„Lebendiges Oberberg“Mäher sind eine große Gefahr für das Grüne Heupferd

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Mit einer Körperlänge von drei bis vier Zentimetern plus Flügel ist das Grüne Heupferd eine durch imposante Erscheinung. Auffallend sind die kräftigen Hinterbeine, die viel Sprungkraft besitzen.

Das Grüne Heupferd findet oft den Tod, wenn gemäht wird.

Mit Unterstützung der Biologischen Station Oberberg stellen wir Arten vor, die uns im Oberbergischen auffallen - heute: das Grüne Heupferd.

„Wenn die Mähmaschine rattert, geht es allen an den Kragen./ Allen Blumen, allen Blüten, wie viel tausend? Wer kann’s sagen?“ So reimte einst der Kinderlieddichter Josef Guggenmos. „Hopp ein Heupferd, hopp ein andres rettet sich im kühnen Satze/ Denn die Wiese wird geschoren, heute kriegt sie eine Glatze.“ Guggenmos spricht damit ein Drama an, das sich alljährlich auf oberbergischen Wiesen abspielt.

Der im Idealfall überaus artenreiche Lebensraum Wiese wird wortwörtlich dem Erdboden gleichgemacht. Unzählige Bewohner verlieren abrupt existenziell wichtige Strukturen. Doch ohne Mahd geht es nicht, auch aus Sicht des Naturschutzes. Denn ohne diesen radikalen Eingriff durch die Mähmaschine entwickelte sich die Wiese sukzessiv in einen Wald. Dieser ist zwar auch ein wertvoller Lebensraum, aber eben nicht für Arten der offenen, also gehölzfreien Landschaftsräume. Und dazu gehört auch das Große oder Grüne Heupferd (Tettigonia viridissima).

Das Grüne Heupferd ist eine durchaus imposante Erscheinung

Mit drei bis vier Zentimetern Körperlänge plus Flügel ist es eine imposante Erscheinung. Bei den Weibchen kommt noch die zwei bis drei Zentimeter lange Legeröhre hinzu. Das Grüne Heupferd ist der Insektenordnung der Heuschrecken, wissenschaftlich Orthoptera oder Saltatoria genannt, zuzuordnen, denen auch die Grillen und Grashüpfer angehören. Es handelt sich beim Heupferd also um ein Insekt, was man unschwer an dem dreiteiligen Körper mit den sechs Beinen erkennt.

Das hintere Beinpaar ist bei dieser Tiergruppe zu kräftigen Sprungbeinen umgeformt. Und mit Hilfe dieser Sprungbeine versuchen Heupferde „im kühnen Satze“ vor den oben angesprochenen Mähmaschinen zu flüchten. Dabei helfen die zwei Flügelpaare, mit denen das Heupferd recht weit davonfliegen kann.

Auch in Oberberg sterben jährlich viele Insekten bei der Mahd

In den vergangenen Jahren haben Untersuchungen die Menge der bei der Mahd getöteten Insekten – darunter vor allem Heuschrecken – quantifiziert. Mäher mit rotierenden Messern erzeugen einen Sog, dem die Kleintiere nicht entkommen können. Darum werden bis zu 90 Prozent der Heuschrecken zerstückelt. Bei Balkenmähern, die wie eine Heckenschere über den Boden geführt werden, verringert sich dieses Problem deutlich.

Wer nicht schon zu den ökologisch fortschrittlichen Garten- oder Landbesitzern zählt, die ihre Rasen- oder Silageflächen in eine extensive Wiese umgewandelt haben und mit Balkenmäher oder Handsense mähen, hat andere Möglichkeiten, den Lebensraum der stattlichen Heupferde zu erhalten, ohne beim Großteil seiner Bewohner einen erheblichen Kollateralschaden zu verursachen.

In den Wald-Wiesen-Tälern Oberbergs fühlt sich das Heupferd richtig wohl

Im heimischen Garten ist für Tierfreunde die Mosaikmahd das Mittel der Wahl. Dabei werden Raseninseln oder ganze Bereiche im Wechsel stehen gelassen, in denen sich die Heuschrecken zurückziehen können und sich der Bestand erholen kann. In der Landwirtschaft sind Streifen von mindestens zehn Meter Breite zu erhalten, die dann an einem anderen Mahdtermin im Wechsel mit anderen Streifen abgeerntet werden.

Außerdem ist es insektenfreundlich, die Wiesenmahd im Flächeninneren zu beginnen und sich dann nach außen fortzubewegen. Das ermöglicht den Tieren die Flucht auf Nachbarflächen und kesselt sie nicht im Zentrum der Wiese ein. Um die Fluchtchancen noch zu erhöhen, sollte die Mahd zudem bei hohen Temperaturen erfolgen. Dann sind die Heuschrecken agiler und entgehen dem Mähangriff, der paradoxerweise zur Rettung ihres Lebensraumes beiträgt.

Das anpassungsfähige Heupferd kommt in NRW noch häufig vor, weniger im höher gelegenen Bergland oder in rein urbanen Regionen. Im Bergischen Land gibt es systematische Kartierungen aus dem Städtedreieck an der Wupper und auf Wald-Wiesen-Tälern des Oberbergischen Kreises, bei denen Grüne Heupferde als relativ weit verbreitet beschrieben wurde.

Heupferde leben vor allem in naturnahen Gärten, artenreichen Mähwiesen, ökologisch bewirtschafteten Getreidefeldern und an sonnigen Wegrändern mit Krautsäumen. An diesen Orten können Naturfreunde die Heupferde ab Mitte Juli vornehmlich nachts auch akustisch wahrnehmen.

Die Insekten sind aber nicht nur begabte Musiker, sondern nützlich für Landwirte und Gärtner: Sie verschmähen pflanzliche Kost in der Regel, erbeuten stattdessen aber unbeliebte Arten wie Kartoffelkäferlarven.


„Ein winziges Tamburin“

Der Naturkundler Kurt Floericke beschrieb im Jahr 1922 die charakteristische Lautäußerung des Heupferds, auch Stridulation genannt, folgendermaßen: „Das laute ,Zick zick’, das man im Hochsommer von Büschen und Bäumen am Feldrand erschallen hört, rührt meist von Locusta [sic!] viridissima her, dem großen grünen Heupferd, das aber seiner hellgrünen Färbung wegen schwer zu entdecken ist und dessen lange Fühler tatsächlich anmuten wie die verhängten Zügel eines Pferdchens.“

Floericke erläutert: „Das Streichen mit der gerillten Seite des einen Flügels auf der scharfkantigen Leiste des anderen vollzieht sich etwa so, als ob man die Zähne eines Kammes über die Tischkante schnarren ließe. Das an sich schwache Geräusch wird durch das Mitschwingen eines zarten, fast kreisförmigen Hautabschnittes der rechten Flügeldecke wesentlich verstärkt. Da dieser Hautabschnitt von kräftigen Adern gespannt erhalten wird, stellt er einen guten Resonanzboden dar, gewissermaßen ein winziges Tamburin.“

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