Corona-bedingte SchließungViel zu tun im Freilichtmuseum Lindlar

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Der Wiederaufbau der Volksschule Waldbröl-Hermesdorf schreitet voran, zur Freude von Volkskundlerin Petra Dittmar, Archivar Frederik Grundmeier und Museumsleiter Michael Kamp (v.l.).

Der Wiederaufbau der Volksschule Waldbröl-Hermesdorf schreitet voran, zur Freude von Volkskundlerin Petra Dittmar, Archivar Frederik Grundmeier und Museumsleiter Michael Kamp (v.l.).

Lindlar – Coronabedingt musste das Freilichtmuseum im Frühjahr für zwei Monate komplett schließen. Und jetzt, im Monat November, erneut. Ob das Museum im Dezember wieder öffnen darf, ist noch unklar. Großveranstaltungen wie etwa der beliebte „Advent im Freilichtmuseum“ fallen definitiv aus.

Deutlich weniger Besucher

Das schlägt sich auch in den Besucherzahlen nieder. In den vergangenen Jahren zählte man in Lingenbach circa 100 000 Besucher jährlich. Rund ein Drittel davon wurden durch die über das Jahr verteilten Großveranstaltungen angelockt: Tierkindertag, „PS und Pedale“, der Gartenmarkt „Jrön un Jedön“ oder das Kartoffelfest im Herbst. Doch 2020 sieht alles anders aus. „Wenn es bis Jahresende gut läuft, kommen wir vielleicht auf 50 000 Besucher“, sagt Museumsleiter Michael Kamp.

Museumsbund fordert Wiedereröffnung

Der Deutsche Museumsbund fordert eine erneute Prüfung der pandemiebedingten Schließung und die Wiedereröffnung der Museen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt. Museen seien keine Orte erhöhtem Risiko, die Museen hätten strenge hygiene- und Abstandsregeln durchgesetzt.

Der Museumsbund verweist dabei auf Erfahrungen mit Online-Tickets für festgelegte Zeitfenster, begrenzten Besucherzahlen, große Räume und kluge Wegführungen sowie Lüftungsanlagen. Museen seien Erlebnis- und Bildungsorte und eine für Bürger aller Altersklassen eine wichtige Schnittstelle zu Universitäten und Wissenschaft aus erster Hand, so die Stellungnahme.

Dazu kommt ein zweiter, bundesweit zu beobachtender Trend. „Die große Zeit der Freilichtmuseen ist eigentlich vorüber“, sagt Kamp. Noch in den 1980er Jahren zählte man etwa im Freilichtmuseum Kommern über 350 000 Gäste, 2019 waren es rund ein Drittel weniger.

Arbeit am Konzept

Der Lockdown biete zugleich aber auch eine Chance, am Museumskonzept zu arbeiten und darüber nachzudenken, wie man sich künftig aufstellen will. Eine Orientierung alleine an den Besucherzahlen ist für Kamp ein Irrweg. „Wir müssen uns als Museum stärker auf unseren Bildungsauftrag besinnen“, ist der Museumsleiter überzeugt, Qualität sei wichtiger als Quantität.

Bei den Gebäuden, die über das Museumsgelände verstreut sind, soll der Schwerpunkt künftig noch stärker auf ihrer gesellschaftlichen Funktion liegen. Ein Beispiel: An der ehemaligen Volksschule aus Waldbröl-Hermesdorf sind weniger das 150 Jahre alte Schulgebäude und seine Baugeschichte interessant, sondern die Erkenntnisse, die sich daraus über die Volksschulbildung im ländlichen Raum ableiten lassen. Das Freilichtmuseum will künftig auch mehr über seine eigene, vielfältige Arbeit informieren. Dazu soll der Eingangsbereich umgebaut werden.

Mehr Zeit für Forschung

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Museums, sonst oft sehr stark in die Vorbereitung von aktuellen Ausstellungen eingebunden, haben aktuell mehr Zeit für Forschung. Volkskundlerin Petra Dittmar etwa arbeitet an dem Thema Emanzipation im ländlichen Raum. Auch die Vernetzung mit anderen Museen in der Region zählt zu ihren Aufgaben.

Archivar Frederik Grundmeier ist dabei, die rund 33 000 Objekte, die das Museum in seinen Sammelbeständen hat, in eine neue Datenbank zu überführen. „In unserer Sammlung ist alle vertreten, von der Stecknadel bis zum Feuerwehrauto“, sagt er. Diese Datenbank soll es Interessenten und Wissenschaftlern erleichtern, Informationen auch online abzurufen. Darüber hinaus forscht er zur Rolle der Agrargenossenschaften. So will das Museum ein genossenschaftliches Kühlhaus aus dem sauerländischen Medebach eins zu eins in Lindlar nachbauen. Eine kleine Ausstellung soll dort über den Fleischkonsum informieren.

2021 will das Museum darüber hinaus gleich mehrere Bücher veröffentlichen. Ein touristischer Führer wird vorbereitet, außerdem – in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsverein Rösrath und seinem langjährigen Vorsitzenden Robert Wagner – ein Sammelband über die NS-Zeit im Bergischen Land. Ein geplante Tagung zu Freilichtmuseen in der NS-Zeit musste vorerst verschoben werden.

Folgen für Mitarbeiter

Vom Lockdown nicht betroffen sind die Werkstätten des Freilichtmuseums. Die Handwerker können weiter arbeiten, zuletzt hat das Gebäude der ehemalige Volksschule Waldbröl, Hermesdorf, die im Museum wieder neu aufgebaut wird, Fenster bekommen. Im Haus Schürfelde aus Meinerzhagen, ebenfalls im Aufbau begriffen, wurde das Dach gedeckt. Schlechter sieht es aus für Museumsmitarbeiter, die bei der Service- und Betriebsgesellschaft Rheinland Kultur GmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Landschaftsverbandes, angestellt sind. Sie befinden sich in Kurzarbeit. Betroffen sind hier vor allem Frauen, etwa die Mitarbeiterinnen an der Kasse.

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Auch Honorarkräfte wie Marianne Frielingsdorf, die sonst regelmäßig Führungen anbieten, sind vom Lockdown betroffen. Keine Führungen bedeuten keine Einnahmen. „Ich bin trotzdem jede Woche mehrmals im Museum und schaue etwa bei den Gärten nach dem rechten“, sagt die Lindlarerin.

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