Wenn eine Kuh stirbtNirgends kostet die Beseitigung so viel wie in Rhein-Berg und Leverkusen

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Kühe saufen Wasser aus einer Tränke.

Kühe an einer Tränke (Symbolbild)

Der Tod von Stalltieren ist teuer in NRW. Das trifft auch Landwirte in Leverkusen und Leichlingen.

In der konventionellen Milchviehhaltung werden Milchkühe zwischen fünf und sechs Jahre alt. Dann kommen sie zum Schlachter, weil sie nur in dieser kurzen Zeitspanne ihre maximale Milchleistung erbringen. Allerdings gibt es inzwischen viele Bauern, die ihre Kühe länger halten. Damit steigt natürlich das Risiko, dass eine Kuh auf dem Bauernhof eines natürlichen Todes stirbt. Und auch junge Milchkühe verenden mitunter im Stall oder auf der Weide. So ein totes Tier allerdings verursacht hohe Kosten. In NRW sind diese Kosten zudem so hoch, wie nirgends im gesamten Bundesgebiet.

Landwirtin Isabelle Hielscher weiß davon zu berichten. „Wenn bei uns eine Kuh verendet, kostet uns das 300 Euro“, erzählt die junge Frau, die in Leichlingen-Witzhelden mit ihrer Familie einen Milchviehbauernhof betreibt. „In anderen Regionen zahlen Landwirte in solchen Fällen einen kleinen Obolus“, so Hielscher weiter. Eine Freundin aus Ostfriesland, gleichfalls Milchbäuerin, habe nur einen Centbetrag zu entrichten, erzählt sie aus der Erinnerung von einem Gespräch mit der Landwirtin in Niedersachsen.

Die Nachfrage dieser Zeitung Landwirtschaftsministerium in Düsseldorf ergab, dass in NRW die Kreise und kreisfreien Städte Unternehmen für die, wie es im Amtsdeutsch heißt, Verarbeitung tierischer Nebenprodukte, vertraglich beauftragen, Tierkadaver zu beseitigen. Das Land selbst hat folglich auch keine Übersicht darüber, wie viel diese Beseitigung in den einzelnen Kreisen und Städten kostet. Der Rheinisch-Bergische Kreis wiederum bestätigte Hielschers Angaben. Die Pressestelle teilte mit, dass von Tierbesitzern zunächst 25 Prozent der Kosten für die Beseitigung von Tierkadavern erhoben.

Und weiter: „Die verbleibenden Kosten tragen die Kreise und kreisfreien Städte. Dies gilt jedoch nur bis zu einem Betrag von 640 € der jährlichen einzelbetrieblichen Gesamtkosten für die Beseitigung von Falltieren. Darüber hinaus hat der Tierbesitzer die Kosten für die Beseitigung von Falltieren vollständig selbst zu tragen.“ Sprich: Ab der dritten toten Kuh wird's für den Landwirt im Kreis richtig teuer.

Leverkusen nennt keine konkreten Zahlen

Das gilt in Leverkusen ebenso. Die Stadtverwaltung will zwar auch auf Nachfrage keine konkreten Summen nennen, die Landwirte für die Entsorgung einer toten Kuh zu tragen haben, und spricht nur von einem mittleren dreistelligen Betrag, die ein Milchviehbauer ab der dritten toten Kuh im Jahr zu zahlen hat. Informationen dieser Zeitung zufolge geht es um etwa 370 Euro. Diese Kosten fielen seit einer Neuregelung im Jahr 2015 für die Milchviehhalter an, teilte die Stadt Leverkusen noch mit.

Grafik Tierkörperbeseitigung

Grafik Tierkörperbeseitigung

Tatsächlich hatte die rot-grüne Regierung die Kostenregelung für verendete Kühe, Schweine, Schafe und Pferde, im Fachjargon Falltiere, geändert. Der grüne Landwirtschaftsminister Johannes Remmel sorgte dafür, dass die Entsorgungskosten für die Landwirte um ein Mehrfaches stiegen, indem er den Deckel von 640 Euro pro Hof und Jahr einführte. Zuvor hatten Kreise und kreisfreie Städte grundsätzlich immer 75 Prozent der Entsorgungskosten übernommen, unabhängig von der Frage, wie viele Tiere auf einem Hof verendeten.

Remmel verteuerte die Entsorgung toter Hoftiere

Remmel sorgte so dafür, dass der Abhol- und Entsorgungsservice der beauftragten Unternehmen in NRW konkurrenzlos teuer wurde, verglichen mit allen anderen Flächen-Bundesländern. Nur in Thüringen  – 152,22 Euro – und Sachsen-Anhalt – 161,85 Euro – müssen die Landwirte gleichfalls dreistellige Summen zahlen, wenn es einen Kuhkadaver auf ihrem Hof abzuholen gibt. In Niedersachsen und Baden-Württemberg sind dagegen pro Tier nur wenige Euro fällig, wie eine Umfrage dieser Zeitung ergab.

Isabelle Hielscher erläutert, was passiert, wenn auf dem Hof der Familie eine Kuh verendet ist. „Wir melden das über eine App der Firma Sekanim und teilen dabei zugleich mit, wie alt das Tier ist, also ob es ein Kalb bis sechs Monate Alter ist oder ein älteres Tier. In der Regel kommen die Mitarbeiter von Sekanim dann einen Tag später und holen das Tier ab.“ . Bis dahin liege der Kadaver, mit einer Plane abgedeckt, auf einem betonierten Platz. Sekanim ist eines von drei Unternehmen, die sich das Geschäft mit verendeten Tieren aus der Landwirtschaft aufteilen

Ich stand heulend neben unserem Tierarzt, als wir letztens eine junge Kuh verloren haben
Isabelle Hielscher, Landwirtin aus Leichlingen

Für Hielscher ist der Abschied von einem Tier, das viele Jahre lang auf ihrem Hof gelebt hat, eine emotionale Angelegenheit. „Natürlich ist man traurig, wenn unsere älteste Kuh nicht mehr da ist.“ Aber Tränen vergießt sie in solchen Fällen nicht nur aus Trauer: „Da ist auch mal Frust dabei. Ich stand heulend neben unserem Tierarzt, als wir letztens eine junge Kuh verloren haben, die einfach nicht mehr auf die Beine kam. Wir haben es anderthalb Wochen versucht, aber es hat nicht geklappt. Das ist dann auch ein zusätzlicher Kostenfaktor wegen der Zeit, die wir mit dem Tier verbringen, der Medikamente, die der Tierarzt ihm gibt.“

Die junge Landwirtin bringt auf die Palme, dass die Unternehmen in der Tierkörperverwertung sich nicht nur ihre Dienstleistung bezahlen lassen, sondern mit der Verwertung der Kadaver, aus denen zum Beispiel Biogas gewonnen wird, noch zusätzlich Geld verdienen. Aus den Überresten von Kühen werden Fette für die chemische Industrie, Dünger und Bestandteile für Schwarzpulver gewonnen. „Es ist eine Unverschämtheit, dass wir als Landwirte in NRW für die Tierkörperbeseitigung so viel zahlen müssen.“