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GummersbachDarum hat Bernd Jeromin Grabsteine von Verwandten in seinem Garten

Lesezeit 4 Minuten

In seinem Garten zu Hause in Windhagen hat Bernd Jeromin die Grabsteine aufgestellt.

Windhagen – Wenn Bernd Jeromin zur Ruhe kommen möchte, besucht er die Grabsteine seiner Verwandten. Wohlgemerkt nicht Grabstätten, sondern die Grabsteine. Denn in einer schattigen Ecke seines großen Gartens in Gummersbach-Windhagen hat der 62-Jährige vier Grabsteine aufgestellt.

Damit hält er die Erinnerung an seine Großmütter Helene Jegodka und Anna Jeromin wach, denkt an seinen Vater Otto Jeromin und seinen Onkel Gerhard Jegodka. „Ich sitze im Kreis meiner Familie, erinnere mich, teile mit ihnen meine Gedanken und Sorgen“, sagt der Gummersbacher.

Grabsteine von Verwandten im Garten: Gummersbacher besucht Ort an Geburts- und Todestagen

An Geburtstagen und Todestagen besucht Bernd Jeromin den Platz im Schatten der von ihm vor Jahrzehnten gepflanzten Kiefer auf jeden Fall immer. Und er lacht, als er davon berichtet, dass er ab und zu auch mit seinem Vater in Gedanken schimpft: „Unter anderem deshalb, weil er mich und meine Mutter so früh verlassen musste.“ Denn sein Vater starb, als Bernd Jeromin 13 Jahre alt war. Viel zu früh, wie der Windhagener sagt: „Darum ist wohl meine Bindung zu meinem Vater auf diese Art auch heute so eng.“

Grabsteine sind Eigentum

Das Gummersbacher Friedhofsverwaltung teilt mit, dass Grabsteine das Eigentum der Nutzungsberechtigten des Grabes sind. Insofern können die Hinterbliebenen sich ohne Weiteres die Grabsteine in den eigenen Garten holen oder für eine neue Verwendung abschleifen lassen.

Nutzungsberechtigte sind bei der Auflösung der Grabstelle ohnehin für das Abräumen des Grabes verantwortlich.

Wer den Grabstein mitnehmen möchte und dafür mit einem Fahrzeug den Friedhof befahren muss, sollte das zuvor mit der Friedhofsverwaltung absprechen. Natürlich könne auch ein Gärtner oder Steinmetz mit der Abfuhr des Grabsteins beauftragt werden.

Friedhofsnutzer können sich bei Fragen an die Friedhofsverwaltung wenden unter 02261 87-1321 oder -1322 oder per Mail an friedhofsverwaltung@gummersbach.de. (kpo)

Als das Grab auf dem Gummersbacher Westfriedhof aufgelöst wurde, wollte er diese letzte Verbindung auf keinen Fall kappen. Es brauchte zwar einen Kran für den aufwändigen Transport, doch der Stein fand seinen Platz in Windhagen. Auch beim Transport der etwas kleineren Steine gab es tatkräftige Hilfe aus dem Freundeskreis und bei Großmutter Anna eine Absprache mit den Verwandten.

Grabsteine im Garten halten Familienverbund für Gummersbacher lebendig

„Wir haben früher ganz große Familienfeste gefeiert. Diese Gemeinschaft fehlt mir. Durch die Grabsteine hier, so paradox es klingt, bleibt der Familienverbund für mich ein Stück weit lebendig“, erläutert Bernd Jeromin seine Beweggründe, sich ganz bewusst mit diesen Zeugnissen der Sterblichkeit zu umgeben.

Makaber findet das niemand in seiner Umgebung. Auch seine Mutter Gertrud (86), um die er sich kümmert, hatte keine Einwände gegen den Grabstein ihres Ehemanns in so unmittelbarer Nähe. Sie sagte sogar, ihr Sohn solle doch bitte den Vater nach Hause holen, nachdem ihr die Grabpflege vor knapp zehn Jahren zuviel wurde. Eine Grabstätte sei doch ohnehin nur „für die anderen Leute“ – ein Ort, der nie Teil des Lebens eines Verstorbenen war, nie zu ihm gehörte oder ihn ausgemacht hat.

Der Tod gehört für die beiden Gummersbacher untrennbar zum Leben. Dass man sich beizeiten mit dem Gedanken an die eigene Sterblichkeit vertraut machen solle, sagt Bernd Jeromin im Gespräch sehr nachdrücklich. „Dann ist es irgendwann für dich selbst in Ordnung, und du wirst sehr ruhig“, ist er überzeugt.

Trauerkultur: Interview mit Bestatter Armin Adam aus Bergneustadt

Wie hat sich die Erinnerungskultur an Verstorbene im Gegensatz zu früher inzwischen verändert?

Bestattungen werden immer individueller gestaltet. Manche Menschen lassen sich zudem Erinnerungsstücke fertigen, die einen Teil der Asche ihrer Lieben enthalten.

Bestatter Martin Ahman aus Bergneustadt über alte und neue Rituale.

Das könnte zum Beispiel ein Kunstobjekt aus Glas sein, das beim Erinnern hilft. Es gab auch schon den Wunsch, einen Fingerabdruck des verstorbenen Menschen zu erhalten.

Ist der Tod immer noch ein Tabuthema?

Ich denke schon. Ich habe den Eindruck, dass es uns immer schwerer fällt, uns von geliebten Menschen zu trennen. Darum ist es mir auch wichtig, soweit ich es kann, auf Wünsche der Hinterbliebenen einzugehen. Dann wird der Abschied irgendwann leichter.

Auch Trauerfeiern gestalte ich so individuell wie möglich, am liebsten mit heiteren Akzenten, damit mit den letzten Momenten auch etwas Schönes verbunden ist.

Können Sie verstehen, dass Menschen sich Grabsteine in ihre Gärten holen?

Ich für mich würde das eher nicht machen. Aber ich finde es absolut nachvollziehbar, wenn Menschen die Erinnerung auf diese Weise lebendig erhalten.

Das Interview führte Katja Pohl.