Den Wandel des Weihnachtsfestes zeigt das Lindlarer Freilichtmuseum. Im Forsthaus Broichen geht es um Weihnachten in der NS-Zeit.
Ausstellung im FreilichtmuseumWie die Nazis versuchten, Weihnachten umzudeuten

Hakenkreuz statt Stern: In einer Vitrine sind Keks-Ausstechformen aus der NS-Zeit zu sehen
Copyright: Stefan Corssen
Leckere, selbst gebackene Plätzchen – als Sterne, Halbmond oder in Herzform ausgestochen: Wer kann da schon Nein sagen? Doch es geht auch anders. In einer Tischvitrine zeigt das LVR-Freilichtmuseum in Lindlar Keks-Ausstechformen aus der Zeit des Nationalsozialismus: Ein Flugzeug, ein Hakenkreuz und eine SS-Rune sind unter anderem zu sehen. Sie machen deutlich, wie die NS-Propaganda von Anfang an versuchte, das christliche Weihnachtsfest ideologisch umzudeuten und neu zu besetzen.
„Ohne jeden Beleg leitete man Weihnachten aus dem germanischen Julfest ab“, erklärt Frederik Grundmeier, im Lindlarer Museum für die Dokumentation zuständig. Im Forsthaus Broichen, einem Blockhaus aus den 1930er Jahren, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine weihnachtliche Stube aus dieser Zeit aufgebaut. Ein geschmückter Tannenbaum darf natürlich nicht fehlen.
Sonnenräder statt Christsterne
Doch zum traditionellen Christbaumschmuck wie Sterne und Engel – also typisch christliche Symbole – treten jetzt germanische Sagengestalten, Runen und Sonnenräder hinzu. Damit auch Väter und Söhne, die als Soldaten der Wehrmacht ab 1939 Weihnachten an der Front erlebten, ein wenig feiern konnten, wurden kleine, zusammenklappbare Feldpostweihnachtsbäume verschickt.
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Das Museum zeigt ein solches Mini-Bäumchen – allerdings aus dem Ersten Weltkrieg. Aufgegeben von Frau Schwarz aus Waldbröl am 12. Dezember 1916 an ihren Mann, er gehörte der vierten Kompanie des ersten Bataillons des Landwehr-Infantrieregiments Nr. 30 an. Die dürren Äste des künstlichen Bäumchens bestehen aus Draht und lassen sich ausklappen.
Adventskalender, vollgepumpt mit Propaganda
Beliebt, vor allem bei Kindern, sind Adventskalender. Das war auch in der NS-Zeit nicht anders. Doch Anfang der 1940er Jahre wurde Papier knapp, und die Zensur verbot den Druck von religiösen Erzeugnissen. Viele christliche Verlage verloren ihre Existenzgrundlage. Die Partei hatte eine Lösung: Das Hauptamt der NSDAP gab 1942 und 1943 den Kalender „Vorweihnachten“ heraus, mit einer Doppelseite für jeden Tag der Adventszeit – samt Bastelanleitungen, Liedern und Geschichten. Doch diese waren vollgepumpt mit Nazi-Ideologie, um schon die Kleinsten zu beeinflussen und zu lenken im Sinne der Partei.
Zunehmend wurde Weihnachten auch politisch ausgeschlachtet. Dabei spielte das Radio – das im Wohnzimmer in Broichen nicht fehlen darf – eine wichtige Rolle. Heiligabend 1940 etwa wurde eine „Weihnachtsringsendung“ ausgestrahlt. Das Lied „Heimat Deine Sterne“ begrüßte die Zuhörer, bevor die Gebirgsjäger aus Narvik in Norwegen, die Posten auf dem Feldberg im Schwarzwald und an der französischen Atlantikküste ihre Weihnachtsgrüße überbrachten. Die Sendung sollte das feiern, was im Zentrum der NS-Ideologie stand: Die „Volksgemeinschaft“, die verbunden war mit Durchhalteparolen und einer Heroisierung der Soldaten.
Die Radiosendung erweckte den Eindruck einer „Liveschalte“ an die Front, tatsächlich hatte die NS-Propaganda die Sendung in Teilen vorab produziert, keineswegs spontan. Doch trotz alledem blieb Weihnachten ein christliches Fest. „So empfänglich viele Menschen für den Führerkult waren, beim traditionellen Weihnachtsfest ist die Umdeutung nicht gelungen und die Weihnachtsbotschaft blieb kraftvoll“, lautet das Fazit der Museumsfachleute.
Das LVR-Freilichtmuseum hat seit dem ersten Advent seine weihnachtlichen Stuben geöffnet. In acht historischen Gebäuden können die Besucher in Lindlar den Wandel des Weihnachtsfestes nachvollziehen. Um das Jahr 1800 – zu sehen im Wohnstallhaus Windeck-Hoppengarten – ist Weihnachten in erster Linie ein kirchliches Fest. Die heute so vertrauten Bräuche bilden sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts heraus.
100 Jahre später ist Weihnachten ein bürgerliches Familienfest – zu sehen in der Gaststätte Römer aus Wuppertal-Sandfeld. In Hof Peters aus Lindlar-Steinscheid ist eine Weihnachtsstube der späten 1950er Jahre aufgebaut. Alle Stuben sind bis zur ersten Januarwoche geöffnet, in der Woche können einzelne Häuser jedoch geschlossen sein.
Advent im Museum am 14. Dezember
Am Sonntag, 14. Dezember, 10 bis 18 Uhr, findet wieder Advent im Museum statt. Rund 50 Aussteller zeigen und verkaufen handgefertigte Erzeugnisse wie Keramik, Schmuck und handgesiedete Seife. Fruchtaufstriche, Honigprodukte und Weihnachtsgebäck versüßen die Adventszeit. Der Bäcker bietet Leckeres aus dem historischen Backhaus an, die Hauswirtschafterinnen lassen sich beim weihnachtlichen Kochen über die Schulter schauen und Bandweber, Glasbläser, Seiler und Schmied zeigen ihre alten Handwerke.
Auf dem Weg über das Gelände können Besuchende das Holzrücken mit dem Pferd beobachten. Märchenerzählerinnen, ein Papiertheater und der Nikolaus sind zu Gast. Nach dem Spaziergang wärmen Glühwein und Kinderpunsch. Der Eintritt kostet zehn Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben freien Eintritt. Das Nordtor des Museums ist geöffnet, bei gutem Wetter auch der Nordparkplatz. (r)

