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Tierpark ReuschenbergVom Problembären zum Liebling

Lesezeit 4 Minuten

Leverkusen – Bär und Mensch – das ist eine besondere Beziehung. Wahrscheinlich seit es Menschen gibt, fühlen sie sich von dem flauschig-tapsigen Pelztier angezogen. Andererseits erzeugt das große Tier aber auch gehörige Angst und Schaudern. Die Mischung ist es wohl, weshalb es in vielen Völkern Mythen und Kulte mit Bären gibt.

Auch im „Volk“ der eingeborenen Leverkusener. Hier gibt es einen Bärenmythos, den von Bobby, dem großen Grizzlybär. Dessen Tod jährt sich in diesem Jahr zum 40. Mal, er starb eines gewaltsamen und unwürdigen Todes. So trostlos sein Leben in zu kleinen Käfigen auch gewesen sein mag, darf er dennoch als das Gründungstier des Tierparks Reuschenberg gelten: Durch seine Existenz zwang er die Verwaltung, den Bau des Wildparks erheblich zu beschleunigen.

Der riesige Grizzly Bobby und der Zirkusdompteur im Ruhestand Karl Groner hatten sich zunächst in Mathildenhof niedergelassen. Später siedelte man den Bären in den neuen Wildpark um.

Der Bär lebte zunächst in Fettehenne. Sein Besitzer war ein gealterter Dompteur, der keinem Zirkus mehr angehörte, sondern mit seinem Haustier durch die Welt zog. Der Zirkusmann hieß Karl-Peter Groner, er muss um die 70 Jahre alt gewesen sein. Neben seinem richtigen Namen kursierten mehrere Künstlernamen, mal nannte sich der drahtige Mann Cary Croner, mal Carry del Croome, in einem anderen Zeitungsartikel auch Carry del Cromé-Grono. Ein äußerst schwieriger Charakter sei der Dompteur gewesen, so heißt es übereinstimmend.

Ein Mini-Knast auf einem Laster

Was er besaß, war ein alter Lastwagen mit einem Käfig auf der Ladefläche, nur zweimal vier Meter groß, darin der riesengroße Grizzlybär. Ein Mini-Knast – nicht nur aus heutiger Sicht, aber über Tierschutz wurde in den 70er-Jahren noch kaum geredet.

Cary Croners erster Standort in Leverkusen war Mathildenhof. Er campierte neben der B51 nahe der Einmündung Tempelhofer Straße und ließ sein gezähmtes, fünf Zentner schweres Pelztier an einem Lederhalsband gerne auch mal außerhalb des Käfigs laufen. Als die Stadtverwaltung von diesen Freigängen Wind bekam, standen den Beamten die Nackenhaare zu Berge. Das war der Zeitpunkt, an dem Bobby für das Leverkusener Ordnungsamt zum Problembär wurde. Der damalige Ordnungsamtsleiter Felix Keil erinnert sich: „Da standen die Kinder im Kreis und der Dompteur führte seinen Bären am Halsband vor. Der Anblick war für mich nicht auszuhalten.“ Für ihn war es nur eine Frage der Zeit bis etwas passieren würde: „Nicht auszudenken, wenn der ein Kind getötet hätte!“

Ein solider Käfig im Wald

Man stand vor einer schwierigen Entscheidung. Groner mit amtlichem Druck zum Weiterziehen zu zwingen, hätte das Problem in eine andere Stadt verlagert, sagt Keil. „Wem wäre geholfen gewesen, wenn es dann woanders einen Unfall gegeben hätte?“ Also nahm eine andere Idee Gestalt an: Seit 1955 wurde in Opladen und Leverkusen über den Bau eines kleinen Tierparks debattiert. Anfang der 70er-Jahre hatte man sich immerhin auf den Wald am kurz zuvor abgebrochenen Reuschenberger Schloss geeinigt. Zu einem Ratsbeschluss konnten sich die Volksvertreter aber bis dahin nicht durchringen – trotz einer aus heutiger Sicht beeindruckend guten Kassenlage. Nun war der Bär unterzubringen und man beschloss, dass ein solider Käfig im Reuschenberger Wald der sicherste Ort für das Tier sei. Mit eigenem Schwimmbad, wie es in einem Pressebericht hieß.

Man verhandelte mit dem schwierigen Zirkusmann. Das Ordnungsamt schuf ihm einen Platz im Tierpark nach dem damals üblichen Standard, neunmal sechs Meter groß. Der Grizzly blieb im Eigentum des Dompteurs, der jeden Monat 250 Mark Verpflegungsgeld aus der Stadtkasse für Bobby erhielt. Das sollte selbst für ein so großes Tier reichen. Groner sollte mit auf den Reuschenberg ziehen; das Herumgetappse außerhalb des Käfigs habe zu unterbleiben. Fürs Ordnungsamt war das Ziel erreicht. Der Bau des Käfigs wurde zu einem Gemeinschaftsprojekt: Den Stahl stifteten die Wuppermann-Werke, die Rohre und Stahlträger schweißten Feuerwehrleute in der Hauptfeuerwache zusammen und die Freiwillige Feuerwehr Bürrig transportierte den neuen Zwinger auf den Reuschenberg und stellte ihn auf. Der Bär wurde zu einem frühen Publikumsliebling im neuen Wildpark. Aber schon 1975, ein Jahr nach dem Umzug, kamen neue Probleme auf. Groner forderte mehr Geld für Futter, Pflege, Reinigung. Und er verstand es, die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu formen, erinnert sich Keil, der aber dennoch nicht auf die Forderungen des schwierigen Dompteurs einging. Am 3. September 1976 endet die Geschichte jäh. Es ist wieder ein Jahr später, die Forderungen wurden den Überlieferungen nach nicht erfüllt.

Gift im Futter

Das Sterben dauerte mehr als einen Tag. Es war klar: Bobby hatte vergiftetes Futter bekommen. Gegenseitige Schuldzuweisungen folgten. Der Dompteur vermutete ein amtlich betriebenes Komplott; nicht wenige hielten Groner selbst für den Übeltäter. Laut Zeitungsbericht hatte er in einem Brief an seinen Rechtsanwalt eine Täterbeschreibung geliefert. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: Den Brief hatte er nachweislich zu früh geschrieben, nämlich noch vor dem Tode des Bären. Eine Obduktion, zunächst von Groner gefordert, ließ er dann doch nicht mehr durchführen. Auch eine angekündigte Anzeige stellte er nicht. Der Bär kam in die Tierkörperverwertungsanstalt; der Verbleib Groners ist nicht dokumentiert.