Fest in GummersbachOGB hat gleich sechs gute Gründe, um zu feiern

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Sie wollen die OGB und deren Einrichtungen für die Zukunft spezialisieren: Geschäftsführerin Simone Ufer und Vorsitzer Rainer Drevermann.

Sie wollen die OGB und deren Einrichtungen für die Zukunft spezialisieren: Geschäftsführerin Simone Ufer und Vorsitzer Rainer Drevermann.

Oberberg – Gleich mehrfachen Grund zum Feiern hat in diesem Sommer die Oberbergische Gesellschaft zur Hilfe für psychisch Behinderte (OGB). Sechs Einrichtungen unter ihrem Dach haben Jubiläum: 40 Jahre alt sind das Landwehrhaus in Marienheide, der Lindenhof in Hückeswagen, das Zirrerhaus in Wiehl und das Sozialpsychiatrische Kontaktzentrum (SPZ) in Wipperfürth. Und seit 30 Jahren gibt es das Pattberghaus in Marienheide und seit 20 Jahren den Hof Müllerheide in Reichshof.

Das Fest mit zahlreichen Gästen steigt in der Halle 32

Sechs gute Gründe also, am Freitag, 19. August, mit allen 150 Bewohnerinnen und Bewohnern aus den Einrichtungen, 170 ambulant betreuten Menschen, mit Mitarbeitenden und weiteren geladenen Gästen in der Gummersbacher Halle 32 ein rauschendes Fest mit Musik, Tanz und vielen Mitmachaktionen zu feiern.

Und ein Grund für OGB-Geschäftsführerin Simone Ufer und für Rainer Drevermann, dem Vorsitzenden des Oberbergischen Vereins zur Hilfe für psychisch behinderte Menschen als Träger, zurückzublicken. Denn dass psychisch kranke Menschen in kleinen Wohneinrichtungen leben, arbeiten, sich selbst versorgen – all das war vor 1975 noch undenkbar.

Vereinsvorsitzender blickt mit einem Schaudern zurück

Schaudernd erinnert sich der 69 Jahre alte Drevermann an die psychiatrische Klinik in Bedburg-Hau, in der 4000 Patienten „verwahrt“ wurden, wie es bis Mitte der 1970er Jahre üblich war. „Ich habe damals als junger Krankenpfleger den großen Umbruch in der Psychiatrie miterlebt und durfte am neuen Weg mitarbeiten“, erzählt er.

Der neue Weg, das hieß vor allem: Gleichstellung von körperlich und psychisch Erkrankten und deren gemeinde- oder stadtnahe Versorgung in kleinen, autonomen Einrichtungen, möglichst in der Ortsmitte, in denen die Bewohner gemeinsam mit den Mitarbeitern lebten, kochten, sich versorgten, ihre Wäsche wuschen. „Die Umstellung hat einige Jahre gedauert, es gab ja noch keine Strukturen, kaum niedergelassenen Ärzte, keine sozialpsychiatrischen Dienste.“

Im Jahr nach der Gründung kamen schon die ersten Einrichtungen

1978 wurde der Trägerverein gegründet, schon ab 1979 folgten dann die ersten Einrichtungen mit jeweils Platz für 18 Bewohner. Der Oberbergische Kreis wurde damit zum Vorreiter des neuen Weges in der Psychiatrie und 1981 Modellregion für ganz Nordrhein-Westfalen. „Damals war die Enthospitalisierung das Ziel“, erklärt Drevermann.

Weg von der Verwahr-Psychiatrie, die Verweildauer in den Kliniken wurde enorm verkürzt. Aber die Bewohner blieben meist 20, 30 Jahre in den Einrichtungen, den Mitarbeitern lag vor allem daran, sie zu beschützen. „Das hat sich im Laufe der Jahre geändert.“

Heute gehe es vor allem darum, Selbstständigkeit zu fördern, führt OGB-Geschäftsführerin Simone Ufer aus. Viele psychisch beeinträchtigte Menschen arbeiten in den gemeinnützigen Raps-Werkstätten in Waldbröl und Marienheide, einer Schwestereinrichtung der OGB, einigen gelingt von dort der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt.

Wohnungen immer ganz in der Nähe für die Beschäftigten

In der Nähe solcher Einrichtungen, etwa dem Wiehler Zirrerhaus oder dem Lindenhof in Hückeswagen leben ehemalige Bewohner in angemieteten Wohnungen, begleitet von Mitarbeitenden. Zum 40-jährigen Jubilar SPZ kamen zwei weitere Beratungsstellen, in Gummersbach und in Waldbröl.

Sie bieten ambulante Hilfen, den Alltag zu strukturieren und zu bewältigen. Sie spielten auch eine wichtige Rolle bei der Betreuung von Zugewanderten und Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen, sagt Ufer.

Niemand will sich auf dem Erreichten ausruhen

Im Jubiläum sieht sie keinen Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen: Immer mehr junge Menschen mit Mehrfachdiagnosen brauchten Hilfe, zur Sucht komme oft eine psychische Erkrankung. Mit Sorge beobachtet Ufer, dass immer mehr Kinder und Jugendliche eine Spielsucht entwickelten.

Auch zeichne sich ab, dass etliche Menschen als Folge der Coronazeit massive Ängste entwickelten und sich völlig isolierten. „Da wird sich in den kommenden Jahren ein großer Unterstützungsbedarf zeigen“, prophezeit Ufer. Auch bei den Einrichtungen sei das Ende des Weges nicht erreicht, urteilt auch Rainer Drevermann.

Würde sie heute eine neue Einrichtung planen, dann wäre diese keine Wohngemeinschaft, sondern ein Appartementhaus, schildert die Geschäftsführerin, „mit Gemeinschaftsräumen und Betreuung, aber mit einer eigenen kleinen Wohnung für jeden, um die Selbstständigkeit noch mehr zu fördern“.

In Zukunft denke man auch an mehr Spezialisierung in den Einrichtungen – schon jetzt leben etwa im Marienheider Pattberghaus vor allem junge Leute. Alle Jubiläums-Einrichtungen präsentieren sich zum Fest mit großen, selbst gestalteten Wandbildern, die danach als Wanderausstellung durch Oberberg reisen werden.

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