin gekommen und geblieben. Kaminer spielte im Scala gekonnt mit kulturellen Klischees und erheiterte das Publikum mit seinen Schilderungen über Deutschland und was „Deutsch sein“ heißt aus der Perspektive eines russischen Flüchtlings. „Mir wurde damals von einem Versicherungsvertreter erklärt, dass organisches Leben in Deutschland ohne Haftpflichtversicherung eigentlich nicht möglich sei“, erzählte er.

Die kulturellen Gegebenheiten und Unterschiede zwischen Russland und Deutschland sind daher häufig Kern seiner Erzählungen, wenn er aus dem Nähkästchen seines deutsch-russischen Familienlebens plaudert. Am Ende des Abends wussten die Zuschauer viel über Kaminers 88-jährige Mutter, die viel zu laut russische Telenovelas im Fernsehen schaut und über seine Tochter, die in Berlin Gender Studies studiert, blau-grün gefärbte Haare und Piercings hat und seine schärfste Kritikerin zu sein schein.

Vor allem seinen Sohn Sebastian zog der Autor durch den Kakao, den die Familie mit Ach und Krach vor zwei Jahren durch das Abitur gebracht hat, der mit 20 Jahren zwar keine Zukunftspläne habe, aber sehr gut Müll trennen könne und eine Affinität zu asiatischem Essen und dem chinesischen Philosophen Lao Tse habe, den er gerne und häufig an gegebener Stelle zitiert – und Kaminer damit in den väterlichen Wahnsinn treibt.

Exkurs in die russische Politik

Neben den Kurzgeschichten aus seinen Büchern machte Kaminer einen kurzen Exkurs in die russische Politik. „Die russische Politik ist die Meisterklasse im Hütchen Spiel“, erklärte er die aktuelle politische Situation in Russland und nimmt die Politiker auf die Schüppe.

Auch die russische Geschichte lässt er nicht aus, als zu Zeiten von Gorbatschows Perestroika die russische Bevölkerung durch den deutschen Erotikfilm „Unterm Dirndl wird gejodelt“ in tiefe Nachdenklichkeit gestürzt wurde. Das Schmuddelfilmchen, das im Russischen etwas ungelenk mit „Geräusche aus dem Rock“ übersetzt worden sei, habe die Russen realisieren lassen, dass es unmöglich sei im Sozialismus weiter zu leben.

Danach sei das Land auseinandergefallen, erklärte Kaminer seine eigene Version über das Ende der Sowjetunion. Mehr als zwanzig Bücher hat der Spiegel-Bestseller Autor bereits veröffentlicht und sein deutsch-russischer Alltag scheint ihm eine nicht versiegen wollende Quelle an Inspiration zu sein – ein neues Buch sei nämlich bereits in Planung.

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