Mütterkaffee muss ausfallenBruch mit 50-jähriger Engelskirchener Tradition

Wehmütiger Blick von Anni Mester zurück ins jecke 2020, als der Mütterkaffee noch über die Bühne gehen konnte
Copyright: Siegfried-Hagenow
Engelskirchen – Was haben sie nicht alles erlebt, die drei ältesten Mütter Anni Mester, Gisela Bergfelder und Maria Heß, die seit mehr als 50 Jahren jedes Jahr den Saal voller jecker Wiever in Engelskirchen zum Kochen bringen, und das sogar drei Mal hintereinander!
Der Mütterkaffee der Katholischen Frauengemeinschaft bringt insgesamt über 1200 Frauen zum Schunkeln und Singen. 22 Aktive zwischen Mitte 20 und Mitte 80 wirbeln über die Bühne, mal als Aliens, dann als Flamenco-Tänzerinnen oder Indianer, sorgen in der Bütt für Lachsalven, schlüpfen in Rollen und Kostüme und nehmen wie im vergangenen Jahr das karnevalsverrückte Publikum mit auf eine turbulente Kreuzfahrt um die Welt. Pralle fünf Stunden Spaß am laufenden Band, alles selbst gemacht. Normalerweise.
Letzte Chance auf die digitale Bühne
Ein karnevalistisches Bühnentalent schlummert in Ihnen? Oder Sie kennen jemanden der als Sänger oder Redner unbedingt auf die Bühne sollte? Mit „Oberberg bliev jeck“ suchen wir Oberberger, denen wir in dieser komischen Session eine ganz besondere digitale Showbühne bieten wollen.
Bis Freitag, 22. Januar, kann jeder, der sich für jeck genug hält, uns ein Video von seinem Auftritt schicken. Melden Sie sich bitte per E-Mail unter
redaktion.oberberg@ksta-kr.de oder unter (0 22 61)
92 89-0.
Am Donnerstag, 12. Februar, 11.11 Uhr – an Weiberfastnacht, also – zeigen wir unter ovz-
digital.de unsere große Karnevalsshow – streng corona-konform und trotzdem mit digitalen Auftritten, die einfach nur Spaß machen sollen. (r)
„Jetzt wäre die heiße Phase der Proben“, seufzt Kristina Baldus, die zusammen mit Daniela Borschbach den Mütterkaffee organisiert. Seit 16 Jahren ist die 43-jährige dabei. „Ich habe seitdem noch nie so eine besinnliche Zeit mit meiner Familie erlebt. Es ist schon komisch, dass in diesem Jahr die Nähmaschine nicht auf dem Esstisch steht“ – um Kostüme zu nähen, letzte Änderungen zu machen. Reden würden geschrieben, Perücken frisiert, kleine Kunstwerke mit Schminke ausprobiert, Choreografien eingeübt, Dialoge bekämen ihren letzten Schliff, zweimal in der Woche bis zur Generalprobe. „Das war immer sooo schön!“
Anni Mester wird bei dem Gedanken ganz wehmütig ums Herz. Die 80-Jährige sitzt in ihrem Wohnzimmer, umringt von einer ganzen Schar von kostümierten Puppen, die in der Vergangenheit die Maskottchen der jeweiligen Tänze waren. Ja, Veränderungen hat es gegeben in den über 50 Jahren, seit sie mit dabei ist.

Wehmütiger Blick zurück ins jecke 2020, als der Mütterkaffee noch über die Bühne gehen konnte: Anni Mester und Kristina Baldus können in dieser Session nur in Erinnerungen schwelgen, weil natürlich auch die mehr als 50 Jahre alte Tradition ausfallen muss. Das kam zuvor erst zweimal vor.
Copyright: Siegfried-Hagenow, Gies
Anfangs gab es ein Stück Kuchen, eine Tasse Kaffee und ein Papphütchen für die Mütter, Männer und Evangelische durfte bis 1984 nicht in den Saal, und sie selbst war wohl die erste Frau in der Bütt, das Kleid mit Sicherheitsnadeln festgesteckt, damit niemand darunter spinxte, wenn sie auf der Bühne stand – Hosen waren nämlich für Frauen tabu.

Wehmütiger Blick zurück ins jecke 2020, als der Mütterkaffee noch über die Bühne gehen konnte: Anni Mester und Kristina Baldus können in dieser Session nur in Erinnerungen schwelgen, weil natürlich auch die mehr als 50 Jahre alte Tradition ausfallen muss. Das kam zuvor erst zweimal vor.
Copyright: Siegfried-Hagenow, Gies
„Ausgefallen ist der Mütterkaffee nur zwei Mal“, erinnert sich die 80-Jährige. 2014 verstarb eine Mitspielerin ganz plötzlich gleich nach der Generalprobe, da wurde alles abgesagt, niemand konnte sich vorstellen, eine Woche später ausgelassen zu feiern. Das andere Mal sei in der Session 1990/1991 gewesen, als auch der Rosenmontagszug wegen des Golfkriegs abgesagt wurde. „Da haben wir uns dann spontan Omas Hüte aufgesetzt und sind mit ein paar Leuten durch Engelskirchen gezogen, ohne Kamellen, aber mit Gesang.“ Es ist schwer, dass dieses Jahr alles ausfallen muss. „Ich werde 81, nächstes Jahr bin ich dann 82. Vielleicht wäre es ja an der Zeit, den Absprung zu machen?“, sinniert sie. „Ich bin noch mit mir am kämpfen.“
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Dabei hatten die Engelskirchenerinnen im Sommer noch ein bisschen Hoffnung gehegt, dass es klappen könnte mit dem Mütterkaffee, erzählt Kristina Baldus. Doch dann stiegen die Coronazahlen, das Pfarrheim wurde geschlossen, alles abgesagt. Ein Lichtblick: Vor Weihnachten überraschten sich die Frauen gegenseitig, brachten allen Weckmänner an die Tür, Schmalz oder selbst gebackenes Schwarzbrot. Die Gemeinschaft fehle ihr am meisten, bedauert Anni Mester und ist wild entschlossen, den Umgang mit Handy und Tablet zu lernen, um an den Chatgruppen der Jüngeren teilzunehmen.
Ob sie sich die Zukunft ohne den Mütterkaffee wirklich vorstellen kann? „Eigentlich nicht“, räumt sie ein. Und schon eilen ihre Gedanken voraus bis zum Sommer, wenn frische Ideen gesammelt werden für das neue Programm und – hoffentlich – dann auch die ersten Proben beginnen. „Wir scharren alle schon mit den Hufen“, versichert Kristina Baldus. „Ich hoffe, dass wir alle dann noch dabei sind!“