Mit Unterstützung der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns in Oberberg aufgefallen sind.
Lebendiges OberbergDer Gemeine Holzbock ist unabsichtlich Überträger von Krankheiten

Der Holzbock ist ein Spinnentier, genauer eine Schildzecke, und kann kaum sehen, aber sehr gut riechen.
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Der Holzbock ist kein Turngerät. Und kein Käfer. Es gibt zwar Bockkäfer und darunter den Hausbock (Hylotrupes bajulus), dessen Larve, der sogenannte Holzwurm, totes Nadelholz frisst, also gerne Fraßgänge in Weichholzmöbel, Dachlatten und Sparren nagt. Beim Holzbock (Ixodes ricinus) handelt es hingegen um eine von über 900 bekannten Zeckenarten, die aufgrund ihrer acht Beine zur Klasse der Spinnentiere gehören.
Die Art hat wie alle Gliedertiere mehrere Entwicklungsstadien. Aus dem Ei des Holzbocks schlüpft eine Larve mit vorerst sechs Beinen. Dennoch ist es kein Insekt wie der Holzwurm. Nach einer ersten Nahrungsaufnahme, die aus dem Blut eines Wirtsorganismus besteht, entwickelt sich die erste Larve zu einer Nymphe mit acht Beinen. Nach einer weiteren Mahlzeit aus Blut häutet sich die Nymphe erneut und heraus schlüpft ein geschlechtsreifer Holzbock.
Der Gemeine Holzbock gehört zur Familie der Schildzecken
Die Zugehörigkeit zur Familie der Schildzecken verrät der hart sklerotisierte und dunkel gefärbte Schild, auch Scutum genannt. An der Ausbildung des Schilds kann man männliche und weibliche Exemplare gut unterscheiden. Während das Scutum bei den Männchen nahezu über dem gesamten Rücken des Rumpfabschnitts liegt, haben die Weibchen einen kreisförmigen Schild, das den Hinterleib nur etwa zur Hälfte bedeckt. Der hintere, weichere Teil, Alloscutum genannt, ist im Gegensatz zu dem schwarzen Scutum rotbraun gefärbt. Nach der Nahrungsaufnahme ist er um ein Vielfaches ausgedehnt und dann gräulich gefärbt.
Der Gemeine Holzbock ist also ein Parasit – er ernährt sich von anderen Lebewesen und fügt ihnen dabei einen Schaden zu. Seine Wirte findet er durch Chemorezeptoren am untersten Segment der Vorderbeine, das sogenannte Haller-Organ. Es funktioniert folgendermaßen: Anders als andere Zecken verfolgt der Holzbock seine Wirte, die er relativ unspezifisch ausgewählt, nicht aktiv. Stattdessen begibt er sich in Lauerstellung und spreizt seine beiden Vorderbeine in Längsrichtung vom Körper ab. Dadurch ermöglicht er eine möglichst breite Erfassung der Umgebung.
Mehr als 300 Wirbeltierarten wurden als Wirte nachgewiesen
Der Holzbock nimmt in dieser Weise Spuren flüchtiger Substanzen wahr, die von potenziellen Wirten ausströmen (es wurden bereits über 300 Wirbeltierarten als Wirte nachgewiesen). Zum einen sind dies Kohlendioxid und andere Gase, die die Wirtstiere beim Atmen ausstoßen. Zum anderen ist es Ammoniak, das im Urin vorkommt. Weitere Stoffe sind Buttersäure und Milchsäure, die der Wirt beim Schwitzen freisetzt. All dies hilft der Art, die räumliche Nähe zu einem unfreiwilligen Blutspender wahrzunehmen.
Darüber hinaus ist das Haller-Organ imstande, thermische und andere physikalische Signale wahrzunehmen. Nähert sich ein Wirt, kann der lauernden Holzbock ihn so schon durch die Erhöhung der Umgebungstemperatur erkennen. Erfolgt die Berührung mit dem ahnungslosen Opfer, lässt sich der Holzbock einfach von der Pflanze abstreifen und sucht sich eine zum Blutsaugen geeignete Körperstelle.
Statt Augen hat der Holzbock Photorezeptoren
Der Holzbock hat anstelle von Augen einfache Photorezeptoren auf der Oberseite des Körpers. Diese bestehen aus lichtempfindlichen Zellen, die hell und dunkel unterscheiden können. Vermutlich verstehen zumindest die Nymphen, dass sie in der Dunkelheit besser geschützt sind, und sind dann aktiver, worauf Experimente hindeuten. Die Art trocket vor allem im Nymphenstadium schnell aus und bevorzugt darum die kühle Nachtluft.
Wegen des Bedarfs an einer hohen Luftfeuchte bevorzugen Holzböcke feuchtkühle Habitate wie Wälder. Man findet die Art aber auch in offenen Habitaten und in Siedlungsbereichen. Verbreitet ist der Holzbock fast im gesamten Westen von Eurasien und Nordafrika.
Erkrankungen werden beim Blutsaugen übertragen
Wie die meisten Wanderer wissen werden, ist die Art verantwortlich für zwei verbreitete Zoonosen, also Infektionskrankheiten des Menschen, die von anderen Tieren übertragen werden können. Beim Saugen menschlichen Blutes können die Weibchen ihren Wirt mit Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis infizieren. Das sind beides sehr ernst zu nehmende Erkrankungen.
Vor der einen hilft rechtzeitiges Entfernen des Holzbockweibchens, gegen die andere kann man sich zum Glück impfen. Der richtige Zeckenschutz wie lange Kleidung oder insektenabweisende Mittel sind elementar für alle, die in der Natur unterwegs sind.
Der Gemeine Holzbock ist wie alle heimischen Lebewesen ein Teil unserer Artenvielfalt. Die Art tut nur das, was alle Lebewesen tun: auf die Welt kommen, erwachsen werden, einen Partner finden, sich fortpflanzen und irgendwann sterben. Dafür will sie eigentlich nur ein paar Tropfen fremdes Blut haben, was kaum einem schaden würde.
Die Zecke hat nie zugestimmt, dass sich Viren und Bakterien über sie in den Wirtsorganismus einschleusen. Der Holzbock ist also ahnungslos, was die Krankheitserreger betrifft. So gesehen müsste der Gemeine Holzbock aus Sicht des Menschen eher als Opfer denn als Täter angesehen werden.