FreilichtmuseumAusstellungsreihe „Ganz viel Arbeit“ - Frauen in der Weimarer Republik

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Helene Jansen geb. Bosbach mit ihrem Ehemann.

  • Das Freilichtmuseum in Lindlar besitzt einen besonderen dieser Meisterbrief.
  • Er gehörte einer Frau und die lebte Anfang des letzten Jahrhunderts.
  • Einen Meistertitel konnten Frauen überhaupt nur in drei Gewerken erzielen, bei den Putzmeistern, den Hutmachern oder als Friseurin.

Lindlar – Eigentlich begegnet man ihm im täglichen Leben an jeder Ecke, ohne groß Notiz von ihm zu nehmen. In der Bäckerei, beim Metzger oder im Handwerksbetrieb hängt er an der Wand und zeugt von der Qualifikation seines Besitzers: Der Meisterbrief.

Auch das Freilichtmuseum in Lindlar besitzt einen, doch dieser Meisterbrief ist etwas ganz Besonderes. Er gehörte einer Frau und die lebte Anfang des letzten Jahrhunderts. Deshalb haben ihn die Macherinnen der Ausstellung „Land-Frauen-Arbeit in der Weimarer Republik“ Petra Dittmar und Marie Kramm zum Bergischen Zeitzeichen für den Juli erkoren.

Goldene 20er Jahre

Helene Bosbach aus Radevormwald wurde am 24. April 1885 geboren, am 5. November 1913 erhielt sie den Meistertitel als Schneiderin von der Handwerkskammer Düsseldorf verliehen, zu jener Zeit etwas ganz und gar Außergewöhnliches. Denken wir heute an die sogenannten goldenen 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, an die roaring twenties, dann sehen wir Bilder von spindeldürren Frauen in Charleston-Kleidern und Federboas mit endloser Zigarettenspitze und Champgnerglas in der Hand vor unserem geistigen Auge. Doch dieses Bild ist ein Zerrbild und spiegelt nur eine ganz kleine Schicht der damaligen Zeit wider.

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Für die meisten Frauen vor allem im ländlichen Raum war die Wirklichkeit eine andere. Etwa 30 Prozent gingen einer bezahlten Tätigkeit nach, die meisten von ihnen aber in Pflegeberufen, in helfenden Tätigkeiten in der Landwirtschaft oder etwa als Näherinnen in Textilfabriken. Heute würde man sagen im Niedriglohnsektor.

Meistertitel ein Alleinstellungsmerkmal

Aufnahmen aus jener Zeit zeigen Bilder, wie man sie heute vielleicht aus Bangladesch kennt: In langen Reihen sitzen Frauen an Nähmaschinen, beaufsichtigt werden sie von – Männern. Einen Meistertitel konnten Frauen überhaupt nur in drei Gewerken erzielen, bei den Putzmeistern, den Hutmachern oder als Friseurin.

Museum sucht Familienstücke

Die Sonderausstellung „Land-Frauen-Arbeit in der Weimarer Republik wirft einen Blick auf die Lebensumstände, die Berufstätigkeit und die Bildungschancen von Frauen und Mädchen in den ländlichen Gebieten vor allem im Bergischen Land  in den 1920er Jahren. Die Ausstellungsmacherinnen Petra Dittmar und Marie Kramm vom Freilichtmuseum Lindlar wollen  die „Sichtbarkeit von Frauen“ erhöhen und suchen  noch nach Familienfundstücken wie Textilien, Fotografien und deren Geschichten aus den 1920er Jahren.   Zu sehen ist sie aktuell dienstags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr in der Umweltwerkstatt im LVR Freilichtmuseum Lindlar. Langfristig soll sie als  Daueraustelzu sehen sein. Kontakt zu den Kuratorinnen über das Museum. https://freilichtmuseum -lindlar.lvr.de Unsere Serie: Im Freilichtmuseum des Landschaftsverbands Rheinland in Lindlar schlummern unzählige Alltagsgegenstände aus vergangener Zeit, die heute   fast vergessen sind. Wir stellen sie jeden Monat gemeinsam mit dem Museum in der Rubrik  Bergische Zeitzeichen vor.

Weil der Meistertitel aber unerlässlich für das Führen eines Betriebes war, sind Frauen im Handwerk in jener Zeit so unterrepräsentiert. Hinzu kommt ein weiteres Problem, denn ob Helene Bosbach mit ihrem Meistertitel ein Alleinstellungsmerkmal besaß oder das vielleicht doch ganz normal war, weiß man heute gar nicht so genau.

Frauen, wenn überhaupt  „verwitwet“ aufgeführt

Mit dem Eintritt in die Ehe werden Frauenbiografien in den 1910er und 1920er Jahren häufig „unsichtbar“, die Frauen nehmen die Namen ihrer Männer an und verschwinden. Branchenbücher aus jener Zeit lesen sich wie Bücher voller Männernamen.

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Frauen wurden, wenn überhaupt mit dem Hinweis „verwitwet“ aufgeführt, oder gleich als „Frau Peter Müller“. Das Schicksal des unsichtbar werdens traf auch Helene Bosbach. Sie heiratete einen Herrn Jansen, bekam fünf Kinder, Herr Jansen verstarb im Alter von 54 Jahren, danach führte sie mit Hilfe ihrer Kinder den elterlichen Hof bis zu ihrem Tod 1958. Von einer Schneidermeisterin Helene Bosbach hörte man nie wieder.

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