Dr. Thomas Aßmann zum Coronavirus„Wir sind an einem kritischen Punkt“

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Nur unter Vollschutz untersucht Dr. Thomas Aßmann Patienten, die sich möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert haben. Foto: Lenzen

Nur unter Vollschutz untersucht Dr. Thomas Aßmann Patienten, die sich möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert haben. Foto: Lenzen

  • Dr. Thomas Aßmann ist Internist in Lindlar und Katastrophenmediziner.
  • Schon vor Wochen forderte der Mediziner eine Schließung aller öffentlichen Einrichtungen. Doch für seine Aussagen wurde er belächelt.
  • Wie es nun in seiner Praxis und allgemein in Deutschland weiter geht und wann mit dem Höhepunkt der Corona-Krise zu rechnen ist.

Dr. Thomas Aßmann ist Internist in Lindlar und Katastrophenmediziner. Über die Maßnahmen gegen eine immer schnellere Ausbreitung des Coronavirus sprach Stefan Corssen mit ihm.

Herr Aßmann, sie haben bereits vor zwei Wochen einen „shut down“, also ein Schließen aller öffentlichen Einrichtungen, gefordert, um die rasante Ausbreitung des Coronavirus abzubremsen. Wie waren die Reaktionen?

Ich bin von vielen belächelt worden. Ich wünschte mir allerdings, ich hätte nicht recht behalten. Als Ärzte war für uns aus Erfahrung klar, was kommen würde, wenn man nicht schnell handelt.

Sind denn die jetzt getroffenen Maßnahmen – also das Schließen von Kindergärten, Schulen und öffentlichen Einrichtungen – die richtigen Schritte? Gehen die Maßnahmen weit genug?

Ich denke, es ist nur noch eine Frage von wenigen Tagen, bis auch Restaurants, Cafés und Bars geschlossen werden. In den ersten Wochen nach Auftreten des Virus in Deutschland ist die Zahl der infizierten Personen linear angestiegen, also relativ langsam. Wir sind jetzt an dem kritischen Punkt, wo daraus eine Exponentialkurve wird, die Fallzahlen steigen rasant an. Wir müssen wirklich alles tun, um diese Entwicklung zu verzögern und die Kurve abzuflachen, sonst steuern wir einer Katastrophe entgegen, weil die Zahl der Krankenhausbetten und der Beatmungsgeräte irgendwann nicht mehr ausreicht. Wenn aber die Kurve flacher verläuft, dann können wir die gleiche Anzahl von Patienten nacheinander, über einen längeren Zeitraum hinweg, behandeln.

Was konkret unternehmen Sie in Ihrer Praxis?

Wir sind jetzt im Krisenmodus. Ab sofort findet in meiner Praxis nachmittags eine Infektionssprechstunde statt, die wir in Vollschutz durchführen. Die „normalen Patienten“ behandeln wir dagegen am Vormittag. Es kann also vorkommen, dass wir Patienten wegschicken müssen. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist noch die Frage der Kinderbetreuung. Ich brauche jede meiner Mitarbeiterinnen. Nach derzeitigem Stand gibt es eine Kinderbetreuung aber nur dann, wenn beide Eltern in Schlüsselpositionen arbeiten. Das wird dazu führen, dass uns Mitarbeiter ausfallen. Das geht gar nicht, hier muss nachgebessert werden.

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In anderen Ländern, wie etwa in Österreich, werden schon Ausgangssperren verhängt. Kann so etwas auch auf uns zukommen?

Das hängt davon ab, wie sich die Lage in einigen „hot spots“, also Städten oder Kreisen mit besonders vielen Infizierten, entwickelt. Sollten zum Beispiel in Köln die Zahlen deutlich schneller ansteigen als anderswo, wäre das durchaus denkbar. Was auch wichtig wäre, auch wenn das nicht populär ist: Alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, müssten in einer 14-tägige, robuste Quarantäne genommen werden.

Was glauben Sie, auf welchen Zeitraum müssen wir uns einstellen? Wann haben wir das Schlimmste überstanden?

Wenn wir es schaffen, die Höchstzahl an Infektionen bis auf Juni oder Juli zu verzögern, dann denke ich, dass wir etwas Licht am Ende des Tunnels sehen. Wenn wir den Höhepunkt der Neuinfektionen aber schon im Mai erreichen, dann wird es sehr kritisch.

Gibt es etwas, womit Sie den Menschen ein bisschen Mut machen können?

Aber ja. Wir müssen alle wieder lernen, mehr Solidarität zu zeigen, indem wir den Nachbarn und den Schwachen helfen und füreinander einstehen. Das Virus könnte uns helfen zu zeigen, worauf es wirklich ankommt.

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