Mehrarbeit für ApothekerMedikamente sind auch in Oberberg Mangelware

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Martina Dammüller vor einer Apotheke.

Martina Dammüller, Sprecherin der Apotheker in Oberberg, nennt viele Ursachen für die derzeitige Misere.

Von 4000 Medikamenten sind zur Zeit 400 nicht lieferbar, beklagen Oberbergs Apotheker. Die Suche nach Ersatz kostet viel Zeit und Nerven.

Schniefnasen wohin man blickt, gefühlt jeder zweite Oberberger hustet, und immer mehr besorgte Blicke richten sich auf das eingemottet geglaubte Corona-Teststäbchen. Und dann das: „Von 4000 Medikamenten sind zur Zeit 400 nicht lieferbar“, stellt Martina Dammüller fest. Dass fast jedes zweite Rezept vom Medikamentenmangel betroffen ist, erlebt die Sprecherin der Apotheker im Oberbergischen Kreis täglich in ihren beiden Apotheken in Wipperfürth. Dann beginnt oft eine regelrechte Odyssee mit Versuchen, die Arznei bei einem anderen Lieferanten oder im Ausland zu bestellen.

Viele Faktoren führen zu der besorgniserregenden Situation

Oft bleibt nur der Versuch, es gegen ein verwandtes Medikament auszutauschen, „das können wir aber nur zusammen mit dem Arzt oder der Ärztin entscheiden, und die sind oft schwer zu erreichen“. In jedem Fall kostet das alles viel Zeit – und nicht immer führt die Suche zum Erfolg. „Wenn ein Kind Scharlach hat, ist Penicillin das wirksamste Mittel, aber oft ist es nicht zu haben.“ Oder eine Patientin vertrage zwar den Wirkstoff, sei aber allergisch gegen einen anderen Bestandteil des Austauschmedikaments, erzählt die Apothekerin. Natürlich versuche sie wie auch ihre Kolleginnen und Kollegen alles, um die Patienten zu versorgen.

Für die frustrierende und für die Kranken besorgniserregende Situation macht sie ein Bündel von Faktoren verantwortlich. Viele Medikamente werden im Ausland produziert, Lieferketten und Marktgesetze können da zum Problem werden. „In diesem Jahr rollt obendrein eine riesige Infektionswelle“, beobachtet die Pharmazeutin. „Weihnachtsmärkte und Veranstaltungen in ganz Oberberg waren gesteckt voll, in der Corona-Zeit gab es kaum Erkältungskrankheiten, und die Pharmafirmen haben in der Flaute ihre Produktion heruntergefahren.“

Immer mehr Apotheken können sich nicht mehr halten

Auch der Hype um Medikamente, die für Diabetiker bestimmt sind und von Gesunden zum Abnehmen missbraucht werden, macht ihr Sorgen, weil sie nicht mehr verfügbar sind, wenn sie dringend gebraucht werden. „Dann geht der Zuckerkranke in eine Operation und seine Werte sind nicht richtig eingestellt.“ Vorsichtshalber ließen sich Patienten dann bei zehn Apotheken auf die Warteliste setzen – mit dem Effekt, dass einige davon auf dem teuren Medikament sitzen bleiben.

„Viele vor allem kleinere Apotheken können die gestiegenen Kosten nicht mehr stemmen, zumal seit zehn Jahren die festen Honorare nicht erhöht wurden.“ Die Folge, immer mehr Apotheken schließen, NRW liegt da laut einer Mitteilung der Apothekerkammer Nordrhein an der Spitze. In Wiehl und Lindlar hat allein im vergangenen Jahr jeweils eine Apotheke ihre Tür geschlossen, so Pressesprecher Jens Krömer auf Anfrage. Doch in der Einrichtung von „Behelfsapotheken“, wie sie Gesundheitsminister Lauterbach vorgeschlagen hat, sieht Dammüller keine Lösung. Die dort Arbeitenden müssen keine Apotheker sein und auch keine Notdienste machen.

„Wissen sie wirklich bei einem notwendigen Austausch von Medikamenten Bescheid? Wird das Insulin immer richtig gekühlt?“, fragt sie und verweist auf ihr fünfjähriges Studium – und darauf, dass sie in ihren beiden Apotheken vor allem die alten und die schwer kranken Patienten persönlich kennt und weiß, was sie täglich brauchen.

Auch die Zahl der Notdienste würde sich für die Apotheker noch erhöhen. „Schon jetzt schlafe ich eine Nacht in der Woche in der Apotheke“, seufzt die Pharmazeutin. Nein, noch eine Apotheke will   Martina Dammüller auf keinen Fall übernehmen. Dabei gebe es einige Angebote, aus Oberberg und auch jenseits der Kreisgrenzen. „Auch von Bürgermeistern aus Gemeinden, wo es Engpässe gibt. Aber ich habe jetzt schon eine 80-Stunden-Woche, das reicht mir.“


Behelfsapotheken

Den „Light-Apotheken“ fehle nicht nur der Apotheker, sondern sie hätten auch kein Labor mehr, in dem im Notfall Medikamente hergestellt werden könnten, kritisiert die Apothekerkammer Nordrhein in einer Mitteilung und verweist darauf, dass dies im vergangenen Winter bei Kindermedikamenten erforderlich war. Ralph Olesinkski aus Waldbröl war einer der Apotheker, der Eltern von kranken Kindern mit in seinem Labor produzierten Fiebersäften und Zäpfchen versorgte. „Im Moment ist das noch nicht nötig, aber wenn wieder solch ein Engpass eintritt und es den Wirkstoff gibt, stehen wir wieder bereit“, versichert er.

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