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Wortgewitter mit kritischer Lyrik

Lesezeit 2 Minuten

„Ich freue mich, hier zu sein, in meinem Lieblingsscala, in meinem Lieblingsopladen, auf meiner Lieblingsrheinseite!“ So beginnt Wilfried Schmickler grundehrlich seinen Auftritt in Leverkusen. Die Veranstaltung wurde von Ende Oktober verschoben, endlich kommen auch die Opladener in den Genuss von Schmicklers aktuellem Programm „Es gibt kein Zurück“, das Ende November schon im WDR Fernsehen lief. Der Scala Club ist voll besetzt.

Zwei Stunden lang gibt es Wortgewitter und kritische Lyrik vom Feinsten, teilweise so gewohnt Schmickler-schnell, dass es im Publikum gespannt still wird und manch einer im Bemühen, mitzukommen, das Ohr in Richtung Bühne dreht. Das ist nicht einfach lustige Berieselung, das sind nicht einfach Witze, das ist eine zum Mitdenken und Nachdenken anregende Herausforderung. Der selbsternannte Smartphone-Verweigerer warnt vor der Versklavung durch die Internetriesen und bringt ein Gedicht gegen „Datenklauer“ an. Über die AfD ergeht eine Schimpftirade mit gewählten Flüchen – auch wenn dies kontraproduktiv sei, sein Schmähzentrum werde in diesem Fall leider zu schnell aktiviert.

Die Regierungspolitiker bekommen nach und nach wort-gewandt ihr Fett weg, von Merkel als eine „lahmende Ente im randalierenden Hühnerhaufen“ bis hin zu Seehofer als „Ladenhüter über dem Verfallsdatum“, der selbst als Ausstellungsstück ins Heimatmuseum gehöre. Schmickler erwäge derweil, selbst eine Partei zu gründen, die anstatt eines Programmes einen Verbotskatalog aufstelle: keine Waffen, keine Massentierhaltung, kein Glyphosatstreuen, keine rassistische, nationalistische, fremdenfeindliche Propaganda.

Wilfried Schmickler holte sein Oktober-Gastspiel in Opladen nach.

Ernste Passagen lockert der gebürtige Hitdorfer mit Gedichten auf, die ihn teils fast irgendwo in der Nachfolge Heinz Erhardts verorten lassen. Extra Applaus gibt es immer wieder für Feststellungen zum Zustand der Welt und für Forderungen, wie dieser zu verbessern sei – zum Zustimmen ist der Zuschauer gerne bereit.

Auch Lieder gibt Wilfried Schmickler im Scala zum Besten. Die Tanzbewegungen sind ganz ulkig anzusehen, das Singen hätte er vielleicht auch lassen können. Dann geht es weiter mit der Mischung aus Lyrik und Hetze, die die Kunst des Mitternachtsspitzen-Kabarettisten auszeichnet. Von der FIFA und der Weltmeisterschaft in Qatar („Advent, Advent, der Strafraum brennt“) geht es zum „öffentlich-rechtlichen Schnarchprogramm“ und weiter zur „Generation der selbstoptimierten Ego-Shooter“ mit dem „Niveau-Limbo“ der Influencer. Auch „Vorschläge zur Verschönerung der Welt“ gibt Schmickler seinem Publikum mit, darunter: „Gehen Sie in sich, bevor Sie aus sich rausgehen“.

Das mehrfache Ab- und Auftreten zum Schlussapplaus spart sich der 65-Jährige dankbarerweise, es gibt noch ein paar irre Wortreihen zum Schluss, und noch auf dem Heimweg hat man das humorige Schnarren seiner Stimme im Kopf.

Wilfried Schmickler

zur Fußball-WM in Qatar