Auch in Oberberg droht den Bürgern eine Beteiligung an den Kosten für Einsätze des Rettungsdienstes.
RettungsdienstWenn der Notruf den Oberbergern an den Geldbeutel geht

Auch in Oberberg ist die Beteiligung der Patienten an den Fahrten des Rettungsdienstes ein Thema.
Copyright: Andreas Arnold
In Essen ist die Beteiligung der Patienten an den Rettungsdienstfahrten seit der vergangenen Woche beschlossene Sache und in aller Munde. Aber auch in Oberberg könnte diese Zuzahlung bald schon drohen. In der Ruhrmetropole sollen die Bürger mit 267 Euro pro Fahrt a beteiligt werden, weil die Krankenkassen nicht länger diese Kosten komplett übernehmen wollen.
Aber nicht nur in Essen ist nun die Sorge groß, dass Patienten davor zurückscheuen könnten, die 112 zu wählen, wenn sie Hilfe benötigen. Denn es gibt genügend Erkrankungen, die einer umgehenden Hilfe bedürfen. So bei einem Schlaganfall. Je eher der Betroffene in ärztliche Hände kommt, desto größer sind seine Chancen, komplett oder beinahe unbeschadet die Erkrankung zu überstehen. Die Entscheidung der Stadt Essen, für eine Rettungswagenfahrt von Patienten einen Eigenanteil in Höhe von 267 Euro zu erheben, sieht Prof. Franz Blaes, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kreiskrankenhaus Gummersbach, ausgesprochen kritisch.
Betroffene könnten bei einem Schlaganfall zögern, fürchten Experten
„Diese Regelung wird dazu führen, dass zum Beispiel Betroffene eines Schlaganfalls zögern, den Rettungswagen rufen, vielleicht stattdessen in den privaten Pkw steigen und dann viel zu spät ins Krankenhaus kommen. Oder gar nicht, und dann mit dem Schlaganfall zu Hause bleiben. Das Gleiche gilt für den Herzinfarkt.“ Für einen Rettungswageneinsatz von Patienten 267 Euro zu kassieren, schrecke die Menschen ab, bei akuten Notfällen ins Krankenhaus zu kommen.
Alles zum Thema Bergisches Land
Erst im Sommer hat der Oberbergische Kreis eine Gebührensatzung für den Rettungsdienst veröffentlicht. „Und die schien uns auch grundsätzlich auskömmlich zu sein“, sagt Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach im Gespräch mit dieser Zeitung. Doch es kam anders: Die Kassen hätten die Gebühren einseitig und aus Sicht des Kreises „willkürlich festgelegt“. „Uns fehlen daher Einnahmen.“ Es sei auf die Dauer nicht haltbar, dass der Kreis die Kosten übernimmt. Allerdings sei man im Oberbergischen noch nicht so weit wie in Essen. „Wir wollen wissen, ob es nicht doch noch einen Konsens gibt“, sagt der Kreisdezernent. Vor diesem Hintergrund werde es in der Sitzung des Kreistags in dieser Woche auch noch keinen Beschluss wie in Essen geben. Aber: „Das Damoklesschwert ist damit keineswegs weg“, sagt Schmallenbach.
Fehlfahrten sind das große Problem
Bei der Diskussion geht es vor allem um so genannte Fehlfahrten, die rund 25 Prozent der Einsätze ausmachen und von den Kassen nicht erstattet werden. Diese reißen auch in Oberberg auch großes Loch in die Kasse des Rettungsdienstes. Zu den Fehlfahrten gehören Einsätze, bei denen ein Patient nicht mit ins Krankenhaus genommen wird. Das kann ganz verschiedene Gründe haben, sei es, dass er vor Ort behandelt werden kann, nicht mitfahren will oder verstirbt, während der Rettungsdienst bei ihm ist. Für all diese Fälle zahlen die Kassen nichts. Und die Kommunen oder Kreise als Träger bleiben auf den Kosten sitzen.
Schmallenbach hat genau wie Blaes die große Sorge, dass Angehörige oder Nachbarn bei der Alarmierung des Rettungsdienstes künftig zurückhaltender sein könnten, wenn für eine Fahrt 267 Euro anfallen. „Wir hier im Kreishaus tun uns schwer, den Essener Weg zu gehen.“ Und das trotz des Wissens, dass ein Rechtsgutachten genau diesen Weg für unabwendbar hält, sprich: den Bürger zur Kasse zu bitten, wenn der Rettungsdienst nicht auskömmlich ist. Schmallenbach: „Wie soll ich denn künftig noch beim Schlaganfallaktionstag auf dem Gummersbacher Lindenplatz mit AOK und Krankenhaus dafür werben, dass man die 112 im Notfall wählen soll?“
AOK-Regionaldirektor hält grundlegende Reform für unabdingbar
AOK-Regionaldirektor Frank Mäuer sagt im Gespräch mit dieser Zeitung, dass er auch künftig auf dem Lindenplatz stehen und dafür werben wird, die 112 zu wählen. „Weil es Leben retten kann, denn jede Minute zählt.“ Im Rettungsdienstgesetz stehe nichts davon, dass man den Bürger belasten könne, allenfalls bei böswilliger Alarmierung gehe das. Es sei gespannt, wie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sich dazu äußern wird. Er rechnet nicht damit, dass die Politik das so durchgehen lässt, sagt Mäuer.
Die aktuelle Situation zeige allerdings, dass es einer grundlegenden Reform des Gesetzes für den Rettungsdienst und einer Abstimmung bedürfe, wer was bezahlt. Von Landrat Klaus Grootens habe er noch nichts in dieser Richtung gehört, sagt Mäuer. Allerdings könne es nicht sein, dass der Kreis Überschüsse in Millionenhöhe beim Rettungsdienst erzielt und gleichzeitig müssten die Krankenkassen zahlen. „In der Gebührenkalkulation des Kreises ist ja vielleicht doch noch Luft nach oben drin“, sagt der Regionaldirektor. So oder so dürfe es niemanden geben, der aus Angst vor den Kosten keine Hilfe ruft. „Das hier darf nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden.“

